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Eine Welt ohne Erwachsene in Aschau am Inn

42.000 Euro Steuergeld für vier Tage Kinderstadt des KJR Mühldorf: Muss das sein?

Geschäftsführerin Andrea Lübben (links) und die Vorsitzende Veronika Mück
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42.000 Euro Steuermittel für vier Tage Kinderstadt des Kreisjugendrings: Geschäftsführerin Andrea Lübben (links) und die Vorsitzende Veronika Mück rechtfertigen den Betrag und sehen einen Gewinn für den KJR.

Bereits zum sechsten Mal veranstaltete der Kreisjugendring (KJR) Mühldorf seine Kinderstadt – diesmal in Aschau, finanziert vom Bund mit über 42.000 Euro. Ein schöner Batzen für vier Tage. Das sagt der KJR dazu.

Waldkraiburg/Aschau/Berlin – Pfingsten. Erste Ferienwoche. Die Sonne scheint über Aschau. Ein Baustellenzaun versperrt den Zugang zum hinteren Teil Geländes beim Ametsbichler. Dahinter laufen Kinder hin und her, lachen, rufen, haben Spaß: Sie organisieren sich und ihr Leben selber – ohne Erwachsene. Endlich.

Von Dienstag bis Freitag war hier zwischen neun und 16 Uhr die sechste Kinderstadt des Kreisjugendrings (KJR) aufgebaut. Dieses Jahr finanziert von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Im Rahmen des Sonderprogramms „Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit“ gab es 42.259,09 Euro. Dazu die Ampfinger Bundestagsabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht (FDP): „Das Projekt setzt dort an, wo Kinder und Jugendliche am besten erreicht werden: vor Ort in ihren Lebenswelten.“ 

42.259,09 Euro oder 10.564,77 Euro pro Tag

42.259,09 Euro oder 10.564,77 Euro pro Tag, damit „Kinder erleben, wie gesellschaftliches Leben funktioniert“, so KJR-Geschäftsführerin Andrea Lübbe. Die Kleinen mussten arbeiten und Inntaler verdienen, um sich etwas leisten zu können. Zu den beliebtesten Berufen zählten Gastronom, Bäcker, Verkäufer, Schreiner, Steinmetz oder Maler. Sogar bei der Müllabfuhr gab es keinen Personalmangel. Es gab eine Bank, ein Arbeitsamt, Polizei, Radio, Fernsehen und Zeitung, einen Tante-Emma-Laden und vieles mehr. 

Ein echter Magnet für die Kids und eine beliebte Anlaufstelle: der „Tante Emma Laden“. Hier dürfen die fleißigen Kinder mit ihren Inntalern einkaufen.

„Die Kinder stellen Strukturen nach, die für das gesellschaftliche Leben wichtig sind“, so Lübbe. Es gab auch Bürgermeister-Wahlen: Gewählt wurden Julian Höhne (11), Amelie Rotter (9) und Ida Schmidt (9). Sie hatten mehr Sicherheit, Maßnahmen gegen Mobbing, mehr Lohn und mehr Einkaufsmöglichkeiten versprochen.

Täglich rund 150 Kinder aus dem ganzen Landkreis

Aus dem ganzen Landkreis kamen täglich rund 150 Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren, schufen ihre eigene Welt – begleitet von 30 Betreuern zwischen 15 und 19 Jahren, von vier Junior-Betreuern (13 und 14 Jahre alt) und einem Team vom Berufsbildungswerk Don Bosco in Waldwinkel.

„Die Kinder lernen hier eine ganze Menge fürs Leben und machen eine tolle Entwicklung durch. Sie trauen sich mehr zu, entdecken neue Fähigkeiten, sind kreativ, werden mutiger, selbstbewusster und können genau so sein, wie sie sind. Und sie erleben: Ich kann etwas bewirken“, sagt Lübben. Es gab täglich eine Bürgerversammlung: Hier wurden gemeinsam Konflikte besprochen und Regeln aufgestellt. 

