Sportlicher Therapieansatz für unheilbare Krankheit
Diagnose Parkinson: Das brachte dem Niedertaufkirchener Landwirt wieder Lebensfreude zurück
Morbus Parkinson. Für Landwirt Hubert Roßkothen ist mit dieser Diagnose vor vier Jahren eine Welt zusammengebrochen. Er hat sich zurückgezogen, sich eingeigelt. Doch er hat einen Weg gefunden, mit der Krankheit zu leben – mit Sport. Am Wochenende nimmt er an den PingPongParkinson German Open teil.
Niedertaufkirchen – PingPongParkinson ist nicht nur ein einprägsamer Name, sondern steht für eine ganze Bewegung: Menschen mit Parkinson-Erkrankung spielen Tischtennis. Sie haben Spaß dabei und die Ballsportart hat einen positiven Einfluss auf die Symptomatik der Krankheit. Und da alle Sportler sich gerne messen, gibt es die Quooker PingPongParkinson German Open - ein internationales Turnier, das an diesem Wochenende bis zum 21. Mai in Düsseldorf stattfindet. Ausgetragen vom PingPongParkinson Deutschland e.V. (PPP) und Borussia Düsseldorf. Mitten drin statt nur dabei: Zwei Sportler aus dem Landkreis Mühldorf.
Landwirt fährt zu PingPongParkinson German Open
Über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 15 Nationen werden an den vier Tagen im Deutschen Tischtennis-Zentrum an den Start gehen. An 40 Tischen werden fünf Wettbewerbe mit je drei Spielklassen ausgetragen. Und damit niemand nach einem Spiel ausscheidet, gibt es jeweils eine Vor- und Hauptrunde und sogar eine Trostrunde bei den Quooker PingPongParkinson German Open 2023. „Bis zum Viertelfinale dieser Trostrunde hatte ich es im vergangenen Jahr geschafft“, erinnert sich Hubert Roßkothen an seine erste Teilnahme an diesem Turnier im vergangenen Jahr in Bad Homburg. „Diesmal habe ich mir größere Ziele gesetzt!“
Der 60-Jährige weiß seit 2019, dass er an Morbus Parkinson leidet, hat über den Sport zurück ins Leben gefunden, fühlt sich wohl, wenn er sich an der Tischtennisplatte bewegen kann. „Denn die erste Zeit nach der Diagnose war nicht schön“, berichtet der Landwirt aus Stetten, Gemeinde Niedertaufkirchen.
Depressionen über lange Zeit
Er sei über einen längeren Zeitraum hinweg depressiv gewesen, erzählt Roßkothen. Vor vier Jahren habe er sich deswegen in ärztliche Obhut gegeben. Er wurde durchgecheckt, landete dabei in der Neurologie in Wasserburg, wo er die Diagnose Parkinson gestellt bekam. Die Depression sei eine der Symptome dieser Krankheit, weiß Roßkothen heute. „Ich habe anfangs geweint wie ein Schlosshund“, gibt der gestandene Landwirt mit dem festen Händedruck zu. Der behandelnde Arzt habe ihn noch aufheitern wollen: Die Krankheit sei zwar nicht heilbar, aber man werde auch nicht daran sterben. Kein Trost für Roßkothen, der sich daraufhin zurückgezogen hat.
Wortfindungsstörungen und Probleme mit der Motorik
Die Landwirtschaft wie gewohnt weiter zu betreiben, daran war nicht mehr zu denken. Das Vieh hat er deswegen aufgeben, Ackerbau betreibt Roßkothen aber nach wie vor. Aber alles eben langsamer. Im Kopf geht auch alles langsamer, sagt Roßkothen, er hat Wortfindungsstörungen, schlurft beim Gehen. „Tippelschritte!“ Die Bewegungen sind anstrengender geworden. Am schlimmsten sei die Gelenksteife. „Ich habe mich abgeschottet, den Freundeskreis vernachlässigt.“
Was Roßkothen aus seiner Zurückgezogenheit herausgeführt hat? Die Parkinson-Selbsthilfegruppe, die Petra Rebitzer seit zwei Jahren in Waldkraiburg leitet. Seit 2022 leitet sie als Stützpunktleiterin die PingPongParkinson-Gruppe beim TSV Ampfing.
Das hat Roßkothen, der als Jugendlicher schon gerne Tischtennis gespielt hat, neugierig gemacht. Und so habe er den Telefonhörer in die Hand genommen und sich erkundigt: „Bewegt Ihr Euch schon? Oder sitzt Ihr bloß beim Kaffee?“ Zugegeben etwas flapsig, wie er heute sagt. Aber der Kontakt war geknüpft.
