Aus Heldenstein für den VfL Waldkraiburg
66 und kein bisschen rostig: Welt- und Europameister Reinhold Paul peilt die nächste Medaille an
Reinhold Paul wohnt in Heldenstein und startet seit Jahrzehnten für den VfL Waldkraiburg. Er ist mehrfacher Welt- und Europameister im Speerwurf. Bei der Europameisterschaft in Italien an diesem Wochenende peilt er den nächsten Titel an.
Waldkraiburg/Heldenstein – Reinhold Paul ist 66, mehrfacher Welt- und Europameister im Speerwurf. Auf den ersten Blick ist ihm der Spitzensportler nicht anzusehen. Er ist ein rüstiger, aktiver, normaler Rentner, kein ausgemergelter Sportler. Paul ist frisch und vital und bereitet sich gerade wieder einmal auf eine Europameisterschaft vor: an diesem Wochenende im italienischen Pescara an der Adria: „Ich will eine Medaille.“
Zum Speerwurf kam Paul über Umwege: Geboren in New York, bis zum zwölften Jahr aufgewachsen in der Bronx, war sein erster Sport Baseball. 1968 kam er mit seiner Familie nach Waldkraiburg, mit zwölf traf er dort am Sportplatz erstmals den späteren Olympia-Sieger von München: Klaus Wolfermann. Der trainierte dort gerade mit den besten bayerischen Speerwerfern. „Ich wollte ein wenig angeben und habe gezeigt, wie ich mit dem Ball werfen kann“, erzählt Paul heute. Der Ball flog hundert Meter und alle waren baff, Wolfermann habe sofort gesagt: „Wenn irgendjemand mal bei einem Lehrgang fehlt, dann lade ich dich ein.“ Der Beginn einer Speerwerfer-Karriere und einer Freundschaft, die bis heute andauert.
Gewicht und Größe verhinderten die ganz großen Erfolge
Eine Karriere, die anfangs nie von großen Erfolgen geprägt war. Paul hatte zwar, wie er sagt, „eine super Technik“, aber für die ganz großen Weiten und Titel fehlten ihm mit 1,76 Meter und 66 Kilo Größe und Gewicht. „Damit konnte ich mit den Weltklasse-Athleten nicht mithalten.“ Wolfermann habe gesagt, wenn er nur einen Kopf größer und etwas schwerer wäre, könnte ihn niemand schlagen. Es gebe wohl, so Paul, weltweit niemanden, der mit seinem Gewicht und seiner Größe an die 75 Meter geworfen hätte.
Ohnehin prägten zwei andere Titel seine frühe Sportler-Karriere: 1971 sein erster Sieg bei der Kreismeisterschaft: „Da war ich ganz stolz drauf.“ Und 1983 bei der Bayerischen Meisterschaft im Münchner Dante-Stadion: 35 Grad Celsius, absolute Windstille. Pauls Speer fliegt wie mit der Pistole geschossen. Paul ist Bayerischer Meister: „Damals musste ich vier Leute schlagen, die über 80 Meter werfen.“ Und Wolfermann meinte nur: „Ich habe noch nie so einen perfekten Wurf gesehen.“
„Weil ich es kann“
Auch wenn die ganz großen Titel ausblieben, Paul blieb bei seinem Sport: „Weil ich es kann.“ Weil er immer perfekt werfen wollte. Und er traf alle Größen seines Sports: Deutsche Meister, Europameister, Weltmeister, Olympia-Sieger, Weltrekordler.
Im Senioren-Alter (das in der Leichtathletik mit 30 beginnt) kamen die Erfolge – auch gegen die ganz Großen wie Dainis Kula, Olympia-Sieger von 1980. „Ich habe ihn geschlagen“, freut sich Paul.
„Der Ehrgeiz bei den Senioren ist brutal“
Auch bei den Senioren werde richtig gefightet. „Der Ehrgeiz bei den Senioren ist brutal. Es fliegt kein Olympiasieger um die ganze Welt, um zu verlieren.“ Die zu schlagen, sei schon ein „riesen Anreiz“, auch heute noch. Und wenn er dann auf dem Podest ganz oben stehe und der Zweite und Dritte seien immer noch größer als er, „dann ist man stolz“.
Sein größter Erfolg bei den Senioren: Er wurde 2008, 2010 und 2012 dreimal in Folge Weltmeister; 2012 in Finnland, dem Land der Speerwerfer.
Eigentlich müsste er aufhören, sagt er schmunzelnd: Im vergangenen Jahr habe er einfach alles gewonnen: Bayerischer Meister, Deutscher Winterwurfmeister, Deutscher Meister, Europameister, Weltmeister und Weltjahresbestleistung. „Mehr kannst Du nicht erreichen.“ Doch die Leidenschaft ist einfach zu groß.
Training mit dem Nachwuchs hält ihn jung
Diese Leidenschaft gibt er seit 35 Jahren als Trainer auch an den Nachwuchs weiter. So trainiert er Bayerns Mehrkampf-Nachwuchs oder jeden Montag in Berchtesgaden Leni und Lisa Hölzlwimmer, die aus einer Ski-Fahrer-Familie kommen. Der DSV-Abfahrer Dominik Schwaiger ist ihr Onkel.
„Es hält mich jung, den jungen Leuten die Technik hundertprozentig zu zeigen.“ Wenn er mit ihnen immer wieder die Technik trainiere und vormache, dann profitiere auch er: „Das hält mich auf diesem Niveau. Solange bin ich auch als Senior gut.“ Auch als Trainer könne er einfach nicht aufhören: „Ich muss mein Wissen weitergeben.“
Und so ist Reinhold Paul weiterhin unermüdlich unterwegs, trainiert fast täglich, fährt um die ganze Welt und alles auf eigene Kosten, ohne Gelder vom Verband, ohne Sponsoren: Die Leidenschaft ist einfach zu groß.
Tipps für Sport im Alter
Bewegung ist im Alter wichtig. Es trägt zur Gesundheit bei und es fördert das geistige Wohlbefinden. „Wer seinen Körper positiv wahrnimmt, steigert damit sein Selbstvertrauen“, sagt unter anderem die AOK. Es muss nicht jeder Weltmeister werden, wie Reinhold Paul. Sein Fitness-Tipp für seine Altersgenossen: „Gymnastik machen, ein bisschen Krafttraining und in Bewegung bleiben.“ Nur ein wenig mit Hanteln arbeiten sowie Übungen mit dem eigenen Körpergewicht. „Nicht übertreiben. Gymnastik ist das allerwichtigste“, so Paul, das fördere die Beweglichkeit.
