Sommerinterview mit dem Bürgermeister
„Die finanziellen Mittel reichen nicht aus“: Robert Pötzsch über Waldkraiburgs Haushaltslage
Die angespannte Haushaltslage in Waldkraiburg dominiert aktuell viele Themen in der Stadt. Wie sehr das die Stadtentwicklung beeinflusst, welche Wege die Stadt gehen will und worauf sie bauen will, dazu bezieht Bürgermeister Robert Pötzsch im Sommerinterview Stellung.
Nach der überraschenden Absage vom Stadtfest befürchten die Bürger, dass weitere Veranstaltungen gestrichen werden, dass es kein Volksfest mehr geben soll. Sind die Befürchtungen berechtigt?
Robert Pötzsch: Nach dem Volksfest ist vor dem Volksfest. Die Planungen für 2024 laufen schon. Gespräche mit Schaustellern und Wirten sind gestartet. Wenn wir ein attraktives Angebot zusammenstellen können, werden wir auch in der Zukunft ein Fest erleben. Die Absage des Stadtfestes zum damaligen Zeitpunkt war aufgrund unserer Haushaltslage notwendig. Zukünftig müssen wir bei solch einschneidenden Maßnahmen auf eine deutlich bessere Kommunikation achten. Die Menschen sind bereit, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und sich mit einzubringen!
Wie kann eine solche Lösung aussehen?
Pötzsch: Bei „Der Sommer zieht durch die Stadt“ haben wir das „Wir-Gefühl“ erlebt, mit dem vieles möglich ist. Mit den Vereinen, den Institutionen und den Bürgerinnen und Bürgern können wir gemeinsam sehr viel bewegen. Wir müssen über neue Formate nachdenken, das Sommerfest ist ein schönes Beispiel. Ein weiteres Beispiel ist die Verlegung vom Christkindlmarkt: Am Sartrouville-Platz sind die Kosten wegen der Sicherheit sehr hoch. Aus diesem Grund wollen wir heuer den Versuch starten, den Markt vor und in das Haus der Kultur zu verlagern. Zeitnah wollen wir mit allen Beteiligten in die Planungen einsteigen. Mit dem neu gestalteten Vorplatz bieten sich hier wunderbare Synergien.
Seit Monaten dreht sich vieles um den Haushalt. Wie wichtig ist es, dass die drei Großprojekte Liszt-Mittelschule, Waldbad und Rathaus vorerst zurückgestellt worden sind?
Pötzsch: Es bleibt weiterhin ein hohes Risiko, dass die Generalsanierung oder Neubau der Liszt-Mittelschule sofort umgesetzt werden muss. Auch beim Rathaus mit der Tiefgarage gehen wir ein sehr großes Risiko ein. Mit jedem Jahr verschlechtert sich der Zustand deutlich! Beim Waldbad sind die Kosten explodiert. Mit der Priorisierung haben wir erst einmal die Kohlen aus dem Feuer geholt. In den vergangenen Wochen wurde die Genehmigung des Haushaltes, in der öffentlichen Diskussion, einzig auf diese drei großen Projekte reduziert. Unseren Haushalt können wir nur deshalb verabschieden, weil wir keine Kredite oder Kreditermächtigungen für 2023 geplant haben. Gerade für diese drei größten Projekte sind diese aber zwingend notwendig.
Was bedeutet das?
Pötzsch: Eine Haushaltskonsolidierung ist ein mittel- bis langfristiges Unterfangen. Knapp zwei Drittel unserer Einnahmen müssen wir für die Kreisumlage, eigene Personalkosten und Personalkostenzuschüsse für externe Kinderbetreuungsträger ausgeben. Uns bleibt ungefähr ein Drittel für alle anderen Aufgaben wie Straßenunterhalt, Sachaufwand für Schulen, das kulturelle Programm, das Angebot der Sing- und Musikschule, Veranstaltungen, die Unterstützung der Vereine, Stadtentwicklungsmaßnahmen wie Waldkraiburg West oder die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED. Zusätzlich werden immer mehr Aufgaben von staatlicher Seite auf die Kommunen abgewälzt, wie der gesetzliche Anspruch auf Ganztagsbetreuung bei Grundschülern. Diese Aufgabe müssen wir ab 2026 erfüllen. Uns reichen schon heute nicht die finanziellen Mittel aus, welche wir für die Pflichtaufgaben benötigen!