Im Hintergrund dauert eine Kinderstadt von Januar bis Oktober

Vier Tage in den Pfingstferien, die Lübbe jedes Jahr ab Weihnachten plant, mit Vorbereitungen, Schulungen der Helfer, Einkauf sowie Aufbau; danach folgen nach dem Abbau bis Oktober Nachbesprechungen und Evaluationen. 

Einer der beliebtesten und allerwichtigsten Jobs in der Kinderstadt: die Müllabfuhr. Mit Bollerwagen und Mülleimern liefen die Kids des Umweltministeriums über das Areal und sorgten für Ordnung.

Und noch etwas muss Lübbe jedes Jahr organisieren: die Fördermittel. „Sonst wäre die Kinderstadt nicht finanzierbar.“ Normalerweise sind es zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Heuer waren es über 42.000 Euro. 

Bundesmittel sind mit Auflagen verbunden

„Damit sind aber auch Auflagen verbunden, die wir sonst nicht haben“, betont Veronika Mück, Vorsitzende des KJR. So mussten heuer alle Betreuer Mindestlohn bekommen; nicht mehr die übliche kleine Aufwandsentschädigung. Und der KJR durfte keine Teilnahmegebühr verlangen. „Alleine das hat die Kinderstadt deutlich teurer gemacht“, so Lübbe. 

Auch „Partizipation“ musste heuer großgeschrieben werden. Daher gab es erstmals Junior-Betreuer: Jugendliche, die für die Kinderstadt zu alt und für Betreuerarbeit noch zu jung sind, die ebenfalls an der Gestaltung mitwirkten. Gerade das Mitwirken habe für sie einen hohen Wert, der „mit Geld nicht zu bezahlen“ sei, hat Mück beobachtet.

Daher sei es kein Problem, wenn es nächstes Jahr keinen Mindestlohn mehr gibt. „Die nehmen das als Zuckerl“, so Mück. Die Jugendlichen wissen, so Geschäftsführerin Lübbe: „Wenn ich mal den Kuchen mit Sahne naschen darf, dann muss ich auch mal das trockene Brot essen.“

Kinder und KJR profitieren über die Kinderstadt hinaus

Von den Bundesmitteln profitierten und profitieren auch die Kinder und der KJR: So konnten zum Beispiel Elektro-Baukästen, Stick-Rahmen sowie zwei VR-Brillen angeschafft werden, um Berufe zu visualisieren. Es gab hochwertigere Materialien, einen neuen, stabilen Pavillon und eine neue Digital-Kamera für das Medienteam. „Das alles schmeißen wir ja nicht weg“, betont Lübbe. „Diese Dinge stehen der Jugendarbeit und unseren Vereinen weiter zur Verfügung.“ 

Das Fernsehstudio von Kinderstadt: Hier werden Beiträge gedreht und das Leben einer kleinen Stadt, in der nur Kinder leben, dargestellt.

Und wenn es nächstes Jahr wieder nur zehn- oder fünfzehntausend Euro für die Kinderstadt gibt? „Dann werden wir uns wieder umstellen“, so KJR-Vorsitzende Mück. „Das ist im Jugendbereich immer so.“ 

Der „König von Aschau“ zu Gast in der Kinderstadt

Auch Aschaus Bürgermeister Christian Weyrich besuchte die Kinderstadt. Er staunte nicht schlecht, als er den Wahlkampf der 17 Kandidaten für das Bürgermeisteramt sah: „Es ist natürlich alles ein paar Nummern kleiner hier, aber man sieht, dass die Bedürfnisse der Kinder mit denen der Erwachsenen vergleichbar sind. Es geht ihnen in erster Linie darum, dass es allen gut geht, genügend Geld da ist und weniger gearbeitet werden muss.“

Die Kinder freuten sich über Weyrichs Besuch, sahen in ihm den König von Aschau. Da musste er grinsen: „Im echten Leben ist ein Bürgermeister kein König. Er ist wie jedermann und muss immer für die Bürger da sein. Genauso wie die Feuerwehr, der Rettungsdienst und die Polizei“.

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