Seit vier Jahren tobt in Myanmar ein Bürgerkrieg, die Lage für die Menschen verschlechtert sich zunehmend. Ein Experte hat dennoch Hoffnung auf Frieden.
Vor vier Jahren, am 1. Februar 2021, putschte sich in Myanmar das Militär an die Macht. Die kurze Phase der Demokratie in dem südasiatischen Land war mit einem Schlag zu Ende. Seitdem herrscht Bürgerkrieg in Myanmar, verschiedene Rebellengruppen kämpfen gegen die herrschende Militärjunta. Laut UN-Angaben wurden bis Ende 2024 mehr als 3,5 Millionen Menschen zu Vertriebenen im eigenen Land, knapp 20 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Amara Thiha beobachtet für die US-Denkfabrik Stimson Center die Entwicklung in dem Land. Man erreicht ihn über Videocall in Yangon, der größten Stadt Myanmars.
Amara Thiha, nach vier Jahren Bürgerkrieg hat das Militär die Kontrolle über weite Teile Myanmars verloren, Rebellenorganisationen sind seit einer großen Offensive im Oktober 2023 weiter auf dem Vormarsch. Wie erleben Sie die Lage vor Ort?
Die Zentralregierung ist so schwach wie nie seit der Unabhängigkeit Myanmars von Großbritannien. Die Regierung sagt selbst, dass sie nur rund ein Drittel des Landes kontrolliert. Und sie verliert weiter an Einflussgebiet. Selbst da, wo sie die Kontrolle hat, ist die Regierung oftmals sehr schwach, teilweise ist die öffentliche Infrastruktur zusammengebrochen. Insgesamt lebt aber rund die Hälfe der Bevölkerung in Gebieten, die unter Kontrolle der Zentralregierung stehen, weil sehr viele Menschen in große Städte wie Yangon geflohen sind.
Und diese Städte werden weiterhin von der Regierung verwaltet?
Genau. Das hat zwei Gründe. Erstens ist sehr teuer, Krieg zu führen. Eine Kugel kostet etwa so viel, wie ein Mensch in Myanmar am Tag verdient. Die Rebellenorganisationen können es sich also schlicht nicht leisten, die Städte einzunehmen.
Und der zweite Grund?
Eine Stadt zu erobern, ist das eine. Etwas ganz anderes ist es, sie auch am Laufen zu halten, also öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Auch das kostet sehr viel Geld. Die Rebellen konzentrieren sich deshalb vermehrt auf ländliche Gebiete.
Zur Person
Amara Thiha ist Myanmar-Experte bei der US-Denkfabrik Stimson Center. Zuvor war er am Peace Research Institute Oslo tätig.
„Die Lage in Myanmar war 2024 bereits sehr schlecht und wird 2025 noch schlimmer werden“
Wie ist die humanitäre Lage im Land?
Die Lage war 2024 bereits sehr schlecht und wird 2025 noch schlimmer werden.
Das Militär bombardiert immer wieder Dörfer, die von Aufständischen gehalten werden. Bei solchen Angriffen kommen regelmäßig unschuldige Menschen ums Leben. Hinzu kommt: Viele Binnenvertriebene sind in die großen Städte geflohen, die Versorgungslage dort ist teils verheerend. Zudem rückt der Konflikt immer näher an die Gebiete im Zentrum Myanmars heran, in denen viel Reis angebaut wird. Das wird die Lage noch einmal verschärfen. Schon jetzt ist ein Drittel der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Auch die neue US-Regierung trägt dazu bei, dass die Lage zunehmend angespannt ist.
Wieso das?
Bislang kam ein großer Teil der Hilfen für die grenznahen Gebiete von USAID, der US-Behörde für internationale Entwicklung. Unter
Donald Trump haben die USA diese Hilfsprogramme jetzt gestoppt. Das bringt die rund drei Millionen Menschen, die in den Grenzgebieten von Myanmar leben, in eine schwierige Situation.
Bürgerkrieg in Myanmar
Nach der Unabhängigkeit von Großbritannien stand Myanmar über Jahrzehnte unter Kontrolle des Militärs. 2015 der Wandel: Die National League for Democracy (NLD) von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi holte bei ersten freien Wahlen die Parlamentsmehrheit, bei der nächsten Wahl Ende 2020 errang sie gar einen Erdrutschsieg. Doch die noch immer mächtigen Militärs putschten sich nur wenige Wochen später an die Macht und sperrten Aung San Suu Kyi und viele andere NLD-Politiker hinter Gitter. Friedliche Proteste wurden blutig niedergeschlagen. Seitdem herrscht Bürgerkrieg in dem 50-Millionen-Einwohner-Land.
Im vergangenen Jahr hat das Militär damit begonnen, Menschen gegen ihren Willen zu rekrutieren.
Das stimmt. Neben dem Militär sind es teilweise auch die Rebellengruppen, die Menschen zwangsverpflichten. Vielen jungen Männern bleibt deswegen nichts anders übrig, als ins Ausland zu fliehen, etwa nach Thailand. Und wenn junge Männer fehlen, dann verschärft das die Versorgungslage natürlich noch weiter.
„Wahlen könnten einen Fortschritt auf dem Weg zu einem Frieden in Myanmar darstellen“
Das Militär hat baldige Wahlen in Aussicht gestellt. Was ist von dieser Ankündigung zu halten?
Wann die Wahlen stattfinden sollen, wissen wir nicht. Klar ist: Sie werden weder frei noch fair verlaufen. Dennoch könnten sie einen Fortschritt auf dem Weg zu einem Frieden in Myanmar darstellen. Denn was es jetzt braucht, ist eine Verhandlungslösung. Und dazu muss klar sein, wer auf der Seite der Zentralregierung die Verhandlungen führt.
Denken Sie, dass Junta-General Min Aung Hlaing die Macht abgeben würde?
Das ist die große Frage. Es sind sich aber alle einig, dass es politischen Dialog braucht. Auch wenn das natürlich nicht leicht wird. Neben der Zentralregierung müssen viele andere Akteure an solchen Gesprächen beteiligt werden, darunter die verschiedenen Rebellenorganisationen. Das werden schwierige Gespräche. Aber miteinander zu reden ist die einzige Option, wenn der Bürgerkrieg nicht noch viele Jahre weitergehen soll.