Streit in Oberneukirchen
VG Polling gegen Mayerhofer: Warum landet ein unliebsamer Kommentar beim Staatsanwalt?
Wer etwas schreibt, was Gabriele Springer und Bürgermeister Lorenz Kronberger von der VG Polling nicht gefällt, muss mit dem Staatsanwalt rechnen. Das hat jetzt ein Oberneukirchner erfahren. Wie weit dürfen Inhaber staatlicher Gewalt gehen?
Oberneukirchen – Die Sonne scheint an diesem Nachmittag über dem Parkplatz im Herzen Oberneukrichens. Ein paar Motorrad-Fahrer legen eine Pause ein. Holen sich aus dem Dorfladen Wasser, Kaffee und Red Bull. Das Oberneukirchner Urgewächs Matthias Mayerhofer hat sich ebenfalls Zeit genommen, sitzt mit seinem Laptop vor dem Dorfladen und ringt immer wieder um Worte. Er ist immer noch fassungslos, was sein Bericht aus der Sitzung des Oberneukirchner Gemeinderats am 13. Juni ausgelöst hat. Es ist zu sehen und zu spüren: Er ist getroffen, ringt mit sich und seinen Gefühlen. „Mir liegt Oberneukirchen am Herzen“, sagt er.
Bei der Auseinandersetzung geht es inzwischen nicht mehr nur um einen fehlerhaften Bericht, es geht auch um die Grenzen der Meinungsfreiheit und die Frage, wie weit Vertreter der staatlichen Gewalt gehen, um unliebsame Berichte zu verhindern. Konkret geht es um die Geschäftsleiterin der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Polling, Gabriele Springer, und den VG-Vorsitzenden, Pollings Bürgermeister Lorenz Kronberger (UWG).
Seit fast 20 Jahren in der Freizeit für Oberneukirchen aktiv
Seit knapp 20 Jahren berichtet Mayerhofer in seiner Freizeit „aus Lust und Liebe“ auf der Internetseite oberneukirchen.de des privaten Vereins WONK aus dem Oberneukirchner Gemeinderat. „Die Zeitung ist ja nicht immer da. Trotzdem gibt es viele wichtige Sachen. Drum setze ich mich ein dafür.“
Mayerhofer bedient sich bei seinen Berichten der Form eines verkürzten Wortprotokolls, in dem er Aussagen wiedergibt. „Ich habe nie einen persönlichen Kommentar dazu geschrieben“, betont er. Nur diesmal.
VG-Geschäftsführerin Springer moniert zwei Punkte
Nur drei Tage später kam eine E-Mail von Gabriele Springer als Geschäftsleiterin der VG Polling. Sie beanstandete zwei Punkte als „falsch und nicht hinnehmbar“. Zum einen die kommentierende Anmerkung „Das Personalchaos der Gemeinde Polling muss mit der VG-Umlage auch die Gemeinde Oberneukirchen mitfinanzieren“; zum anderen die Darstellung zum künftigen Minus im gemeindeeigenen Kindergarten.
Springer erklärt dieses Vorgehen der VG-Leitung damit, dass Oberneukirchens Bürgermeisterin Anna Maier erklärt habe, dass sie keinen Einfluss auf die Berichterstattung habe und „sich völlig aus der Verantwortung nehme“. Daher wenden sich Springer und der VG-Vorsitzende Kronberger in folgenden Tagen per E-Mail und telefonisch direkt an Mayerhofer, der den kompletten E-Mail-Verlauf inzwischen auf oberneukirchen.de veröffentlicht hat (Stand: 28. Juni 2024).
Am 16. Juni beendet Springer ihre erste E-Mail an Mayerhofer mit dem Satz: „Wir werden auch Ihren Bericht sowie dieses Schreiben so an die Staatsanwaltschaft weiterleiten.“
Mayerhofer kündigt ein Ende seiner Berichte aus dem Gemeinderat an
Mayerhofer nahm den Bericht daraufhin aus dem Netz und schrieb dort: „Auf ausdrücklichen ‚Wunsch‘ von Frau Springer (mit Staatsanwaltschaftsdrohung) wird der Bericht vom 13.06.24 gesperrt. Hiermit endet meine Berichterstattung von den Gemeinderatssitzungen.“ Auch wenn dieser Eintrag aktuell nicht mehr zu finden ist: Ein Bildschirmfoto machte sofort die Runde.
„Ich habe zu keiner Zeit einen ‚Wunsch‘ geäußert“, betont Springer gegenüber den OVB Heimatzeitungen. Sie habe per E-Mail mitgeteilt, „welche Teile seiner Berichterstattung nicht der Wahrheit entsprechen, weil sein Wortprotokoll in zwei Fällen etwas wiedergibt, was in der Gemeinderatssitzung nicht bzw. so nicht gesagt wurde.“
Reine Aussage oder doch eine versteckte Drohung?
