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Bürgernetzwerk in Neumarkt-St. Veit gibt nicht auf

Fachanwalt sieht Tempo 30 vor Schule und Pflegeheim „als geboten“ an

Das Schild „Gas weg Schule!“ erinnert zwar daran, dass in der Hörberinger Straße die Schule ist. Der Landkreis sieht aber keine Notwendigkeit, hier Tempo 30 anzuordnen
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Das Schild „Gas weg: Schule!“ erinnert zwar daran, dass in der Hörberinger Straße die Schule ist. Der Landkreis sieht aber keine Notwendigkeit, hier Tempo 30 anzuordnen.

Der Kampf um Tempo 30 in der Hörberinger Straße in Neumarkt-St. Veit geht in die nächste Runde: Jetzt hat sich ein Fachanwalt zu Wort gemeldet. Zu welcher Einschätzung er kommt, lesen Sie hier.

Neumarkt-St. Veit – Sie geben nicht auf: Das Ehepaar Guse hat es sich, zusammen mit dem Bürgernetzwerk Neumarkt-St. Veit, zum Ziel gesetzt, dass in der Hörberinger Straße in dem Bereich zwischen der Schule und dem Pflegeheim streckenbezogen und zeitlich begrenzt Tempo 30 eingerichtet wird. Da es sich bei der Hörberinger Straße um eine Staatsstraße handelt, kann die Stadt in diesem Bereich gar nichts machen. Zuständig ist hier das Landratsamt, das rechtlich keine Möglichkeit sieht, hier die Geschwindigkeit von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde reduzieren zu lassen.

Tempo 30 „rechtlich sogar zwingend erforderlich“

Jetzt hat das Bürgernetzwerk mit Dr. Olaf Dilling einen Fachanwalt für Verkehrsrecht hinzugezogen, um aufzuzeigen, dass „in Neumarkt-St. Veit und im Landkreis Mühldorf eindeutig nicht nach der gültigen Rechtslage gehandelt wird“. Laut dessen fachlicher Einschätzung stimmt es, dass die Beamten keinerlei Ermessensspielraum haben. Was jedoch in seinen Augen nicht stimmt ist, dass die Einführung der streckenbezogenen Geschwindigkeitsbegrenzung vor der Schule in der Hörberinger Straße rechtlich nicht möglich wäre. Dilling kommt sogar zu dem Schluss, dass Tempo 30 an dieser Stelle „rechtlich sogar zwingend erforderlich“ sei.

Der Anwalt argumentiert in seinem Schreiben, das dem OVB vorliegt, dass die Grundschule „an der Straße“ liege, da ein häufig frequentierter Nebeneingang direkt auf die Hörberinger Straße führt. Zwar gebe es zwei „Haupteingänge“, diese würden jedoch „fast ausschließlich von Schülern genutzt, die mit dem Schulbus oder von ihren Eltern über den Parkplatz an der Wintermeierstraße mit dem Auto gebracht werden“. Ein Großteil der Kinder nutze jedoch tatsächlich einen direkten Nebeneingang des Schulgeländes zur Hörberinger Straße. Dort befindet sich die Ampel und direkt daneben Stellplätze mit eingeschränktem Haltverbot, die durch Anordnung der Straßenverkehrsbehörde temporär für das Ein- und Aussteigen von Schulkindern freigehalten werden.

Kinder müssen die Hörberinger Straße überqueren

Der Bauausschuss hatte in der April-Sitzung eine Erweiterung des Bereichs mit eingeschränktem Haltverbot an der Hörberinger Straße beschlossen. Frequentiert wird dieser Zugang zum einen von Schülern, deren Eltern den fast 750 Meter längeren Weg zum großen Parkplatz scheuen und die für den Hol- und Bringverkehr temporär angeordneten Stellplätze nutzen. Zum anderen wird der Nebeneingang von den Kindern genutzt, die alleine zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule kommen. Diese Kinder müssen größtenteils die Hörberinger Straße überqueren, da die meisten Wohnviertel sich jenseits dieser Straße befinden.

