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Wegen versuchten Totschlags vor dem Schwurgericht Traunstein

Opfer schreit nach 18 Messerstichen: „Ein Freund hat mich abgestochen“ 

Die Polizei hatte den Tatort nach der Messerattacke auf einen30-Jährigen aus Waldkraiburg abgesperrt. Der Tatverdächtige konnte zwei Stunden später auf einem Firmengelände festgenommen werden.
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Der Tatort nach der Messerattacke auf einen 31-Jährigen aus Waldkraiburg.

Ende Juni 2022 soll ein 35-Jähriger in der Waldkraiburger Schichtstraße mit einem Messer 18-mal auf einen 31-jährigen Familienvater eingestochen haben. Das Opfer wurde schwer verletzt und verlor die Milz. Jetzt war vor dem Schwurgericht Traunstein der Prozess-Auftakt.

Traunstein/Waldkraiburg – Wegen eines lebensgefährlichen Messerangriffs in Waldkraiburg mit 18 Stichen in den Rumpf eines 31-Jährigen muss sich seit gestern ein 35-jähriger, vielfach vorbestrafter Angeklagter vor dem Vorsitzenden Richter Volker Ziegler am Schwurgericht Traunstein verantworten. Staatsanwalt Thomas Langwieder wirft dem teilgeständigen Täter versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. In einer zweiten Anklage geht es um weitere Delikte in Mühldorf. 

Der Fall in Waldkraiburg ereignete sich am 29. Juni 2022 gegen 21.50 Uhr in der Schichtstraße. Anwohner wurden durch die Hilfe-Hilfe-Schreie auf den blutüberströmten Verletzten aufmerksam und setzten einen Notruf ab. Das Opfer rief: „Ein Freund hat mich abgestochen.“ 

Ein Großaufgebot der Polizeiinspektion Waldkraiburg sowie anderer Dienststellen fahndeten nach dem Täter, der mit dem Fahrrad geflohen war. Eine Streife der Bundespolizei sah den Tatverdächtigen etwa zwei Stunden später in der Traunreuter Straße. Der Mann verschwand auf ein angrenzendes Firmengelände. Ein Suchhund stöberte den mutmaßlichen Messerstecher auf dem von der Polizei umstellten Gelände auf. Dieser ließ sich widerstandslos die Handschellen anlegen. Seither befand er sich in Untersuchungshaft. 

18 Stichwunden: Lunge kollabiert, Milz wird entfernt

Der 31-Jährige erlitt bei dem Angriff laut Anklageschrift insgesamt 18 Stichverletzungen im Oberkörper, unter anderem in Lunge und Milz. Eine Notoperation im Krankenhaus rettete sein Leben, die Lunge kollabierte und die Ärzte mussten die Milz entfernen. Die Kripo Mühldorf ermittelte und rekonstruierte den Tathergang, der sich in der Anklage zum Schwurgericht niederschlug. 

Demnach war der 31-Jährige auf dem Weg zur Arbeit. Der Angeklagte versperrte ihm den Weg. Bei dem folgenden Streit fielen beleidigende Worte. Der 35-Jährige soll den Jüngeren vom Rad gezogen und dann vielfach wuchtig auf ihn eingestochen haben. Die Stiche drangen bis zu sechs Zentimeter tief in den Körper des Geschädigten ein, der in dem Prozess als Nebenkläger auftritt und von Opferanwalt Andreas Knoll aus Waldkraiburg vertreten wird.

Der Angeklagte entsorgte das Messer. Es wurde nie gefunden.

„Ich war nicht ich selbst“

Der Angeklagte hatte dem Geschädigten im Vorfeld 25.000 Euro als Täter-Opfer-Ausgleich zugesagt – 5000 sofort, dann Monatsraten von 800 Euro. Der Verteidiger des Angeklagten, David Mühlberger aus München, erklärte namens seines Mandanten, dieser könne sich nur teilweise an die Tat erinnern. Bei dem Gerangel habe ihm der auf ihm sitzende Nebenkläger einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Der Angeklagte habe sich wehren wollen und „aus ungeklärten Gründen zugestochen – aber nicht so oft, wie in der Anklage steht“. Der 35-Jährige habe den anderen „verletzen, aber nicht töten wollen“. Die Tat sei auf den massiven Konsum von Alkohol und Drogen zurückzuführen. „Ich war nicht ich selbst“, zitierte der Anwalt den Angeklagten. 

