Weil die Deutschen immer weniger Fleisch essen
Großschlachter Vion verlässt Deutschland: Sind 386 Arbeitsplätze in Waldkraiburg in Gefahr?
Der niederländische Großschlachter Vion will seine deutschen Standorte verkaufen oder schließen: auch seinen Schlachthof in Waldkraiburg. Wie sind die Aussichten für die knapp 400 Mitarbeiter?
Waldkraiburg – Der Schlachthof in Waldkraiburg steht zum Verkauf. Das hat der Großschlachter und Eigentümer Vion bekannt gegeben. Doch wie stehen die Erfolgsaussichten? Die Deutschen essen immer weniger Fleisch und in der Schlachterbranche findet eine Marktbereinigung statt. Müssen sich die 386 Waldkraiburger Mitarbeiter Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen?
Vergangenes Jahr hatte Vion-Chef Ronald Lotgerink im Sommer noch erklärt: „Ein Rückzug aus Deutschland kommt nicht infrage.“ Inzwischen hat Vion aber seine Strategie geändert, will sich „stärker auf die nachhaltigen, integrierten Lieferketten in den Benelux-Ländern konzentrieren“ und sein Deutschland-Geschäft einer „formalen Überprüfung“ unterziehen, so eine Pressemitteilung des Unternehmens.
Elf Standorte stehen zum Kauf
Das heißt konkret: Der Großschlachter aus den Niederlanden will weg aus Deutschland und seine elf Standorte verkaufen. Oder schließen.
Zu diesen elf Standorten gehört auch der Schlachthof in Waldkraiburg, an dem pro Woche bis zu 5.000 Rinder geschlachtet und bis zu 900 Tonnen Rindfleisch zerlegt werden können. Damit ist Waldkraiburg, „der größte Rinderschlachthof in Europa“, so Vion-Pressesprecherin Polina Witte.
Zwei bereits verkauft, eines geschlossen
Bereits im Januar hatte Vion erklärt, dass dieses Jahr ein „umfassendes Maßnahmenpaket“ umgesetzt werden solle: „Dazu gehört Verkleinerung der Gruppe durch Veräußerung und Schließungen.“ Seitdem hat Vion zwei deutsche Standorte verkauft und den Standort Emstek mit 750 Mitarbeitern geschlossen.
„Historische“ Marktbereinigung
Das Handelsblatt spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer „historischen Bereinigung“ in der Fleischbranche, weitere Schließungen seien zu erwarten. Denn die Deutschen essen immer weniger Fleisch. 2018 verzehrten sie laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung pro Kopf noch 34,1 Kilogramm Schweinefleisch; im vergangenen Jahr waren es dann 27,5 Kilogramm. Ähnlich beim Rindfleisch: Hier sank der Verzehr innerhalb von fünf Jahren um 17 Prozent von 10,7 Kilogramm auf 8,9 Kilogramm.
„Das ist ein langfristiger Trend“, schreibt Joyce Moewius, Pressesprecherin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. 2023 sank der Fleischverzehr pro Kopf auf insgesamt 51,6 Kilogramm. „Dies ist der niedrigste Wert seit Erfassungsbeginn.“
Rinderhaltung im Landkreis Mühldorf minus 17 Prozent
Allein im Landkreis Mühldorf ging die Zahl aller gehaltenen Rinder zwischen 2013 und 2023 um 17 Prozent zurück. Sie sank von 95.404 Rinder auf 79.191. Gegenüber 1994 hat sich der Bestand sogar fast halbiert: minus 49 Prozent. „Deutschland hat den geringsten Fleischverzehr in Europa“, sagt dazu Ulrich Niederschweiberer, Obmann im Mühldorfer Kreisverband des Bayerischen Bauernverbandes (BBV).
Die Folge des Verzichts auf Fleisch: Die Schlachthöfe sind immer weniger ausgelastet. Das merkt Vion auch in den Büchern. Laut Handelsblatt haben die Niederländer 2022 5,3 Milliarden Euro umgesetzt; am Ende hatten sie aber ein Minus von 108 Millionen Euro.
Weiterer Grund: Videoüberwachung
Mühldorfs Bauernvertreter Niederschweiberer kann sich noch einen weiteren Grund vorstellen, warum das Geschäft in Deutschland unattraktiv werde. Er verweist auf den Entwurf für das neue Tierschutzgesetz. Darin sei enthalten, dass Schlachthöfe durchgehend mit Videos überwacht werden sollen. „Einen Betrieb von vorne bis hinten zu überwachen, hat sicher Auswirkungen, dass Dir die Lust vergeht.“
Zurück zum Schlachthof in Waldkraiburg, der 1989 gebaut und 2006 von Vion übernommen wurde, und seiner Zukunft. Vion-Pressesprecherin Witte sagt gegenüber den OVB Heimatzeitungen: „Aktuell führen wir Gespräche mit potenziellen Interessenten und prüfen unsere Optionen.“ Es sei noch zu früh für Details oder Spekulationen.
Optimismus für Waldkraiburg
Witte gibt für Waldkraiburg Entwarnung: „Wir planen keine Schließungen und ziehen nur Interessenten in Betracht, die auf den Weiterbetrieb und Weiterentwicklung der Standorte setzen.“
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Rosenheim-Oberbayern ließ eine Anfrage der OVB Heimatzeitungen unbeantwortet.
Bauernvertreter Niederschweiberer ist optimistisch: „Ich gehe davon aus, dass der Schlachthof mit Sicherheit weiter betrieben wird.“ Das sei deutschlandweit der modernste Schlachthof. „Von daher ist nichts zu befürchten.“
Auch Sebastian Brandmaier, Geschäftsführer der Waldkraiburger Viehvermarktergenossenschaft VVG, sagt: Waldkraiburg sei „der interessanteste Standort“ von allen. „Der ist gesetzt.“
Damit sind sie auf einer Linie mit Vion-Sprecherin Witte: „Waldkraiburg ist ein Standort, der gut funktioniert, der gut ausgelastet ist. Wir sehen eine Zukunft für Waldkraiburg und glauben an die Zukunft des Standortes.“

