Ärger über herumliegenden Müll in Kraiburg
Kleine Abfälle, großer Schaden – Werden achtlos weggeworfene Zigaretten-Stummel bald geahndet?
Kunststoff und Chemikalien: Zigarettenstummel sind zwar klein, können aber großen Schaden anrichten. Vor allem, wenn sie einfach fallengelassen werden. Droht dafür bald eine Strafe?
Kraiburg – Eine rege Diskussion entbrannte im Marktgemeinderat Kraiburg zum Antrag eines Bürgers: „Bereits vor längerer Zeit habe ich einen Antrag auf Bußgeld für das Wegwerfen von Zigarettenkippen gestellt. Wer durch unseren Markt spaziert, wird erkennen, dass sich bisher keine Verbesserung ergeben hat, nach wie vor liegen unzählige giftige Kippen auf dem Boden”, schrieb dieser an das Gremium. Sein Lösungsvorschlag: Ein Bußgeld von mindestens 50 und maximal 500 Euro.
„Wir sollten einen Betrag von 50 Euro festsetzen und im Marktblatt veröffentlichen”, stimmt Ludwig Kamhuber (CSU) zu. Dieser Meinung ist auch Anette Lehmann (UWG): „In anderen Ländern geht das auch, meine Tochter lebt in Australien und sagt immer, wie dreckig es hier in Deutschland ist.”
Keine weitere „Vorschrift für die Katz“
Dem widerspricht Ernst Kirmeier (UWG): „Wir haben in Deutschland schon so viele Gesetze und Vorschriften. Eine solche Regel können wir gar nicht durchsetzen, das ist nur eine weitere Vorschrift für die Katz.” Bürgermeisterin Petra Jackl (CSU) bestätigt: „Wir haben kein Ordnungsamt, das draußen unterwegs ist und selbst wenn wir eines hätten, wären die Leute nicht verpflichtet, zu sagen wer sie namentlich sind.”
„Völlig richtig, wir können das nicht durchsetzen, aber ein Bewusstsein schaffen können wir auf alle Fälle, dass es nicht erlaubt und auch ohne Vorschrift strafbar ist”, meldet sich Werner Schreiber (SPD) zu Wort.
Ordnungswidrigkeit mit hoher Geldstrafe
Schon jetzt gilt es laut der „Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter” des Marktes Kraiburg als Ordnungswidrigkeit, eine öffentliche Straße zu verunreinigen oder verunreinigen zu lassen. Bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß droht eine Geldstrafe von bis zu eintausend Euro.
„An sich ist alles schon geregelt, aber viele wissen das nicht oder wollen es vielleicht auch gar nicht wissen”, meint Jackl. Eine Möglichkeit sei, die Satzung auszuweiten. „Aber ich bin mir sicher, dass das nicht viel bringt.”
Könnte die Sicherheitswacht Bußgelder verhängen?
Die Zigarettenstummel sind ein Problem, das man auch in Waldkraiburg kennt. Erst kürzlich ärgerte sich Rentner Dieter Weihrauch, dass es in Waldkraiburg keinen städtischen Ordnungsdienst gibt, der sich der Sache annimmt. Könnte die Sicherheitswacht hier vielleicht Abhilfe verschaffen?
„Grundsätzlich ist die Sicherheitswacht dazu angehalten, Menschen auf ihr Fehlverhalten anzusprechen, wenn sie dieses beobachtet”, sagt Franziska Stangl, Polizistin in Waldkraiburg und für die Sicherheitswacht zuständig. Ein Bußgeld zu verhängen, dazu sei sie jedoch niemals befugt – das dürfe nur die Polizei.
„Aber wir als Polizei können nicht wegen einzelner Zigarettenstummel ausrücken, die Zeit haben wir nicht.” Auch beim Sicherheitsdienst gehe es insgesamt eher um höherwertige Delikte. Die Polizistin würde es begrüßen, wenn die Kommunen selbst mehr Leute im Außendienst hätten, die sich solcher „Müll-Brennpunkte” wie etwa Bushäuschen, annehmen könnten.
Größere Müllablagerungen mit der Abfall-App melden
„Rein von der personellen Besetzung wäre eine Ahndung von Seiten des Rathauses oder Bauhofes gar nicht möglich”, sagt dagegen Julia Hermannstaller. Sie ist in Neumarkt-St. Veit für das Ordnungsamt zuständig. Auch dort gibt es keinen Ordnungsdienst für weggeworfenen Müll. Um größere Müllansammlungen kümmere sich meist der Bauhof, wenn er die Mülleimer ausleere.
Mit größeren Müllablagerungen an Wald und Flur kennt sich auch der Landkreis Mühldorf aus. „Im Jahr 2023 wurden im Landkreis Mühldorf insgesamt 70,20 Tonnen an unzulässigen Abfallablagerungen gesammelt”, teilt Landratsamt-Sprecher Wolfgang Haserer auf Anfrage mit. Die Kosten dafür betrugen mehr als 80.000 Euro.
Wer derartigen Müll wie zum Beispiel Matratzen in der Natur entdeckt, dem empfiehlt er die Funktion „Wilder Müll” in der Abfall-App des Landkreises: Ein kurzes Formular ausfüllen und schon ist das Landratsamt informiert. 41 solcher Meldungen gingen 2023 über die App ein, 103 weitere auf auf anderem Weg. Allerdings: „Achtlos weggeworfener Müll und Zigarettenstummel im Stadt- oder Gemeindegebiet fallen in den Aufgabenbereich der Kommunen”, ergänzt Haserer.
Giftstoffe gelangen in die Nahrungskette
Doch warum eigentlich all der Wirbel um die kleinen Abfälle? „Durch Regen gelangen die in den Stummeln enthaltenen Giftstoffe ins Grundwasser”, erklärt Doris Anzinger-Pohlus, erste Vorsitzende der Ortsgruppe BUND Naturschutz Kraiburg-Taufkirchen. Die „Kippen” seien nicht nur eine Gefahr für Böden und Grundwasser, ihre Bestandteile gelangen so auch in die Nahrungskette.
„Wir begrüßen deshalb ein Ordnungsgeld sehr, sind uns jedoch der Probleme bei der Umsetzung bewusst”, sagt Anzinger-Pohlus. Sie schlägt Öffentlichkeitskampagnen vor, um auf die Umweltrisiken aufmerksam zu machen.
Über den Umweltschaden aufklären
Diese Idee bringt auch Andreas Fischer (Die Grünen) im Marktgemeinderat Kraiburg ein. Er habe in der Sache bereits mit Kindergärten und Schulen telefoniert und möchte sich dahinterklemmen, nochmal Flyer zu bekommen und diese in Familien zu bringen. Auch Claudia Pickart (Die Grünen) hält Aufklärung für wesentlich: „Der Umweltschaden ist vielen nicht bewusst, aber betrifft uns alle.”
Der Gemeinderat einigt sich mehrheitlich darauf, dass die Verwaltung bis zur nächsten Sitzung einen Beschlussvorschlag vorbereitet. Vier Personen lehnten dieses Vorgehen ab. Franz Kifinger (UWG) warb dafür, das Ganze nicht unnötig aufzublähen. „Aber wenn darüber geredet wird, schreckt es den ein oder anderen vielleicht doch ab. Jeder hat schließlich die Möglichkeit, seine Kippen einzustecken und nicht auf den Boden zu schmeißen.”


