Bürgermeister im Sommerinterview
„Alles da, was man braucht“: Erwin Baumgartner über Gegenwart und Zukunft von Neumarkt-Sankt Veit
Neumarkt-Sankt Veit – Seit 20 Jahren ist Erwin Baumgartner Bürgermeister der Stadt Neumarkt-Sankt Veit. Im Sommerinterview spricht er über seinen Spitznamen, blickt zurück auf die Entwicklung in Neumarkt-Sankt Veit und wagt einen Blick in die Zukunft.
Bei der Unabhängigen Wählergemeinschaft haben sie den Spitznamen „Bob der Baumeister“. Ist das ein Lob für sie?
Erwin Baumgartner: Im ersten Wahlkampf zum Bürgermeisteramt wurde gemutmaßt, ich sei von Berufs wegen nur ein Verwalter, ein Bürgermeister sollte aber mehr gestalten. Diese Meinung war schon ein Ansporn für mich.
Sehen sie sich als Verwalter oder als Gestalter?
Baumgartner: Das ist ganz einfach: Nur wer verwalten kann, kann auch gestalten. Besonders wichtig ist es, die rechtlichen Grundlagen und die Behördenstrukturen zu kennen. Das spart oftmals Zeit und Geld, die man ins Gestalten investieren kann.
Woher haben sie denn ihre Informationen?
Baumgartner: Ich habe die Rathausarbeit von der Pike auf gelernt. Vom Lehrling bis zum Firmenchef sozusagen. Im übernächsten Jahr feiere ich mein 50-jähriges Dienstjubiläum.
Der UWG-Vorsitzende Peter Hobmaier sagt, sie haben vieles in die Wege geleitet, was Sie sich auf ihre To-do-Liste geschrieben haben. Was ist das denn beispielsweise?
Baumgartner: Da fällt mir als erstes natürlich die Spange ein, damit konnte das Nadelöhr Grubereck wegfallen. Diese Spange wurde dann 2006 fertiggestellt. Zwei Jahre später kam dann die Straßenunterführung der Bahn an der Landshuter Straße und im Dezember 2012 wurde die Umgehungsstraße eingeweiht - was vermutlich niemand mehr erwartet hätte. Schließlich gab es die ersten Planungen dazu schon 1936 - also waren 76 Jahre Planungs- und Bauzeit notwendig, um Neumarkt-Sankt Veit vom Schwerverkehr zu entlasten.
Die Stadt Neumarkt-St. Veit wächst kontinuierlich. Ist man auf mehr Bürger vorbereitet?
Baumgartner: Ja sind wir. In den vergangenen Jahren haben wir zahlreiche Wohnbauflächen ausgewiesen. Dabei ist festzustellen, dass sich die Anforderungen gewandelt haben. Waren es früher in erster Linie Eigenheime, für die wir Baugebiete ausgewiesen haben, so sind jetzt auch oftmals Mietwohnungen gefragt.
Wie weit soll das Wachstum der Stadt denn gehen?
Baumgartner: Unser Ziel ist es, dass Neumarkt-St. Veit organisch und harmonisch wächst. Große Sprünge in der Einwohnerzahl sind nicht wünschenswert. Wir wollen schließlich nicht, dass Neumarkt sich zu einer Schlafstadt entwickelt.
Wachstum heißt auch, dass Familien mit Kindern nach Neumarkt-St. Veit kommen. Wie schaut es in Sachen Kinderbetreuung aus?
Baumgartner: Wir haben einiges für die Kinderbetreuung getan. Mit der neuen Kindertagesstätte Rottalzwerge haben wir jetzt drei Kitas sowie einen Kinder-Hort. Aber auch unsre Schulen sind saniert und bieten beste Unterrichtsmöglichkeiten.
Wie schaut es mit Verkehrsverbindungen aus?
Baumgartner: Als ich das Bürgermeisteramt angetreten habe, ist auch der Radwegebau dazugekommen. Vorher hat es so gut wie keine derartigen Verbindungen gegeben.
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Und wie schaut es heute aus?
Baumgartner: Es gibt jetzt einen Radweg bis Lohkirchen, den Radweg nach Teising und natürlich auch den Radweg bis nach Egglkofen. Dieser soll auf Betreiben unserer VG-Mitgliedsgemeinde noch weiter bis nach Niederbayern verlängert werden. Wir konnten aber leider nicht alle Radverbindungen, die wir gerne hätten, auch umsetzen.Aber im Großen und Ganzen brauchen wir uns nicht zu verstecken.
Wie würden sie für einen Neubürger Neumarkt-St. Veit beschreiben?
Baumgartner: Es ist alles da, was man braucht: Kinderbetreuung, Verkehrsanbindungen, Schulen, viele Sport- und Freizeitmöglichkeiten, ein schönes Freibad, zahlreiche Kulturangebote, verschiedenste Vereine und beste Einkaufsmöglichkeiten.
Was würden Sie einem Neubürger empfehlen?
Baumgartner: Dass er versuchen soll, sich auch in das gesellschaftliche Leben unserer Stadt zu integrieren. Die zahlreichen Vereine bieten beste Anschlussmöglichkeiten.
Wie schaut es mit Gewerbeflächen aus?
Baumgartner: Wir haben erst vor kurzem fast 10.000 Quadratmeter erschlossenes Gewerbeland erworben. Weitere Flächen möchten wir erwerben, ist aber nicht immer ganz einfach. Das liegt auch an der Topografie mit dem hügeligen Gelände rund um Neumarkt. Die wenigen geraden Flächen liegen oftmals im Hochwassergebiet. Prinzipiell haben wir häufig Anfragen von Märkten, die auf der grünen Wiese bauen wollen. