Unterstützung für Migranten und Senioren
„Amtsdeutsch ist nicht einfach“: So helfen Ämterlotsen in Waldkraiburg – Ehrenamtliche gesucht
Sich in Anträgen und Formularen zurechtzufinden, kann herausfordernd sein – insbesondere für Menschen mit Migrationshintergrund und Senioren. Wie Ämterlotsen dabei unterstützen und wie auch Sie sich einbringen können.
Waldkraiburg – Als Avin Qadir einen ganzen Stapel an Dokumenten und Formularen aus ihrer Tasche zieht, wird schnell klar, dass die Mutter von drei Kindern nicht nur ein Thema mitgebracht hat. Es sind Unterlagen vom Jobcenter und der Familienkasse. „Was brauchen Sie?”, beginnt Susanne Esser das Gespräch. Qadir sieht in dem Blätterwust nicht ganz durch. „Ich habe schon einmal alles ausgefüllt, aber es war falsch”, erzählt Qadir.
Auch Esser muss sich erst einmal einen Überblick verschaffen. Sie ist ehrenamtliche Ämterlotsin und unterstützt als solche Menschen mit Migrationshintergrund oder Senioren dabei, Anträge auszufüllen. „Den Kinderzuschlag haben Sie noch nicht beantragt?”, fragt sie jetzt. Qadir verneint, habe aber alle nötigen Dokumente dabei. „Mein Mann arbeitet, er hat zwischenzeitlich gekündigt, aber wieder einen neuen Vertrag”, erzählt sie. Seit vier Monaten lebt die Familie in Waldkraiburg, davor waren sie in einer Gemeinschaftsunterkunft in Mühldorf zu Hause.
Angst, etwas falsch zu machen
„Oft ist es nicht so einfach und es geht erstmal darum, die Dinge zu sortieren“, sagt Nicole Skrojek, Referentin für Ehrenamt und Integration im Caritas Treffpunkt Miteinand Waldkraiburg. Dort finden auch die Beratungsgespräche statt. Doch bevor sie oder ihre Kollegen einen Termin mit Ehrenamtlichen vermitteln, fühlen sie vor, worum es genau geht.
Esser hatte gehofft, das Qadirs Mann zum Termin mitkommt, da er einige der Unterlagen selbst ausfüllen muss. „Wir haben ein kleines Kind, es ist schwierig für uns, zusammen zu kommen”, erklärt die Mutter. Aber sie wisse alle persönlichen Daten. Als es um die Einkommensbescheinigungen geht, wird es jedoch schwierig. Telefonisch versucht sie ihren Mann zu erreichen, nach mehreren Anläufen klappt es, zumindest ein Punkt lässt sich so klären.
Qadir kommt aus dem Irak und ist dankbar für die Hilfe, die sie bei der Caritas erhält. „Ich verstehe nicht alles und wenn ich die Formulare alleine ausfülle, habe ich Angst, etwas falsch zu machen”, erzählt sie. Das sei ihr bereits passiert und habe zu Problemen geführt. Sie ist gelernte Buchhalterin, aber aus ihrem Heimatland ist sie diese Menge an Papierkram nicht gewohnt.
Briefe öffnen, sortieren und ausfüllen
Ein Teil der Unterlagen hätte schon vor gut einer Woche zurück beim Jobcenter sein sollen. „Alles ist bisschen durcheinander”, sagt Esser, während sie die Formulare zu einzelnen Stapeln zusammenfasst. Nach und nach füllen sie die Kinderzuschlag-Anträge für jedes Kind aus. Handelt es sich um ein eigenes Kind? Geht es zur Schule oder ist in Ausbildung? Hat das Kind ein Einkommen? Das sind nur einige der Fragen, die es zu klären gilt. Andere Fragen sind sehr spezifisch – etwa wie das Warmwasser in der Wohnung genau erzeugt wird – und lassen sich für die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft kaum beantworten.
Berührungsängste zu Bürokratie sollte man in diesem Ehrenamt nicht haben. „Das Amtsdeutsch ist nicht einfach, auch für Muttersprachler”, betont Esser. Nach einer Stunde arbeitet sie sich noch immer gemeinsam mit Qadir durch die Dokumente. Die Rentnerin aus Gars ist bereits seit vier Jahren ehrenamtlich dabei, begleitet auch Insolvenzen. Teilweise müsse sie dabei etliche Briefe öffnen, weil die Betroffenen sie gar nicht mehr aufmachen.
Doch auch alte Menschen fühlen sich stellenweise mit Formularen und Dokumenten überfordert. Darum ist die Caritas neu mit einer Seniorenberatung gestartet, die jeden Mittwoch von 10 bis 12 Uhr im Caritas Zentrum in Mühldorf stattfindet. „Der Bedarf ist groß, viele haben keine Angehörigen in der Nähe”, erklärt Skrojek.
Unterschiedliche Menschen kommen zusammen
Die Termine mit Migrantinnen und Migranten werden dagegen individuell vereinbart, das ist auch abends möglich. Manchmal gehe es nur um ein Formular, manchmal seien mehrere Treffen notwendig. „Jeder Ehrenamtliche kann sich einbringen, wie er möchte”, betont Skrojek. Derzeit engagieren sich sechs Menschen in Waldkraiburg aktiv als Ämterlotse, weitere sind willkommen. „Wir haben gute Erfahrungen gemacht, durch das Ehrenamt kommen unterschiedliche Menschen zusammen, die sich sonst nicht begegnen würden”, bestärkt Skrojek. Vorwissen ist nicht notwendig, es ist jedoch hilfreich, Spaß am Ausfüllen von Unterlagen zu haben.
Wer Interesse am Ämterlotsen-Projekt hat: Die Caritas bietet am Freitag, 21. März, von 15 bis 17.30 Uhr einen Info-Workshop in der Münchener Straße 52 in Mühldorf an. Kostenfreie Anmeldung über das Katholische Kreisbildungswerk per Mail an info@kreisbildungswerk-mdf.de oder telefonisch 08631/37670.
