Grenzenlose Liebe mit Hindernissen
„Hakuna matata!“ Mary aus Kenia und Stefan aus Taufkirchen teilen Lebensmotto
„Hakuna Matata“ heißt: Es gibt keine Probleme“. Das Lebensmotto von Mary aus Kenia passt gut in die Wirtsstube im Gasthaus Sahlstorfer in Taufkirchen. Was eine Kiwi und das Spiel „Mensch-ärgere-dich-nicht“ damit zu tun haben.
Taufkirchen — „Bring mir moi an Kiwe“, sagte Schwiegermama Traudl (86) zu Mary (49), der kenianischen Frau ihres Sohnes Stefan (54). Also brachte Mary ihr eine Kiwi. Ein Missverständnis, das heute noch für Lacher sorgt, wenn die Wahl-Taufkirchenerin von ihren Anfängen als Küchenhilfe unter der Seniorchefin erzählt.
Dass sie einen Kübel und nicht die pelzige Frucht haben wollte, konnte die Kenianerin, die international als Eisstockschützin Karriere gemacht hat und in ihrer Heimat Lehrerin war, schließlich nicht wissen, als sie Ende 2020 erst kurz in Bayern gelebt hatte.
Deutsche Botschaft und Corona standen im Weg
Sie ist nun seit 2019 standesamtlich mit Stefan Sahlstorfer verheiratet. Das Eisstockschießen brachte die beiden zusammen – sie lernten sich 2014 bei der WM in Innsbruck kennen.
Auch wenn die Deutsche Botschaft und die Corona-Maßnahmen ihnen sehr lange unerbittlich im Weg standen, fanden sie zueinander, gaben sich vor fünf Jahren in Kenia das Ja-Wort.
Mit Bier in der Kirche angestoßen
Vergangenes Jahr im August holte das Paar die kirchliche Hochzeit in Taufkirchen nach – und stieß in der Kirche mit Pfarrer Michael Seifert mit Bier an. Mit dabei waren Gäste aus Kenia, etwa Marys erwachsener Sohn Victor, der in Nairobi Maschinenbau studiert.
Stefans Schwester Michaela hat die Braut angekleidet. „Meine Sweety war so schön in Weiß, da kamen mir die Tränen“, erinnert sich der Wirt.
Frauen aus Taufkirchen taten sich zusammen, um die bayerische Hochzeit zu organisieren. „Sie sind jetzt alle meine Freundinnen. Auf der Hochzeit haben wir zusammen ‚Jerusalema‘ getanzt“, freut sich die 49-Jährige.
Inzwischen wird Mary als Jungwirtin geführt. Traudl und sie konnten sich anfangs nur mit Händen und Füßen verständigen. Die ältere Frau verstand kein Englisch, die Jüngere kein Deutsch und half beim Tellerspülen.
Knödel drehen leicht gemacht
„In der Küche lernt man schnell“, sagt Mary, die die aufwendigen Gerichte, wie Braten zubereiten, nach wie vor der erfahrenen Schwiegermama überlässt. Knödel drehen – das macht sie inzwischen blind.
Skepsis bei beiden Schwiegermüttern
„Mama war anfangs nicht so begeistert, als ich eine afrikanische Frau heimbrachte“, räumt Stefan ein. „Meine Mutter war auch nicht erfreut über einen weißen Schwiegersohn“, entgegnet Mary schmunzelnd. „Hakuna Matata – fällt mir dazu nur ein. Das ist Swahili und heißt, es gibt keine Probleme“, ergänzt sie. Er nickt zustimmend.
Längst sind Traudl und ihre Schwiegertochter ein eingeschworenes Team. Die 49-Jährige bewundert die Seniorchefin, eine tüchtige Frau mit enormem Wissen, die schon mal 300 Schnitzel für Gesellschaften im Saal brät, auch wenn sie Hüftschmerzen hat. „Sie vertraut mir und behandelt mich als Vertraute“, freut sich Mary.
Das Trio schmeißt nicht nur gemeinsam den Laden und teilt den christlichen Gauben, sondern unternimmt auch Ausflüge. Und spielt jeden Tag miteinander „Mensch-ärgere-dich-nicht“ in der Wirtsstube. „Hakuna Matata“ eben.
Granteln als bayerisches Lebensgefühl
Wenn Traudl mal grantelt, nimmt ihr das Mary nicht krumm. Die leicht mürrische Gemütslage ist auf dem Land weit verbreitet. „Das gehört dazu“, weiß Mary und lacht vergnügt. Mary begleitet Traudl auch zu Terminen, etwa zum Arzt.
Schwüle Hitze ungewohnt
Das schwüle Wetter im sommerlichen Bayern macht der 49-Jährigen zu schaffen. Sie stammt aus dem Hochland um Nairobi, wo das Klima gemäßigt ist. „Dass es im Sommer hierzulande so lange hell und im Winter so dunkel ist, hat mich auch überrascht.“
Rassismus kommt selten vor
Rassismus begegne ihr im beschaulichen Taufkirchen so gut wie gar nicht. Sie sei wohlwollend aufgenommen worden, inzwischen fest in Vereinen und Freundeskreisen integriert. „Es läuft besser, als ich es mir vorgestellt habe“, sagt die aufgeweckte Frau, „und ich lerne Bairisch von den Stammgästen“.
Dass die Menschen auf sie neugierig reagieren, sei verständlich. Nur einmal an Kirchweih habe ein Gast mal geäußert „jetzt muss i mir amoi die schwarze Frau oschaun“, was Stefan genervt habe.
Bei Winterolympiade in China dabei
„Sie gehört im Dorf fest dazu“, sagt ihr Mann, der weitum als ehemaliger Präsident der MFTO (Motorradfreunde Taufkirchen Oberneukirchen) bekannt ist. Bei den Stockschützen des TSV Taufkirchen ist Mary, die langjährige internationale Wettkampferfahrung hat und sogar schon bei der Winterolympiade 2019 in China im Rahmenprogramm geschossen hat, eine feste Größe.
Lampenfieber bei Wettbewerben
„Ganz Taufkirchen hat mich angefeuert, als ich heuer im Frühjahr in Waldkraiburg bei der Eisstock WM beim Einzel-Zielschießen für mein Heimatland angetreten bin“, erzählt sie. Leider habe sie mit Lampenfieber zu kämpfen.
Ganz cool dagegen sei sie gewesen, als ihr Ministerpäsident Markus Söder in der Eishalle Waldkraiburg die Hand geschüttelt habe. „Ich wusste ja nicht, wer er ist“, sagt sie schmunzelnd.
Lehrerin für Sport und Swahili
Daheim in Meru war Mary Oberstufen-Lehrerin für Sport und Swahili, Englisch ist dort Amtssprache. „Hier musste ich zwei neue Sprachen lernen, Deutsch und Bairisch“, berichtet Mary lachend. Inzwischen hat sie den B2-Sprachkurs erfolgreich absolviert und kann sich fließend verständigen.
Sie würde gerne hier stundenweise als Lehrerin arbeiten, Sport und Englisch wären denkbar. Leider wird ihre Ausbildung nicht anerkannt.
Zeit zu zweit genießen
Und wenn sie frei hat, steigt sie mit ihrem Stefan ins Auto und verreist. „Wir wollen leben und unsere Zeit zu zweit genießen.“



