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Amtsgericht Mühldorf

„Nazipack“-Attacken auf Waldkraiburger Familienfest? Gerangel, Tritte und eine Mini-Strafe

„Der Sommer zieht durch die Stadt“ ist ein Familienfest in Waldkraiburg, das von Vereinen und Parteien organisiert und durchgeführt wird. Doch jetzt gab es ein Nachspiel vor dem Amtsgericht Mühldorf.
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„Der Sommer zieht durch die Stadt“ ist ein Familienfest in Waldkraiburg, das von Vereinen und Parteien organisiert und durchgeführt wird. Doch jetzt gab es ein Nachspiel vor dem Amtsgericht Mühldorf.

Ein fröhlicher Tag in Waldkraiburg nimmt eine unerwartete Wendung, als ein Familienfest politisch wird. Zwei Männer werfen mit Beleidigungen um sich und landen schließlich vor Gericht. Doch wer hat was gesagt und getan?

Waldkraiburg – Am 15. Juni 2024 wollten die Waldkraiburger beim Jahnstadion mit „Der Sommer zieht durch die Stadt“ eigentlich einen rundum fröhlichen, unbeschwerten Tag feiern. Zahlreiche Vereine und Parteien hatten dazu ein buntes Programm aufgeboten und mehrere Buden aufgestellt. Stattdessen hatte dieser Tag jetzt ein Nachspiel vor dem Amtsgericht Mühldorf.

Gegen 16.30 Uhr wurde aus dem Familienfest im Juli eine politische Aktion. Zu dieser Zeit betrat der 26-jährige Wasserburger Bankkaufmann Nico A. (Name von der Redaktion geändert) mit einem bis heute unbekannter Begleiter das Gelände. Die beiden steuerten zielstrebig auf die Wurfbude der AfD zu, schoben am Stand befindliche Kinder zur Seite und bezeichneten – laut Anklage von Staatsanwalt Benedikt Metzl – die Betreiber der Wurfbude „wiederholt als ‚Nazis‘, ‚Nazipack‘, ‚Faschistenpack‘ und ‚Nazibraut‘“.

Schimpfwörter, Gerangel und verängstigte Kinder

Eine Wortwahl, die auch gegenüber Mitgliedern einer in Teilen rechtsextremen Partei Beleidigungen darstellen. Deshalb saß Nico A. jetzt im Saal 113 des Mühldorfer Amtsgerichts vor Richterin Dr. Angela Miechielsen.

Auf die Schimpfwörter folgte ein Gerangel. Dabei gingen Nico A. und sein Begleiter zu Boden. Ein Rettungssanitäter und eine Polizistin, die in ihrer Freizeit mit ihrer Tochter an einem benachbarten Stand war, eilten herbei. Sie bändigten die beiden Männer und führten sie vom Platz. 

„Die Kinder waren verängstigt“, schilderte Tatjana Zapp (51), Vorsitzende der AfD Waldkraiburg, die Folgen vor Gericht. „Zwei haben geweint.“ Worte, die der Angeklagte mit einem Lächeln quittierte. 

Politische Aktion auf Familienfest: „Geht gar nicht“

„Wir waren neutral“, betonte Zapp. Es habe keine Parteiabzeichen gegeben. „Der Stand war sehr gut frequentiert und die Kinder hatten einen Heidenspaß.“ Der Auftritt von Nico A. und seinem Begleiter bei dem Familienfest empörte sie noch immer: „Das geht gar nicht. Die ganze Aktion war eine Ausfallerscheinung.“ 

Die Schimpfwörter nahm sie gelassen: „Das kennen wir ja. Das sind die üblichen Parolen.“ Das gelte auch für das „Nazischlampe“, mit dem sie tituliert worden sei, wie Zapp vor Gericht sagte. Dieses Wort wurde aber nicht angezeigt. 

Verteidigung zielt auf das Politische

In ihrer Verteidigung interessierten weder Nico A. noch seine Münchner Anwältin, Rosa Mayer-Eschenbach, die Kinder. Sie zielten auf die politische Ausrichtung der Partei. 

