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Blinde und Sehende trainieren gemeinsam

Ausgeruhte Augen: Wie Sport zwei blinden Waldkraiburgern hilft

Josef Gandlgruber (links) und Josef Wojciechowski sind blind. Gemeinsam gehen die beiden zweimal in der Woche zu einem inklusiven Sportangebot in Waldkraiburg.
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Josef Gandlgruber (links) und Josef Wojciechowski sind blind. Gemeinsam gehen die beiden zweimal in der Woche zu einem inklusiven Sportangebot in Waldkraiburg.

Es ist nicht viel, was Josef Gandlgruber und Josef Wojciechowski noch sehen. Umso mehr schätzen die Freunde das inklusive Sportangebot in Waldkraiburg. Warum sie sich dadurch „eine Tonne leichter” fühlen.

WaldkraiburgNach seiner Reha im vergangenen Jahr machten sich Josef Gandlgruber und seine Partnerin für ein Sportangebot für Blinde und Sehbehinderte stark. Kamen zur ersten Schnupperstunde noch sechs Betroffene, ließ das langfristige Interesse nach.

Drei Teilnehmende sind aktuell regelmäßig bei den Kursen im Fitnessstudio „Alexandras Trainingsplatzl” dabei. Für eine eigene Gruppe reicht das nicht. Gesportelt wird nun inklusiv – Sehbehinderte und Normalsehende zusammen – unter Berücksichtigung der speziellen Bedürfnisse.

„Ich kenne jede Straße auswendig“

Das kommt auf beiden Seiten gut an: „Als wir zweimal nicht kommen konnten, hat uns die Gruppe direkt vermisst”, erzählt Gandlgruber. „Und uns tut es gut, unter Leuten zu sein”, ergänzt Wojciechowski.

Die beiden sind Freunde und viel gemeinsam unterwegs: vom Blindenstammtisch in Mühldorf über Musikantentreffen bis hin zu Spaziergängen. Gandlgruber lebt seit rund 25 Jahren in Waldkraiburg. „Ich kenne jede Straße auswendig“, sagt er.

Erst strecken, dann zur Ruhe kommen und bewusst atmen

Donnerstags um 16 Uhr steht Atemgymnastik auf dem Programm. Die sechs Teilnehmenden strecken zunächst mit erhobenen Armen ihren ganzen Körper, lassen einen Fuß kreisen, dann den anderen. Anschließend setzen oder legen sie sich bequem hin und Trainerin Sandra Herzog schaltet das Licht aus.

Während der Atemgymnastik schaltet Trainerin Sandra Herzog (auf dem Ball sitzend) das Licht aus. Die Augen und der Körper sollen zur Ruhe kommen.

Nun geht es darum, sich zu entspannen: Die Augen zu schließen, den eigenen Atem zu beobachten und zur Ruhe zu kommen. „Von außen sieht man gar nicht so viel, weil die Arbeit innen drin passiert”, erklärt Osteopathin Herzog.

Später leitet sie an, die Augen mit der Einatmung zu heben und Richtung 12 Uhr zur Decke zu schauen. Mit dem Ausatmen geht der Blick Richtung 6 Uhr und die Augen sollen entspannen. „Achtet dabei darauf, keine sprunghaften Atembewegungen zu machen, sondern flüssige.”

Mit roten Markierungen wird das Sichtfeld überprüft

„Jetzt schreck ich euch gleich wieder mit dem grellen Licht, obacht”, warnt Herzog nach 45 Minuten. Während die nichtbehinderten Sportler bereits ihre Sachen packen, hat die Trainerin für die beiden blinden Teilnehmer noch etwas vorbereitet.

Auf den Boden hat sie rote Markierungen geklebt, um das Sichtfeld ihrer Sportler von der letzten Stunde, vor und nach diesem Training miteinander zu vergleichen. Denn durch eine Makuladegeneration haben Josef Gandlgruber und Josef Wojciechowski nurmehr 2 und 1,5 Prozent Sehvermögen.

Das Gesicht ihres Gegenübers können sie nicht erkennen

Wenn sie einem Gegenüber direkt in die Augen blicken, sehen sie gar nichts, nur seitlich können sie noch eingeschränkt etwas erkennen. Die meiste Zeit orientieren sie sich über Stimmen und Geräusche. In gewohnter Umgebung geht das gut, wenn sie gemeinsam unterwegs sind, merken viele gar nicht, dass sie blind sind. „An fremden Orten ist das natürlich schwieriger, dann nehme ich den Blindenstock – aber das mache ich wirklich ungern”, sagt Wojciechowski.

Kleine Verbesserungen erkennbar

Für eine zumindest kleine Verbesserung sorgt das wöchentliche Training. Denn danach wandert der Punkt, bis zu dem sie etwas sehen, ein kleines Stückchen weiter nach innen.

Die roten Markierungen sind die Punkte, bis zu denen die blinden Herren beim letzten und vor dem Training gesehen haben. Bis zu den gelben Zetteln konnten sie Osteopathin Sandra Herzog nach dem Training gerade so erkennen.

„Natürlich ist das kein umfassender Test, es wären noch viele andere Punkte möglich”, sagt Herzog. „Aber ich finde es Wahnsinn, was die Atmung und das Bewusstsein bewirken können – wie man dadurch physische Veränderungen speziell am Augenbewegungsapparat feststellen kann.”

Mehr Energie und ein klarerer Blick

Nicht jeder könne sich darauf einlassen. Doch bei Wojciechoswski klappt es gut: „Ich fühle mich danach eine Tonne leichter und habe mehr Energie.” Dem schließt sich Gandlgruber an, seine Augen sind danach klarer und ausgeruhter.

Ins Schwitzen geraten sie dagegen montags, wenn sie bei einer Gymnastikstunde ihre Muskeln kräftigen und dehnen. Die Trainerin sagt die Übungsabläufe so deutlich an, dass auch die beiden blinden Herren folgen können. Gandlgruber schätzt das: „Durch den Sport fühle ich mich noch fit und sitze nicht den ganzen Tag zuhause.”

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