Erfolgreiche Denkmal-Sanierung
Ein Stück Kraiburger Identität: So hat das Wandinger-Haus in die Gegenwart zurückgefunden
Zur Bruchbude verfallen war das alte Wandinger-Haus am Kraiburger Marktplatz – bis es ein Investor wachgeküsst hat. In der Nutzung ist das Denkmal seiner Historie ein Stück weit treu geblieben.
Kraiburg – Eine bewegte Geschichte hat das Wandinger-Haus hinter sich. Wie bewegt, so ganz genau kann das heute keiner mehr sagen. Bekannt ist, dass das ursprüngliche Brauerei-Gasthaus aus dem späten Mittelalter stammt. Doch im Verlauf der Jahrhunderte wechselten nicht nur die Eigentümer, es änderte sich auch vieles im Gebäude, das heute unter Denkmalschutz steht.
Zuletzt wurde das alte Gasthaus in eine Disco umfunktioniert. „Es war in den 1970er Jahren eine der ersten Discos in der Region“, sagt Architekt Josef Anglhuber. Danach stand das Gebäude leer und verfiel. Bis ein Investor die Sanierung angestoßen hat.
Geschichte geht ins Mittelalter zurück
Einige Umbauten im Inneren werfen heute Fragen auf. Zum Beispiel lassen Mauerreste darauf schließen, dass die ursprünglich großen Gasthaus-Zimmern mit der Zeit in kleinere Räume aufgeteilt worden sind. Oder es findet sich Außenputz oder ein Fenster mit Wetterschenkeln im Innenbereich. Also genau dort sollte es gegen Einflüsse von außen geschützt werden, wo es heute gar kein Außen gibt?
„Die Geschichte des Wandinger-Hauses geht bis ins Mittelalter zurück, das Gebäude wurde immer wieder umgebaut“, erklärt Anglhuber, der die Sanierung geplant und in Abstimmung mit dem Eigentümer, der WEHO Immobilien GmbH, und dem Landesamt für Denkmalpflege geleitet hat.
Das Wandinger-Haus am Kraiburger Marktplatz




Teil der Sanierung war eine bauhistorische Forschung. „Die Erkenntnisse waren komplett unterschiedlich, die nicht zusammenpassten.“ Wie zum Beispiel die Rötelmalereien, die es eigentlich nur in Kirchen gibt – und eben im Wandinger-Haus. Bei den Befund-Untersuchungen an den Putzen und Wandfarben sei man auf viele alte Malereien in den Zimmern gestoßen. Die wurden aufwendig saniert und geben heute jedem Zimmer seinen Charme. Während der Bauzeit habe man die Reste eines alten Kellergewölbes entdeckt, dessen zerstörtes Ziegelgewölbe als rote Betondecke wieder aufgebaut wurde.
Hotelzimmer im Obergeschoss
Dort, wo früher die Gäste in den Zimmern untergebracht und im Gastsaal bewirtet worden waren, sind auch heute wieder Gästezimmer. Marc Vermetten, Inhaber des Hardt-Hauses, ist hier im Obergeschoss mit zusätzlichen Hotelzimmer vertreten. „Jeder Raum ist anders, jedes Zimmer ist eine Maßanfertigung“, erklärt Anglhuber und meint damit nicht die Einrichtung.
Denn Hauptproblem bei der Sanierung war die Substanz des Gebäudes. „Die war extrem schlecht. Jede Decke im Haus musste saniert werden.“ Die Decken seien zum Teil so schief gewesen, dass es ein Gefälle im Raum von mehreren Zentimetern gegeben habe. Dazu überall Risse, Setzungen und Nässe. „Es war eine OP am offenen Herzen.“
Historie ergänzt um moderne Elemente
Eine OP, die geglückt ist: Die Hotelzimmer haben wieder ihre ursprüngliche Größe, die Wände zieren die alten, freigelegten Malereien, Lichtschächte bringen Licht in die innenliegenden Räume. Alte Elemente wie der Speiselift der ehemaligen Gasthaus-Küche sind erhalten geblieben. Die Historie wurde ergänzt mit modernen Elementen, um einen neuwertigen Hotelstandard zu schaffen.
Ursprünglich war für das Erdgeschoss ein Café vorgesehen, doch die Pläne änderten sich während der Sanierung. Stattdessen sind dort heute die Räume einer Physio-Praxis untergebracht. „Es steckt viel Arbeit drin“, sagt Anglhuber zusammenfassend zu der rund vier Jahre dauernden Sanierung.
Das Wandinger-Haus stand als letztes Haus beispielhaft für die schlechten Zeiten, die der Kraiburger Marktplatz über einige Jahrzehnte erlebte. Nach und nach wurde ein Gebäude nach dem anderen wiederbelebt und zurück in die Gegenwart geholt. Ein Engagement, das sich lohnt. Das Wandinger-Haus ist ein gutes Beispiel, dass ein historisches Gebäude moderne Lebensverhältnisse nicht ausschließt.
Haus hat seine Identität wieder
Alt und neu verwachsen hier miteinander, geben dem Haus seine Identität wieder. Und damit auch dem Marktplatz. „Mit jedem Gebäude, das ersetzt wird, verliert ein Ort ein Stück seine Identität. Der Versuch, etwas Altes modern umzusetzen, ist nur eine Kopie“, sagt Anglhuber, weiß aber, dass man bei einer geplanten Sanierung auch an seine Grenzen stoßen kann. Zum Beispiel dann, wenn Wohnungen barrierefrei sein sollen.
Beim Blick über den Kraiburger Marktplatz wird jedenfalls deutlich: „Jedes Gebäude ist es wert, dessen Erhalt zu prüfen.“
Blick hinter die Gemäuer
Bei den Architektouren war das Wandinger-Haus nach seiner Sanierung zu sehen, eine weitere Gelegenheit gibt es am kommenden Freitag, 6. Oktober. Ab 16 Uhr ist das Wandinger-Haus für eine Stunde geöffnet. Interessierte erfahren bei einem kleinen Rundgang ein paar Geschichten zum Haus. Wer noch mehr über Architektur erfahren will, der hat dazu anschließend Gelegenheit ab 17 Uhr beim Architektur-Dinner im Bischof-Bernhard-Haus. Bereits zum fünften Mal gibt es spannende Kurzvorträge und dazu ein Feinschmecker-Menü vom Hardthaus. Reservierungen sind möglich über das Hardthaus.