Von Buenos Aires nach Kraiburg
„Es ist wie eine Sucht“: Kraiburger Künstler-Paar auf den Spuren des Tangos
Tango ist vieles: Leidenschaft, Intimität, Tanz mit Unbekannten. Aber er schlägt eine Brücke nicht nur zwischen Menschen, sondern über Kontinente hinweg. Auf die Spuren des Tangos haben sich der argentinische Musiker Facundo Barreyra und die Fotografin Lisa Franz begeben.
Waldkraiburg/Kraiburg – Seine Heimat hat der Tango in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires. In der Stadt ist er allgegenwärtig, Radiosender spielen rund um die Uhr Tangomusik und getanzt wird bei einer der vielen Milongas, den traditionellen Tanzveranstaltungen. Aber dass hier jeder Tango tanzt, ist ein weitverbreitetes Klischee. Der argentinische Musiker Facundo Barreyra und seine Frau Lisa sind ein gutes Beispiel. Kennengelernt haben sie sich über die Musik, der Tango kam erst später.
Die beiden müssen schmunzeln, denn: „Nicht alle Leute tanzen Tango in Argentinien.“ Facundo Barreyra musste erst seine spätere Frau Lisa Franz kennenlernen, bevor er die ersten Tango-Schritte lernte. Es gab auch einen guten Grund, dass er nicht tanzt. „In Argentinien heißt es, dass diejenigen, die die Tango-Musik spielen, nicht selber Tango tanzen“, erzählt der Musiker, der neben sich das Instrument stehen hat, das untrennbar mit Tango verbunden ist.
„Das Bandoneon ist die Stimme des Tangos.“ Doch Argentiniens Nationalinstrument hat seinen Ursprung nicht in Südamerika, sondern auf einem anderen Kontinent. „Es ist ursprünglich ein deutsches Instrument, das hier fast vergessen ist“, erklären die beiden. Der Tango und das Bandoneon – eine Verbindung über Kontinente hinweg, beeinflusst von Strömungen aus Europa, Südamerika und Afrika, eine Verbindung zwischen verschiedenen Kulturen. Eine Verbindung, die sich in der zwischen Facundo Barreyra und Lisa Franz widerspiegelt.
Kulturelle Brücke nach Deutschland
Er ist Musiker und Musikpädagoge, der Schlagzeug, Percussion und Komposition studiert hat, Lisa Franz ist in Peking geboren, in Köln aufgewachsen, hat Philosophie und Lateinamerikanische Geschichte studiert und später Fotografin gelernt. Bis sie alles verkauft hat und nur mit zwei Koffern und ihrer Kamera nach Buenos Aires gereist ist. Die kulturelle Brücke nach Deutschland ist auch deren Geschichte. „Die Mischung der Kulturen ist eine Bereicherung“, sagt Lisa Franz. Ihre Bilder und Texte vereinen sie mit seinen Kompositionen. „Wir sind beide Künstler, daraus muss man doch etwas machen.“
So entstand die Idee, die Geschichte des Tangos und des Bandoneons mit einem Projekt ins Gedächtnis zu rufen. Zunächst in Argentinien, vor zehn Jahren zum ersten Mal in Kroatien. „Wir hatten unser Projekt beim Auswärtigen Amt vorgestellt und bekamen eine Tour durch Europa finanziert.“ Eine Idee, die sich heute immer noch weiter entwickelt. „Es ist wie eine Reise. Jede Situation, jeder Raum, jeder Veranstaltungsort ist anders. Es ist nie fix, wie wir die Reise des Tangos und des Bandoneons beschreiben“, erklärt Barreyra.
Umzug in eine andere Welt
Vor sechs Jahren der Umzug nach Deutschland: Für Lisa Franz war es eine Rückkehr in die alte Heimat, um ihrer Familie wieder näher zu sein. „Die wirtschaftliche Lage in Buenos Aires war für zwei Künstler schwierig. Hier in Deutschland haben wir gute Chancen als Künstler gesehen.“ Für ihren Mann war es eine andere Welt. Raus aus Argentiniens quirliger Hauptstadt in das ruhige Kraiburg. „Wenn man in Buenos Aires am gleichen Tag zur Bank und Post wollte, war man den ganzen Tag unterwegs.“ Hier ist das eine Aufgabe, die nach wenigen Minuten erledigt ist. Damit bleibt mehr Zeit für Projekte, so wie „Die Kunst des Tangos“, das am 23. Juni im Museum „Sammlung Peter Schmidt“ in Waldkraiburg zu sehen ist.
„Wir wollen keine Historiker sein, wir sind Künstler“, sagen die beiden über ihr musisches Projekt. Die Besucher nehmen sie auf ihrer Reise mit, ein Ende ist nicht in Sicht. „Der Tango schreibt sich mit jedem Tanz weiter fort. Er ist immer in Bewegung und wir sind ein Teil dessen“, sagt Barreyra. Eine wichtige Entwicklung, denn nur so „stirbt der Tango nicht aus“. „Am Tango gibt es vieles zu entdecken und es geht weit darüber hinaus, was hier darüber bekannt ist.“ Er kann intim sein, mit kleinen Schritten oder voller Leidenschaft oder viel offener mit mehr Bewegungen, wie ihn die jungen Leute in Buenos Aires heute tanzen.
„Tango ist wie eine Sucht. Wenn man in dieser Welt ist, dann ist das ernst für einen und kein Spaß“, sagt Lisa Franz. Es kostete sie Überwindungen, das erste Mal mit ihrem Mann in eine Milonga zu gehen. „Als Europäerin macht man sich da so seine Gedanken. Es war aufregend, nach einem halben Jahr Tango-Unterricht das erste Mal dort zu sein.“ Mehr seinem Gefühl vertraute ihr Mann. „Es ist wie eine Umarmung auf der Musik. Tango ist wie ein Familientreffen, für das man sich Zeit nehmen muss.“