A. las eingangs ein minutenlanges Statement von seinem Laptop ab. Er bezeichnete die Anklage gegen einen Antifa als „eine Provokation sondergleichen“. Die AfD sei „eine durch und durch rassistische und völkische Partei“, Stadträtin Zapp und Bezirksrat Martin Wieser würden dieses Gedankengut teilen. Richterin Miechielsen musste ihn schließlich ermahnen, „konkreter zu werden“. 

Er wollte „nur Fotos vom Stand“ machen

Laut Nico A. wollte er an dem bewussten Tag mit seinem Begleiter „nur Fotos vom Stand machen“. Mehr nicht. Dann sei „körperlich massiv“ auf sie eingewirkt worden, sie wurden zu Boden gebracht, fixiert und es habe gezielte Tritte gegen den Kopf gegeben, die er aber nicht angezeigt habe. 

Und die angeklagten Schimpfworte? „Die Äußerungen habe ich nicht getätigt“, erklärte Nico A. und sagte nichts mehr, auch nicht zu seinem Begleiter. 

Waren Wahlplakate zu sehen?

Um so intensiver versuchte Anwältin Mayer-Eschenbach nachzuweisen, dass der Stand nicht neutral gewesen sei. Er war nicht nur im Blau der Partei gehalten, auch ein roter Pfeil sei zu sehen gewesen und die Ränder von alten Wahlplakaten, die für die Abdeckung verwendet wurden. „Die hat man nicht gesehen“, sagte unter anderem Zapp. „Sie waren zu sehen“, entgegnete die Anwältin immer wieder harsch.

„Auch andere Parteien haben Werbung gemacht, sind sogar mit ihren T-Shirts rumgelaufen“, hielt dem AfD-Stadtrat Ernst Schäffer (53) im Zeugenstand entgegen. „Was ich grenzwertig fand.“

Doch wer hat was gesagt und getan?

Angeklagt waren aber die Beleidigungen. Wer hat nun was gesagt und getan? Was ist tatsächlich geschehen?

Laut Schäffer (53) wurden die Kinder „mit dem Arm zur Seite geschoben“. Der Angeklagte habe die Beleidigungen gerufen, dessen Begleiter sei nach seinem Eindruck „eher passiv“ gewesen. 

„Kann es sein, dass Sie sich irren?“, hakte Anwältin Mayer-Eschenbach bei dem vorsichtigen Schäffer nach, drohte sogleich mit einer Vereidigung. Schäffer ruderte zurück, verwies auf die lange Zeit zwischen Familienfest und Verhandlung. 

„Es war zu viel Tumult“

Auch Bezirksrat Martin Wieser, der bei dem Familienfest war, hatte den Vorfall zwar beobachtet, konnte aber vor Gericht nicht sagen, „wer was geäußert“ hat. „Es war zu viel Tumult.“ Er hatte den Eindruck, der Begleiter sei der Aktivere gewesen.

„Ich glaube, beide haben gegrölt“, sagte schließlich die Polizistin, die in ihrer Freizeit zur Stelle war. Sie haben vor allem schlichten wollen, weniger auf die Worte geachtet. Der Angeklagte schien ihr aber „der Vernünftigere“ zu sein. „Er hat gemerkt, dass es besser ist, wenn er herunterfährt.“ 

Unterbrechung nach zwei Stunden

Und so bat Richterin Miechielsen die Parteien zwei Stunden nach Verhandlungsbeginn erst einmal zu einem Rechtsgespräch. Nach einer halben Stunden verkündete Richterin Miechielsen das Ergebnis: Da Nico A. „offensichtlich“ nicht der Hauptaggressor gewesen sei und die Äußerungen nicht eindeutig zuzuordnen seien, werde das Verfahren eingestellt unter einer Auflage: Der 26-Jährige muss bis zum 19. Juli 900 Euro an die KZ-Gedenkstätte Mühldorfer Hart zahlen.

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