Beim Sportdialog hatten Sie es angesprochen: Die Stadt kann womöglich nicht mehr das leisten, was bislang möglich gewesen ist. Gleichzeitig will man keine Strukturen kaputt machen. Wie kann das gehen?
Pötzsch: Die Vereine bieten ein großes Angebot und die Stadt versucht auch weiterhin, die Vereine in ihrer Arbeit zu unterstützen. Das passiert zum Beispiel über Zuschüsse zur Nutzung der Sportstätten oder die Sportförderung. Das bleibt weiterhin unser Ziel, dieses großartige ehrenamtliche Engagement zu fördern. Gerade mit unserer Bevölkerungsstruktur in Waldkraiburg ist es essenziell. Auch hier werden wir nur miteinander zu Lösungen kommen.
Bei der Ausweisung des Baugebiets Waldkraiburg-West kommt die Frage nach den sozialen Folgekosten. Wäre es besser, den Wohnungsbau über Jahre zu steuern, um Kapazitätsgrenzen bei der Kinderbetreuung zu vermeiden?
Pötzsch: Derzeit stagniert der Wohnungs- und Eigenheimbau aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage und Zinspolitik. Gleichzeitig ist der Bedarf an Wohnraum hoch. Der Geschosswohnungsbau ist für unsere städtische Bevölkerung enorm wichtig, genauso wie Kaufkraft und Arbeitskräfte für unsere städtische Entwicklung. Die Entwicklung Waldkraiburg West läuft schon seit über zehn Jahren. Anfragen nach Grundstücken sind auch heute noch größer als das Angebot. Die Weichen haben wir gestellt. Jetzt müssen wir uns auf den Weg machen und die Nachfrage befriedigen. Eine Entwicklung der gesamten Fläche wird sich sicherlich über die kommenden Jahre ziehen.
Es gibt Befürchtungen, dass Einheimische zu wenig berücksichtigt werden könnten, weil die Stadt zu wenige der Grundstücke besitzt.
Pötzsch: Anfangs gehörten nur zehn der rund 100 Grundstücke der Stadt, jetzt sind es 30. Damit können wir deutlich mehr Grundstücke für Waldkraiburger anbieten. In den Verhandlungen galt es, private Interessen zu berücksichtigen. Die Eigentümer sind viele Kompromisse eingegangen.
Das Peters-Gelände soll neu entwickelt werden. Ist es denkbar, dass eine weitere Kooperation zustande kommt, ähnlich wie bei der Kita Farbenfroh?
Pötzsch: Es gibt verschiedene Ideen, welche wir in den kommenden Monaten mit den Verantwortlichen der Max Aicher Bildungs-GmbH weiterentwickeln wollen. Die Herausforderung ist es, mit welchen Synergien wir dieses Areal zum Vorteil beider Seiten, der Max Aicher Bildungs-GmbH und der Stadt, entwickeln können. Eine Mittelschule, wie sie für den Investor auf dem Areal vorstellbar ist, kann eine Synergie sein.
Die Diskussionen zuletzt um einen Notbetrieb im Waldbad haben gezeigt, wie sehr das Thema mit Emotionen behaftet ist. Da gibt es auch Vorwürfe in Richtung Bürgermeister und UWG, dass Sie kein Waldbad an aktueller Stelle haben wollen.
Pötzsch: Leider wurde beim Hochkochen der Emotionen die Sachebene verlassen. Ja, unsere Idee war es damals, gemeinsam mit Aschau ein neues Bad auf der Gemeindegrenze zu bauen. Nachdem dieses Vorhaben nicht zustande gekommen ist, sind wir in die Umsetzung am bisherigen Standort gegangen. Wir haben hinter der Wettbewerbsentscheidung gestanden und sind in die konkreten Planungen eingestiegen. Der aktuelle Planungsstand am Standort ist aufgrund der bekannten Situation auf Eis gelegt.
Wenn Sie als Bürgermeister einen Wunsch freihätten, was würden Sie sich wünschen?
Pötzsch: Zusammenhalten, gerade in diesen schwierigen und unsicheren Zeiten.