Springer weiter: „Ich habe Herrn Mayerhofer lediglich erläutert, dass wir aus den Erfahrungen in der Vergangenheit öffentliche falsche oder unwahre Berichterstattungen der Staatsanwaltschaft vorlegen. Eine Drohung wurde zu keiner Zeit von mir ausgesprochen. Diese Behauptung ist unwahr.“
Wir übergeben seit ca. 3 Monaten alle Berichte, Posts und Beiträge in den Sozialen Netzwerken, Zeitungen, Briefe etc., die uns übermittelt werden, die wir selbst sehen und die darauf ausgelegt sind Hass, Hetze, üble Nachrede und sogar Verleumdung zu verbreiten an die Polizei und auch an die Staatsanwaltschaft weiter.
„Für mich war das eine Drohung“, sagt dagegen Mayerhofer, der zuletzt die örtliche VR-Bank geleitet und jahrelang selber Personalverantwortung hatte. „Wenn ich Staatsanwalt lese … was kann da passieren?“
Seit gut drei Monaten geht alles an den Staatsanwalt
Gegenüber den OVB Heimatzeitungen erklärt Springer: „Wir übergeben seit ca. 3 Monaten alle Berichte, Posts und Beiträge in den Sozialen Netzwerken, Zeitungen, Briefe etc., die uns übermittelt werden, die wir selbst sehen und die darauf ausgelegt sind Hass, Hetze, üble Nachrede und sogar Verleumdung zu verbreiten an die Polizei und auch an die Staatsanwaltschaft weiter.“ Es gebe auch keine vorherigen „Ermahnungen“ mehr. „Deswegen habe ich Herrn Mayerhofer auch nicht gedroht, sondern ihm lediglich mitgeteilt, dass wir auch seinen Bericht weiterleiten.“
Sie rechtfertigt sich damit, dass der Ton immer hemmungsloser werde: „Hier werden die Mitarbeiter des Rathauses in unerträglicher Weise beschimpft und beleidigt. Zudem gehen anonyme Briefe mit Beleidigungen und Verleumdungen ein.“
Zurück zum Vorgehen gegen Mayerhofer: Oberstaatsanwalt Dr. Rainer Vietze, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein, bestätigt, dass Springer und Kronberger per E-Mail „Strafverfolgung gegen Herrn Mayerhofer wegen übler Nachrede und Beleidigung“ gestellt haben. Die Unterlagen würden geprüft, das werde „voraussichtlich einige Zeit in Anspruch nehmen“.
Bürgermeisterin Meier braucht erst einmal Abstand
Mayerhofer weiß noch nicht, ob er weiter aus dem Gemeinderat berichten wird. Oberneukirchen würde dadurch eine unabhängige Stimme zur Meinungsbildung verlieren.
Oberneukirchens ehrenamtliche Bürgermeisterin Anna Meier möchte sich im Moment nicht dazu äußern. Sie brauche erst ein paar Tage Abstand, sagte sie auf Anfrage.
Oberneukirchen.de bekommt eine Abmahnung
Auch die Seite oberneukirchen.de, mit der der Verein WONK seit fast zwei Jahrzehnten anstandslos über das Dorfleben informiert, steht vor dem Aus. „Aufgrund der letzten Berichterstattung“ hat Springer als Geschäftsleiterin der VG Polling am 18. Juni Mayerhofer eine Abmahnung geschickt.
Es sei, so Springer, nicht Aufgabe von Mayerhofer über öffentliche Sitzungen zu informieren, dazu habe die Gemeinde das Rats- und Bürgerinformationssystem. „Vor allen Dingen nicht im Namen der Gemeinde.“
Mayerhofer nennt Abmahnung einen „Irrläufer“
Auch verstoße er mit der Seite gegen das Namensrecht der Gemeinde. Springer beruft sich dabei auf Paragraf 12 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Mayerhofer solle die Seite bis zum 30. Juni löschen. Er könne „selbstverständlich“ eine eigene Webseite unter „einem nicht mit der Gemeinde in Verbindung stehenden Namen erstellen“.
Die Antwort von Mayerhofer folgte am 27. Juni per E-Mail, die er am gleichen auf oberneukirchen.de veröffentlichte: Er haben die Abmahnung „mit einem Lächeln zur Kenntnis genommen“, aber sie gehe ihn nichts an: Oberneukirchen.de sei nicht seine Homepage, er auch nicht Eigentümer, sondern nur ein ehrenamtlicher Redakteur: „Ihr Schreiben geht somit als ‚Irrläufer‘ zurück.“