„Da sollten wir uns als Gesellschaft Gedanken machen“
Sexszenen, Hass, Kontaktanfragen: Diese Gefahren bergen scheinbar harmlose Spiele-Apps für Kinder
Coole Charaktere und magische Welten: Die Welt der Online-Spiele kann fesselnd sein. Doch sie birgt Gefahren. So gehen Eltern und Kinder damit um.
- Die Stiftung Warentest warnt vor gefährlichen Inhalten in Spiele-Apps.
- Viel Zeit und Geld können beim Spielen auf der Strecke bleiben.
- Eltern gehen verschieden mit den digitalen Gefahren um.
Waldkraiburg – Routiniert bewegt Alex Seliger seine Spielfigur, den sogenannten „Brawler“, durch eine Arena aus roten Steinen. Er kämpft gegen virtuelle Gegner. Wenn er von Trophäen, Starr Drops und dem Mega Schwein erzählt, leuchten seine Augen. Alex Seliger ist zwölf Jahre alt und spielt das Online-Spiel „Brawl Stars”. Schnell vergehen dabei zwei bis drei Stunden – und das beinahe jeden Tag. „Ich vergesse die Zeit um mich herum”, sagt er. Mal spielt er alleine, mal mit Freunden, mal mit Fremden. „Spielen macht mir Spaß, weil die Charaktere süß oder cool sind und verschiedene Fähigkeiten haben, jeder kämpft beispielsweise anders.”
„Brawl Stars“, das Spiel, das Alex Selinger regelmäßig in seinen Bann zieht, ist eine von 16 populären Spiele-Apps, die die Stiftung Warentest unter die Lupe genommen hat. Dabei hat das Institut festgestellt: Die Spiele sind gefährlich. Sie enthalten zum Teil Inhalte, die nicht kindgerecht sind: Sexszenen, Hassbotschaften oder Amokläufe. Auch besteht die Gefahr, dass fremde Erwachsene in den Spielen mit Kindern in Kontakt treten und die Anbieter – selbst wenn man dies meldet – nur eingeschränkt reagieren, wie Stiftung Warentest kritisiert. Viele Apps enthalten Werbung und versuchen, die Nutzer zu Einkäufen zu verlocken – also echtes Geld für beispielsweise virtuelle Waffen oder Münzen auszugeben.
In den Apps lässt sich viel Geld ausgeben
Vater Thomas Seliger ist sich dieser Gefahren bewusst. Um dem entgegenzuwirken, laufen die Spiele seines Sohnes über seine E-Mail-Adresse: So kann er zumindest in Sachen Bezahlung die Kontrolle behalten. Hin und wieder frage sein Sohn, ob er mit Geld etwas im Spiel freischalten könne. Darauf geht der Vater allerdings nur selten ein, gibt als Belohnung mal fünf oder zehn Euro aus. „Ich sage ihm dann, dass er das eigentlich nicht braucht und die Spiele-Entwickler damit Geld verdienen möchten”, erzählt er. „Dass man Geld bezahlen kann und schon steht man wieder auf, suggeriert außerdem etwas, das es im echten Leben nicht gibt.”
Anders handhabt es Jasmin Karaman, Mutter von vier Kindern. Ihre beiden Großen sind zehn und zwölf Jahre alt. Über eine App auf ihrem Smartphone blockiert Karaman diese sogenannten In-App-Käufe. Auch die Spieldauer kann sie so einschränken. Grundsätzlich dürfen ihre Kinder nur offline spielen, etwa mit einer Mandala-App oder der Lern-App Anton. „Aber auch da sind schnell zwei Stunden rum und die Kinder denken, es waren nur zehn Minuten.“
Unzählige Stunden am Handy und abwertende Sprache
Den Zeitpunkt, um die Bildschirmzeit stärker einzugrenzen, hat Thomas Seliger verpasst. Da fasst sich der Vater an die eigene Nase. Mit etwa acht Jahren habe sein Sohn mit den ersten Online-Spielen begonnen. „Die Kinder sind in den Spielen beinahe gefangen, es besteht schon die Gefahr, dass darüber Wichtiges im Leben an Sinn verliert”, sagt er. Er versuche, dagegen zu halten, aber leicht sei das nicht immer.
Auch die Sprache in den Spielen und in der Interaktion der Spieler untereinander mache ihm Sorgen: Teils sei diese abwertend, brutal oder vulgär, beschreibt Vater Seliger. „Die Ausdrucksweise sagt mir nicht zu und es ist schwierig, das aus den Kindern wieder herauszubekommen.” Erfahrungen mit sexuellen Anbahnungen oder Rassismus haben er und sein Sohn bisher jedoch nicht gemacht.
Erwachsene versuchen, mit Kindern Kontakt aufzunehmen
Mutter Jasmin Karaman dagegen schon. Sie testet Spiele-Apps vor dem Download auf das Kinder-Handy selbst. Erst kürzlich habe sie sich die Lern-App Knowunity angeschaut und war erschrocken, dass Erwachsene über solche Anwendungen versuchen, Kontakt zu Kindern aufzunehmen. „Schon nach zehn Minuten hatte ich die erste Anfrage, wie alt ich bin”, erzählt sie.
Dass so etwas passieren kann, weiß auch Vater Seliger und versucht darum, mit seinem Sohn offen über potenzielle Gefahren zu sprechen. „Ich erkläre Alex was passieren kann und sage immer wieder: Wenn etwas ist, dann komm zu mir und wir klären das gemeinsam.” Dabei möchte er ihm das Tablet auch nicht schlecht reden. „Sich gut damit auszukennen, weil man es viel nutzt, ist ja auch ein Vorteil”, sagt er.
Auch Jasmin Karaman betont, dass das Internet tolle Möglichkeiten bietet. „Ich möchte den Kindern keine Erfahrungen nehmen, aber mir ist es wichtig, nur altersgemäße Erfahrungen zuzulassen.” Es gebe im Netz viele komische Sachen, darunter Gewaltvideos und Anfragen, die Kinder mit ihrer Psyche noch nicht verarbeiten könnten, und der Jugendschutz sei nicht weitgreifend genug. „Da sollten wir uns auch als Gesellschaft Gedanken machen, es ist doch das höchste, dass die Kinder geschützt werden – manches dürfen sie ruhig verpassen”, sagt sie.