Die Straßenverkehrsordnung fordert nichtsdestotrotz den Nachweis einer Gefahrenlage. Dieser ergebe sich „durch die Gefahren aus der Pulkbildung der Schüler und dem noch nicht vollständig ausgeprägten Bewusstsein für Gefahren und der mangelnden Impulskontrolle von Kindern im Grundschulalter“, argumentiert der Fachanwalt. Gerade wegen dieser schulspezifischen Gefahren habe der Gesetzgeber eine Ausnahmeregelung in der Straßenverkehrsordnung verankert. Diese sei zwar, wie das bayerische Innenministerium zurecht in einer Stellungnahme feststellt, kein Automatismus. Allerdings ist es, laut Fachanwalt, unzutreffend, dass die Gefahrenlage weiterhin aufwendig durch Unfallstatistiken oder ähnliche objektive Fakten begründet werden muss.

Gesetzgebungsmaterialien und Verwaltungsvorschrift geben Tempo 30 her

Diese Schlussfolgerung ergibt sich für ihn sowohl aus den Gesetzgebungsmaterialien zur Reform des entsprechenden Paragraphen, die auf die schulspezifischen Gefahren abstellen, als auch aus der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung. Nach der Verwaltungsvorschrift „ist“ bei Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmeregelung die Geschwindigkeit zu begrenzen, es sei denn, es liegen bestimmte Gegenausnahmen vor. Die Regelbeispiele für Gegenausnahmen, insbesondere ÖPNV und Verlagerung von Durchgangsverkehr in Nebenstraßen, seien hier jedoch weder gegeben noch wurde ihr Vorliegen vom Landratsamt oder dem Staatsministerium behauptet.

„Angesichts der konkreten örtlichen Gegebenheiten und erheblichen Gefahren, die dadurch für die Grundschulkinder ausgehen, erscheint die Anordnung entsprechender verkehrsberuhigender Maßnahmen wie Tempo 30 unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr nicht nur rechtlich möglich, sondern im Gegenteil zwingend erforderlich. Denn angesichts der Wertigkeit der dabei gefährdeten Rechtsgüter und des hohen Risikos eines Schadensereignisses ist das Ermessen der Straßenverkehrsbehörde auf null reduziert“, lautet die Schlussfolgerung des Anwaltes.

Er sieht darüber hinaus sogar eine Situation, die eine qualifizierte Gefahrenlage begründen würde. Diese ergibt sich für ihn zum einen aus dem hohen Querungsbedarf der Schüler. Obwohl eine Ampel vorhanden ist, queren viele Schüler auch an anderen Stellen die Straße, die in dem betreffenden Abschnitt kurvig, relativ eng und durch Verbauung unübersichtlich sei. Wie bereits die Familie Guse argumentiert auch der Fachanwalt mit der Gehwegbreite auf der gegenüberliegenden Seite. Sie sei mit 1,5 Meter so schmal, dass die Benutzung, insbesondere im Überhol- und Begegnungsverkehr, mit Kinderrädern, Kinderwagen oder Rollstühlen kaum gefahrlos möglich ist. Die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen sehe aber eine Breite von 1,8 Metern zuzüglich Sicherheitszonen vor. Auf der anderen Straßenseite befindet sich neben dem Gehweg ein Fahrradweg, der in unmittelbarer Nähe der Schule an der Einmündung der Johannesstraße endet, sodass Fahrradfahrer die Fahrbahn benutzen müssen.

Die Fahrbahn wird weiterhin stark von Schwerlastverkehr frequentiert. Aufgrund der schmalen Fahrstreifen, die lediglich die Mindestbreite von 3,05 Metern aufweisen, sei im Begegnungsverkehr ein Ausweichen beziehungsweise ein angemessener Abstand vom schmalen Gehweg kaum möglich.

Zusammenfassend kommt Dr. Olaf Dilling zu dem Schluss, dass „eine Geschwindigkeitsbegrenzung zwingend erforderlich ist, um die Gefahren von schweren Unfällen mit Schulkindern auszuschließen“.

Landratsamt bleibt bei seiner Linie

Das Landratsamt argumentiert, dass das Schreiben des Fachanwalts, auch wenn es an das Landratsamt adressiert ist, eine „Stellungnahme im Rahmen des Petitionsverfahrens ist“ und sich daher „nicht an das Landratsamt, sondern an den Petitionsausschuss des bayerischen Landtages“ richtet. Daher ergeben sich für das Landratsamt auch „inhaltlich keine Änderungen gegenüber unseren bisherigen Stellungnahmen zu dem Thema“.

Von der Presseabteilung des bayerischen Landtages war zu erfahren, dass die „Petenten um eine Fortsetzung der Behandlung am 11. Juli gebeten haben“. Die Pressereferentin teilte auch mit, dass „noch eigene Gutachten“ der Petenten gekommen seien.

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