Spiele-Apps bergen Risiken
Kinder im Bann von Spiele-Apps – das rät eine Psychologin den Eltern
Einmal das Handy in der Hand, fällt es vielen Kindern nicht leicht, es wieder wegzulegen. Zu verlockend ist die bunte Welt der Online-Spiele. Diese Erfahrungen haben die OVB Heimatzeitungen gemacht und welche Tipps eine Psychologin für die Eltern hat.
- Die OVB Heimatzeitungen haben die Spiele-App „Gardenscapes“ getestet.
- Manipulation und Druck können Teil des Spieldesigns sein.
- Klare Regeln und eine gute Beziehung zum Kind können Eltern helfen.
Waldkraiburg – Eine heruntergekommene Villa, die Fenster mit Brettern zugenagelt, das Dach offensichtlich undicht, die Betonplatten der Zufahrt mit Moos bewachsen. Hier begrüßt einen der Butler Austin – blaue Hose mit Hosenträgern, weißes Hemd, rote Fliege, Schnurrbart – im neuen Zuhause. Prachtvoll, aber auch stark sanierungsbedürftig. Das ist die Welt von „Gardenscapes“, eine von 16 von der Stiftung Warentest untersuchten Spiele-Apps, die sich die OVB Heimatzeitungen im Zuge der Recherche selbst angeschaut haben. Das Spielprinzip ist denkbar einfach: Durch Mini-Spiele gilt es, das marode Anwesen zu verschönern, quasi beim Renovieren zu helfen.
Mini-Spiele sind kleine Aufgaben, die meist nur ein bis zwei Minuten dauern und bei denen sich virtuelles Geld sammeln lässt. Das ist nötig, um das Spiel voranzutreiben: Schritt für Schritt wird so aus dem verfallenen Gelände eine Anlage wie aus dem Bilderbuch. Die Fassade der Villa gestrichen, das Dach neu eingedeckt, in einem Brunnen plätschert Wasser und die Hecken in der gepflegten Grünanlage sind akkurat geschnitten. Von abgestorbenen Bäumen und verdorrten Sträuchern ist im bereits „eroberten“ Gebiet nichts mehr zu sehen. „Dieser Bereich sieht jetzt wie ein Stück vom Himmel aus! Und das alles dank dir“, lobt auch Butler Austin anerkennend.
Spiele-Apps verlocken zum Weiterspielen
Ein Spieldesign, das bewusst gewählt ist. „Die Spiele-Apps sorgen dafür, dass im Gehirn das Belohnungshormon Dopamin ausgeschüttet wird und das führt dazu, dass man sich beim Spielen glücklich fühlt und weiterspielen möchte“, sagt Gabriele Klughammer, Psychologin und Beraterin bei der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche der Caritas Mühldorf. „Häufig sind sich die Eltern der vielfältigen Gefahren in der Online-Welt nicht so bewusst und ihre Kinder und Jugendlichen fitter am Handy, können die Risiken aber noch nicht einschätzen.”
Die Stiftung Warentest kritisiert, dass die Apps Kinder manipulieren und Druck erzeugen können. Eine Gefahr, die die OVB Heimatzeitungen aus den Erfahrungen mit „Gardenscapes“ bestätigen können. Dort interagiert Austin mit dem Nutzer, sagt Sachen wie: „Ich wollte gerade Kuchen backen. Weißt du, wie traurig es macht, einen Kuchen ganz allein aufzuessen?” Das könnte Kinder dazu verleiten, länger im Spiel zu bleiben oder ihnen beim Verlassen ein schlechtes Gewissen machen.
Viel Zeit und Geld können auf der Strecke bleiben
111 Minuten verbringen Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren laut der Kinder- & Jugendstudie 2022 des Branchenverbands Bitkom im Durchschnitt täglich im Internet. 61 Prozent von ihnen spielen zumindest ab und zu Online-Spiele. Dass die Zeit dabei wie im Flug vergeht, erleben auch Kinder und Eltern aus Waldkraiburg so. „Wirklich gefährlich wird es dann, wenn jemand nur noch spielt oder in den sozialen Medien unterwegs ist – das unterscheidet sich tatsächlich nicht so viel”, sagt Psychologin Klughammer. Das Nutzungsverhalten sei eine Frage des Geschlechts: Jungen würden relativ viel zocken, während Mädchen eher in den sozialen Netzwerken Zeit verbringen.
Die meisten Apps sind grundsätzlich kostenlos und doch könne das Spielen ganz schön teuer werden. „Es kann passieren, dass Kinder Dinge anklicken, wo sie dann relativ viel Geld ausgeben können – je nachdem wie sicher die Handys von den Eltern gemacht worden sind”, sagt Klughammer. Bei „Gardenscapes“ lässt sich im sogenannten Garten-Shop beispielsweise ein „Eigentümerpaket“ für 99,99 Euro mit 65.000 Münzen und diversen virtuellen Werkzeugen erwerben oder 34,99 Euro in 25.000 virtuelle Münzen umwandeln.
Klare Regeln und eine gute Beziehung zum Kind
Auch vor unerwünschten Nachrichten warnt Psychologin Klughammer: „Wenn man online in einer Community spielt, kommt es vor, dass Erwachsene sich als Kinder ausgeben, um Kontakte zu knüpfen und die Kinder und Jugendlichen auch im wirklichen Leben zu treffen.” Eine Erfahrung, die die OVB Heimatzeitungen nicht gemacht haben, da „Gardenscapes“ erst ab Level 36 ermöglicht, einem Team beizutreten und mit diesem zu chatten.
„Handys gehören zu unserer Lebenswelt, es ist nicht möglich, so zu tun als gäbe es sie nicht“, betont die Psychologin. Eine gute Beziehung zum Kind zu pflegen und am besten gemeinsam aufs Handy zu schauen – vor allem wenn es um Problematisches geht – empfiehlt Klughammer allen Eltern. „Man kann die Geräte zwar auch kontrollieren, aber je älter die Kinder sind, desto schwieriger ist das und kann auch als Vertrauensbruch empfunden werden.” Außerdem rät sie dazu, mit den Kindern klare Regeln auszuhandeln und diese auch zu begründen. Gemeinsam einen Vertrag über Handy-Nutzungszeiten aufzusetzen und zu unterschreiben, könne für Verbindlichkeit sorgen. Sie empfiehlt beispielsweise, Mahlzeiten ohne Handy einzunehmen. „Eltern müssen dann natürlich auch selbst Vorbild sein.”