Auf Frage der Kammer räumte der 35-Jährige ein, den Nebenkläger kurz vorher am gleichen Tag schon mal beleidigt zu haben. 

Opfer ist Vater von drei Kindern und kann nicht mehr arbeiten

Der bis heute nicht arbeitsfähige Nebenkläger, begleitet von Vertreterinnen des Weißen Rings Altötting, wirkte gestern noch tief betroffen und verzweifelt. Er sei seit einem Jahr in Kliniken, benötige bis heute psychologische Hilfe und absolviere eine Traumatherapie. 

Er sei Vater von drei Kindern: „Was wäre gewesen, wenn ich gestorben wäre?“ Wie es weitergehe, wisse er nicht: „Ich kann nicht mehr heben, kann nicht mehr arbeiten, muss bald wieder in die Klinik.“ Ein Arztbericht bescheinigte dem Opfer schwerste physische und psychische Folgen. Wörtlich sagte der 31-Jährige: „Ich versuche zu kämpfen, wieder Kraft zu bekommen. Ich schaffe gar nichts mehr. Ich will wieder mit meinen Kindern spielen. Ich muss gesund werden. Meine Kinder stehen an erster Stelle.“ 

Auf Bitte des Gerichts zeigte er seine vielen Narben am Oberkörper. Finanziell sei er am Ende. 

Der Angeklagte entschuldigte sich gestern persönlich. Er denke viel darüber nach, was er getan habe. Die Antwort des 31-jährigen Opfers unter Tränen: „Ich bin an dem Tag zweimal gestorben.“

Angeklagter muss sich auch für Vorfälle in Mühldorf verantworten

Dem 35-jährigen Waldkraiburger wird in einer zweiten Anklageschrift vorgeworfen, am 17. August 2021 auf einem Parkplatz in Mühldorf laut mit seinen Kindern gestritten zu haben. Eine Passantin sprach ihn an und erntete Ausdrücke wie „Drecksau“. Als der Angeklagte im Wagen saß, klopfte ein Zeuge an das Autofenster. Der 35-Jährige reagierte mit einem Faustschlag gegen den Kopf des Mannes, um dann auszusteigen und gegen die Beine des Geschädigten zu grätschen. Ein Wadenbeinbruch und Schürfwunden waren die Folgen. 

Das Amtsgericht Mühldorf hatte den 35-Jährigen zu elf Wochen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Schwurgericht verband beide Verfahren und wird über die Berufungen der Staatsanwaltschaft sowie des Angeklagten befinden.  

Angeklagter schildert sein Vorleben mit Raub, Spielsucht, Alkohol- und Drogenproblemen

Teils unter Tränen schilderte der 35-Jährige sein Vorleben. Er verbüßte mehrere Haftstrafen, auch wegen Raubüberfällen auf einen Supermarkt und eine Tankstelle. In Gefängnissen fiel er durch aggressives Verhalten auf. Seine Spielsucht, Alkohol- und Drogenprobleme, dazu „falsche Freunde“ führte der Angeklagte an, warum er immer wieder scheiterte. Ab dem 13., 14. Lebensjahr habe er Betäubungsmittel konsumiert. Er wolle „endlich ein drogenfreies Leben führen“. 

Wieso er an jenem Tag in Waldkraiburg „ein Messer dabeihaben konnte“, wisse er nicht. „Ich bin so froh, dass der Mensch noch am Leben ist“, beteuerte der 35-Jährige.

Die weiteren Prozesstage

Der Prozess wird am 22. und 28. Juni sowie am 18. Juli, jeweils um 8.30 Uhr, fortgeführt.

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