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Interview mit Grünen-Fraktionschefin

„Der Feind sitzt woanders“: Katharina Schulze über Sorgen von jungen Leuten

Katharina Schulze, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, im Gespräch mit Jugendlichen im Haus der Jugend in Waldkraiburg.
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Katharina Schulze, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, im Gespräch mit Jugendlichen im Haus der Jugend in Waldkraiburg.

Jugend in Krisenzeiten: Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag Katharina Schulze war zu Gast im Haus der Jugend in Waldkraiburg. Im OVB-Interview spricht sie über existenzielle Ängste junger Leute, die Wahl der AfD bei der Europawahl und notwendige Schritte der Grünen, um wieder Vertrauen zu gewinnen.

Waldkraiburg – Corona-Krise, Ukraine-Krieg oder der Angriff der Hamas auf Israel – Deutschlands Jugend befindet sich seit Jahren im Krisenmodus, wird mit existenziellen Ängsten konfrontiert. Bei den etablierten Parteien sehen Jugendliche wenig Zukunftsperspektiven, machten stattdessen bei der Europa-Wahl ihr Kreuz bei der AfD. Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze hat im Ausbildungszentrum der Südostbayern-Bahn und im Haus der Jugend in Waldkraiburg das Gespräch mit den Jugendlichen gesucht. Ihr Eindruck.

Bei der Europa-Wahl haben junge Menschen in erster Linie konservative bis rechte Parteien gewählt, grüne und linke Parteien hatten eher das Nachsehen. Wo liegen die Versäumnisse der Grünen?

Katharina Schulze: Dass die AfD so stark war und die Grünen verloren haben, schmerzt mich sehr. Als Bayerische Grüne ist uns klar, es kann nicht weitergehen wie bisher. Wir sind deswegen präsenter auf Social Media, aber mit mehr Videos alleine ist es nicht getan. Ich bin kein Fan davon ständig über „diese jungen Leute“ zu sprechen, lasst uns mit ihnen sprechen. Wir müssen die Bedürfnisse der Jugendlichen ernst nehmen und Lösungen anbieten, ihnen zuhören. Es ist eine Generation, die nicht das Urvertrauen hat, dass sie es später besser haben wird, sondern ist geprägt von einer hohen Unsicherheit und Angst.

Viele sehen in der Jugend junge Erwachsene, die auf die Straße gehen, sich für den Klimaschutz starkmachen. Bei der Europawahl hat sich aber auch ein anderes Bild gezeigt. Wie kann das sein?

Schulze: Man darf nicht vergessen, dass viel passiert ist seit der letzten Europawahl. Vor fünf Jahren war die Welt noch eine ganz andere. Es gab noch keinen Krieg in Europa, der auf einmal ganz nah ist und von dem sich die Menschen bedroht fühlen. Dazu kommt der Angriff der Hamas auf Israel, Herausforderungen wie die Inflation, die zunehmende Digitalisierung oder die Klimakrise, die ganz nah ist. Abgesehen davon war die Jugend schon immer verschieden, hat alle Parteifarben gewählt. Gefährlich wird es, wenn es ins Extreme geht. Dann muss die rote Warnlampe angehen.

Hass und Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft

Die Videos von Sylt haben gezeigt, dass Rassismus längst in unserer Gesellschaft angekommen ist.

Schulze: Hass und Antisemitismus gehen längst breit in die Mitte der Gesellschaft rein. Das ist gefährlich und es sollte Aufgabe aller Demokraten sein, genau hinzuschauen und dagegenzuhalten. Am Rechtsruck müssen wir gemeinsam demokratisch arbeiten, und nicht andere Parteien als Hauptgegner stilisieren. Der Feind sitzt woanders. Wir müssen eine gute Politik machen, Grenzüberschreitungen aufzeigen und zusammenhalten. Ein schneller Applaus vom rechten Rand zahlt sich nicht aus.

Was kann die Politik machen, was braucht es von der Gesellschaft?

Schulze: Es braucht mehr politische Bildung – in und außerhalb der Schule. Eine langfristige Demokratie-Bildung ab der ersten Klasse, die man erleben, in ihr wachsen kann. Außerdem braucht es die Vorbildfunktion der Eltern, wenn es um die Vermittlung von Werte geht, die wir teilen. Jugendliche sollen sehen, was uns stark macht, gleichzeitig wie sehr unser Frieden und Wohlstand gefährdet ist. Die AfD hat Spione und Vaterlandsverräter in ihren Reihen, es muss klar sein, welch massive Gefahr davon ausgeht.

Nicht alles auf einen Schlag besser

Wie lassen sich die Jugendlichen erreichen?

Schulze: Es braucht eine ehrliche Kommunikation, dass eben nicht morgen alles auf einen Schlag besser ist, sondern dass wir kontinuierlich daran arbeiten. Die Jugendlichen sind nicht doof. Stattdessen müssen wir Lösungen entwickeln, diese umsetzen und sie teilhaben lassen. Dass ihnen klar ist, dass ein Mitbestimmen gewollt ist und dass sie ernst genommen werden. Aufgeben gilt nicht, sondern weiterarbeiten als Team.

Was braucht es von der Politik?

Schulze: Konkrete Angebote für junge Menschen, zum Beispiel im Bereich Mobilität: Das 49-Euro-Ticket ist ein großer Schritt, aber im ländlichen Raum fährt nicht ständig der Bus? Ein Azubi-Führerschein, bei dem es vom Freistaat Bayern und vom Betrieb einen finanziellen Zuschuss gibt, wäre ein gutes Signal und würde die Kosten für den Führerschein drücken. Ebenso sinnvoll ist die Bafög-Erhöhung, welche die Ampel beschlossen hat. Es gibt viele tolle junge Leute, die total motiviert sind. Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, wie ein gutes Bildungssystem schaffen, dass sie sich entfalten können. Eine vielschichtige Jugend gehört dazu, die ihre eigene Sicht auf das Leben hat und das ist absolut okay. Es geht um Augenhöhe, um Ernsthaftigkeit und wir sollten den jungen Leuten etwas zutrauen.

Haben sich die Grünen mit ihrer Politik zu stark auf den Klimaschutz begrenzen lassen?

Schulze: Klimaschutz ist unsere DNA und wir werden daran immer weiterarbeiten. Es ist Teil unserer Verantwortung. Klimaschutz ist auch ein entscheidendes Thema für nachfolgende Generationen, um ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Aber wir müssen wieder klarer kommunizieren und zeigen, dass wir uns als Partei um alle Themen kümmern, die die Menschen umtreibt. Umwelt- und Klimaschutz ist unser Markenkern, aber wir sind genauso kompetent in allen anderen Bereichen – sei es Migration, innere Sicherheit oder Wirtschaft. Wir sollten uns nicht zu sehr in eine Ecke manövrieren lassen, sondern selbstbewusster auftreten. Als eine Partei der Mitte, die den Wohlstand bewahren will.

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