Bauchweh, wenn Telefon klingelt
Katzenflut im Tierheim Waldkraiburg: Was den Tierschützern jetzt helfen würde
Eine Katzenflut wie heuer haben die Mitarbeiter des Waldkraiburger Tierheims noch nicht erlebt: Leid und Elend begleiten ihre Arbeit, sie können kaum alle Tiere versorgen. Was den Tierschützern jetzt helfen würde.
Waldkraiburg – Eitrige Augen und von um die hundert Zecken befallene Körper: So hat ein aufmerksamer Mensch zwei kleine Katzen in einem Karton an einer Bushaltestelle bei Gars gefunden. Nachdem er die Zecken entfernt hatte, brachte er sie ins Tierheim Waldkraiburg.
„Elend wie dieses sehen wir jeden Tag”, sagt Manuela Gyimes, Vorsitzende des Tierschutzvereins Waldkraiburg. Sie erzählt von einer Katze, deren Haut von Maden befallen war. Situationen wie diese sind für die Mitarbeiter, allen voran das vierköpfige Kernteam, belastend. Sie gehen an die Substanz. „Wir haben immer wieder Phasen, in denen wir einfach dastehen und weinen.”
Katzenflut in Deutschlands Tierheimen
Gyimes engagiert sich bereits seit 16 Jahren für Tiere und sagt, ihr Leben sei definitiv leichter gewesen, als sie noch keinen Tierschutz gemacht habe. Dieses Jahr sei besonders schwierig. „Die Tierheime in Deutschland stehen alle mit dem Rücken zur Wand”, sagt sie. Viele hätten einen Aufnahmestopp. Die häufigsten tierischen Schützlinge: Katzen. „Das ist ganz extrem momentan.”
Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Skopos gibt es in Deutschland 15,7 Millionen Katzen als Haustiere. Hinzu kommen laut Deutschem Tierschutzbund mehrere Millionen Straßenkatzen. Oft sind sie durch Krankheiten, Parasiten, Verletzungen und Hunger geschwächt – befinden sich in einem kritischen Zustand.
Nicht Straßenhunde sondern Streunerkatzen sind Problem
Insbesondere Kitten, so werden Babykatzen bezeichnet, hätten eine geringe Überlebenschance. Viele würden, so der Tierschutzbund, nicht einmal sechs Monate alt. Trotzdem werden die freilaufenden Katzen immer mehr: Durch eine einzige unkastrierte Katze können innerhalb von zehn Jahren theoretisch bis zu 200 Millionen Nachkommen entstehen.
Diese Streunerkatzen sind den Kontakt zu Menschen nicht gewöhnt. „Wenn wir die Tiere bekommen und zur Quarantäne in einem Käfig unterbringen, habe ich mehr Angst vor den Katzen als vor Hunden”, sagt Gyimes. Während viele über die Straßenhunde in anderen Ländern schimpfen, seien in Deutschland Katzen das Problem.
Der Deutsche Tierschutzbund warnte schon im Frühjahr in einer Pressemitteilung vor einer bevorstehenden „Kätzchenschwemme”, spricht von einem der größten unbemerkten Tierschutzprobleme in Deutschland.
„Wir können gar nicht immer rangehen“
„So schlimm wie heuer war es noch nie, regelmäßig geht uns das Futter aus”, verdeutlicht Gyimes die Lage. Es gebe Tage, da läute das Tierheim-Telefon alle fünf Minuten und bei jedem Klingeln hätten die Mitarbeiter Bauchweh, dass wieder neue Katzen gefunden wurden. „Wir können gar nicht immer rangehen, die Tiere müssen wir ja auch versorgen.”
Nicht selten werde eine Katzenmama mit fünf oder acht Kitten gebracht. Darum ist das Tierheim auch auf Pflegeplätze angewiesen. Noch mehr bringen würde es jedoch, wenn jeder Verantwortung für seine Tiere übernehmen und diese kastrieren lassen würde. „Da muss auch seitens der Gesetzgebung etwas passieren, Tierschutz geht alle an!”, betont Tierschutzvereins-Vorsitzende Gyimes.
Tierschützer fordern Katzenschutzverordnung
Ihr Wunsch und der vieler Tierschützer: Eine Katzenschutzverordnung. Schon seit 2008 können Kommunen mithilfe des Tierschutzgesetzes eine kommunale Verordnung zum Schutz freilebender Katzen erlassen. Diese kann einen klaren Rahmen zur Kastration, Kennzeichnung und Registrierung festlegen. Allerdings haben bundesweit bisher erst 1500 Städte und Gemeinden dies wahrgenommen.
In Waldkraiburg gibt es eine solche bisher nicht. „Die Stadt Waldkraiburg ist nicht originär für den Erlass einer ‚Katzenschutzverordnung‘ zuständig. Diese Zuständigkeit liegt vorrangig im Landratsamt“, teilt Cora Jambor seitens der Stadt auf Nachfrage mit.
Keine Katzenschutzverordnung im Landkreis Mühldorf
Dass Katzen sich unkontrolliert vermehren, trete regional und lokal in unterschiedlichem Ausmaß auf, erklärt Landratsamtssprecher Wolfgang Haserer. „Nur wo nachweislich eine entsprechende Problematik besteht, sind entsprechende Regelungen erforderlich“, betont er.
Dies sei der Fall, wenn Gemeinden oder örtliche Tierschutzorganisationen eine hohe Anzahl freilebender Katzen mit erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden feststellen, die auf die hohe Anzahl dieser Tiere im jeweiligen Gebiet zurückzuführen sind. „Gleichzeitig ist es erforderlich, dass andere Maßnahmen zur Eindämmung der Katzenpopulation nicht erfolgreich waren.“
Erst dann würden gemeinsam mit den betroffenen Gemeinden „Katzenschutz-Gebiete“ ausgewiesen, in denen für Katzenhalter besondere Auflagen gelten. „Im Landkreis Mühldorf wurde bisher keine Katzenschutzverordnung erlassen“, sagt Haserer.
Auch der Stadt Waldkraiburg ist laut Jambor kein Problem mit Streunerkatzen bekannt, „sodass eine entsprechende Verordnung als nicht notwendig erachtet wird.“
Gefundene Katzen bleiben blind
Tierschutzvereins-Vorsitzende Gyimes sieht das anders. Gäbe es eine solche Verordnung, könnte das Situationen wie die eingangs geschilderte verhindern. „Wir versuchen alles, aber manchmal können wir Katzen, die zu uns gebracht werden, nur noch erlösen und das dürfte nicht sein”, sagt Gyimes.
Ihren beiden Findelkindern geht es inzwischen besser. Die Tierheim-Mitarbeiter haben sie sofort in eine Klinik gebracht, wo sie versorgt wurden. Blind bleiben sie jedoch. Wären sie von Anfang an mit Antibiotika oder Augensalbe versorgt worden, hätte man das abwenden können. „So etwas haben wir ständig, wir sind durchgehend mit dem Leid, Tod und Elend dieser Katzen konfrontiert.“