Tischtennis verlangsamt Krankheit
„Daheim im Sessel sitzen und Trübsal blasen oder Maßnahmen, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen?“ Um diese beiden Optionen gehe es, sagt Rebitzer. „Selbst wenn es noch keine wissenschaftlichen Beweise gibt, sind sich alle Betroffenen, die es ausprobiert haben, sicher: Die fortschreitende Verschlechterung der Symptome der Parkinson-Krankheit kann durch Tischtennis als physikalische Therapie verlangsamt werden“, erklärt Rebitzer, die selbst 2014 - damals als erst 41-Jährige, die Diagnose der Parkinson-Erkrankung gestellt bekam.
Ich bin zwar nach zwei Stunden Training platt, aber voller Glückshormone.
Roßkothen hat es ausprobiert, begonnen, den Tischtennisschläger in die Hand zu nehmen und bestätigt: „Ich bin zwar nach zwei Stunden Training platt, aber voller Glückshormone. Die Entscheidung, Tischtennis zu spielen, war für mich ein guter Anker.“ Vor allem, weil er sich unter Gleichgesinnten gut aufgehoben fühlt, „wie in einer großen Familie!“ Er empfiehlt jeden, der die Diagnose erhalten hat, offen damit umzugehen. „Viele trauen sich nicht. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Raus aus den Häusern, ran an die Platte!“
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Roßkothen will zur WM
Auch wenn er sagt, dass er sich auf das Zusammengehörigkeitsgefühl und auf das Treffen lieb gewordener Freunde bei den German Open am meisten freut, hat ihn natürlich auch der sportliche Ehrgeiz gepackt: Besser als die Trostrunde im vergangenen Jahr soll es heuer dann doch laufen, wenn er neben Petra Rebitzer an die Platte geht. Zuversicht gibt ihm das Ergebnis der Weltmeisterschaft, die er im vergangenen Jahr im kroatischen Pula gespielt hat. Da schied er in der Hauptrunde erst im Achtelfinale gegen den späteren Weltmeister aus. Die WM ist auch das Ziel im September dieses Jahres, die im österreichischen Wels stattfindet.
Prominente Betroffene: Kabarettist Profitlich und Showmaster Elstner auch mit dabei
Der PingPongParkinson Deutschland e. V. ist der bundesweite Zusammenschluss von kooperierenden Vereinen und Einzelpersonen, der sich – mit dem Mittel Tischtennis – ehrenamtlich um Personen mit Parkinson und deren Angehörige kümmert. Der Verein wurde am 2. Februar 2020 – auf Initiative von Harry Wißler und Thorsten Boomhuis, zwei von Parkinson betroffenen Tischtennisspielern, gegründet. Ehrenmitglieder sind der Trainer der deutschen Nationalmannschaft Jörg Roßkopf und Nenad Bach, ein kroatisch amerikanischer Musiker und gleichzeitig der Erfinder von PingPongParkinson (PPP).
Der Mittelpunkt der Tätigkeit von PPP ist es, den Betroffenen und den Angehörigen Informationen und den gegenseitigen Austausch anzubieten. Dafür hat sich das Mittel Tischtennis als ideal herausgestellt. Das Konzept von PingPongParkinson beruht darauf, dass es Tischtennis für jedermann mit Parkinson, völlig unabhängig von den persönlichen Eignungen, also vom Anfänger bis zum Weltmeister, anbieten möchte.
Bei allem sportlichen Ehrgeiz soll am Wochenende der Spaß am Tischtennis nicht zu kurz kommen. Und dafür wird sicherlich schon ein Teilnehmer alleine sorgen: Markus Maria Profitlich. Der beliebte Kabarettist und Comedian, der seine Diagnose im April 2018 öffentlich gemacht hat, kämpft dafür, dass die Krankheit ihn nicht im Griff hat. Wie alle anderen Sportler des Events leidet auch Profitlich an der neurodegenerativen Erkrankung Morbus Parkinson und er nutzt Tischtennis ebenso als Teil seiner physikalischen Therapie. Zweimal wöchentlich spielt der 63-Jährige in einer PPP-Gruppe und merkt jedes Mal, wie gut es ihm tut. „Ich habe schon als Jugendlicher viel Tischtennis gespielt. Wenn ich jetzt an der Platte stehe, fühle ich mich, als ob ich 18 wäre“, meint Profitlich schmunzelnd. Damit ist er neben Frank Elstner der zweite Prominente, der an den German Open in Düsseldorf teilnimmt. Hier werden die Zwischenstände und Ergebnisse zu sehen sein.
