Waldkraiburger Stadtrat
Schluss als CSU-Fraktionsvorsitzender: Wieso Anton Sterr damit viel Ballast abwirft
Abschied auf Raten: Anton Sterr hat vor einiger Zeit seinen Rücktritt als CSU-Fraktionsvorsitzender erklärt. Welche Entscheidungen er bereut und warum er sich jetzt entspannt zurücklehnen kann.
Waldkraiburg – An gesundem Selbstbewusstsein fehlt es Anton Sterr nicht. Ohne hätte es gar nicht funktioniert in den vergangenen 29 Jahren, ohne hätte er seine Ideen im Stadtrat nicht so überzeugend einbringen, ohne hätte er nicht um Mehrheiten ringen können. Jetzt aber kann er sich entspannt zurücklehnen, muss „nicht mehr in die Bresche springen“, wenn etwas nicht passt.
„Ich arbeite streng auf meine politische Rente hin“, sagt Anton Sterr. Nach 29 Jahren verkündete er kurz vor Weihnachten seinen Rückzug als CSU-Fraktionsvorsitzender. Ein erster Schritt, dem mit der nächsten Kommunalwahl 2026 der nächste Schritt folgt. 1978 gelang ihm auf Anhieb der Sprung in den Stadtrat, dem er seitdem ununterbrochen angehört. Kandidieren will er nicht mehr.
Riesige Sammlung politischer Themen
Zehn Jahre war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender, zehn Jahre Umweltreferent der Stadt und damit zugleich der Erste im Landkreis, er war in allen wichtigen Ausschüssen vertreten. „Ich habe alles gesehen, was es gibt“, sagt er rückblickend. Sich selbst beschreibt er als „Generalist“, der bei vielen Themen „sattelfest“ war, über alles Bescheid wusste.
„Es gab fast nichts, was es nicht schon mal zuvor gegeben hat“, sagt Sterr. Aus der Erfahrung heraus hätte es sich gut beurteilen lassen, was möglich ist und was nicht. Von sich selbst sagt er, dass er ein „Gedächtnis wie ein Elefant“ hat. „Während meiner Zeit hat sich eine riesige Sammlung politischer Themen angehäuft.“ Unterlagen, Artikel zum städtischen Haushalt oder anderen Schwerpunkt-Themen, die er bei Bedarf immer wieder aus seinem Archiv geholt hat.
„Man kann keine großen Reden schwingen, wenn man nicht vorbereitet ist.“ Seine alten Unterlagen hätten ihm geholfen, Sachverhalte einzuschätzen, Dinge auf den Punkt zu bringen. „Der städtische Haushalt hatte in der Vergangenheit immer wieder Dellen, es gab immer schon Höhen und Tiefen bei den Einnahmen der Stadt.“ Aber für einen ausgeglichenen Haushalt hätte man früher einfacher Lösungen finden können als heutzutage.
Genaues Auge auf den Haushalt
Auf den Haushalt hatte Anton Sterr immer ein genaues Auge. „Er ist nach innen und außen ein Gradmesser, was sich die Stadt leisten kann. Ein unabdingbares Signal an Verwaltung und die Bevölkerung.“ Deshalb wäre es für ihn ein Unding gewesen, hätte es voriges Jahr keinen Haushalt gegeben.
Während seiner Zeit im Stadtrat hat er mit vier Bürgermeistern zusammengearbeitet, viele Entscheidungen getroffen. Zwei davon sieht er als sehr vorteilhaft für Waldkraiburg: „Die Stromübernahme 1998 hat damals umgerechnet rund 20 Millionen Euro gekostet. Der Gewinn ging früher an die Aktionäre, heute fließt er in Waldkraiburgs Sportstätten.“ Ein weiterer Entschluss, der sich bezahlt macht: die Geothermie. „Es waren nicht alle begeistert. Mit Beginn des Ukraine-Kriegs kam ein ganz anderer Zug in die Energie-Debatte.“
Aber nicht alle Beschlüsse bewertet Sterr im Nachhinein als positiv. Wie zum Beispiel die Entscheidung, einen Abschnitt der Marienburger Straße zugunsten eines Firmengeländes aufzulassen. „Das war eine Entscheidung gegen die Stadtentwicklung – anstatt die Industrie ins Gewerbegebiet umzusiedeln.“ Auch bei der Städtepartnerschaft hätte er anders gewählt. „Sartrouville ist einfach zu weit weg, um die Partnerschaft mit Leben zu füllen.“
Parteipolitik ist für Sterr fehl am Platz im Stadtrat. „Es geht um die Sache. Das wird einem mit der Zeit um so bewusster.“ Da wird diskutiert, um Entscheidungen gerungen. „Früher waren die Diskussionen mehr auf Konfrontation, heute ist es mehr ergebnisorientiert.“ Früher seien die Mitglieder im Stadtrat „viel schärfer in ihrer Argumentation“ gewesen – oft auch durch die überregionale Politik beeinflusst.
In seiner Zeit als Fraktionsvorsitzender hat Anton Sterr viele Stadträte kommen und gehen sehen. „Größtenteils waren sie von der CSU und SPD.“ 2014 dann ein Einschnitt, mit dem er erst einmal lernen musste, umzugehen: Die CSU verlor ihre absolute Mehrheit. „Natürlich waren zuvor Entscheidungen leichter zu fällen. Wir mussten uns mit den neuen Gegebenheiten arrangieren.“ Neue Gegebenheiten, die Konfrontationen mit sich brachten. Die sich aber auch wieder legten.
Konsequent in der Sache
„Die Zusammenarbeit war immer gut im Stadtrat. Persönliche Auseinandersetzungen habe ich nie erlebt, es war immer konsequent in der Sache“, sagt Sterr. Seine Hand schnellt mittlerweile nicht mehr so schnell nach oben, um sich zu Wort zu melden. „Die Verantwortung hat gewechselt.“ Jetzt habe sein Nachfolger Karl-Heinz Stocker das Recht, als Erster aus der Fraktion zu reden. „In der ersten Sitzung nach meinem Rücktritt hatte ich das noch nicht verinnerlicht.“
Der Rückritt war eine sehr bewusste Entscheidung. „Ich genieße es, jetzt nicht mehr Vorsitzender zu sein. Ein gutes Gefühl und eine Arbeitserleichterung.“ Mehrere Stunden habe er pro Woche investiert, um sich in die Themen einzuarbeiten oder in alten Unterlagen nachzuschlagen. Seine Sammlung hat er mittlerweile aufgelöst, und damit „großen Ballast“ abgeworfen. Ein weiterer Schritt in Richtung politische Rente.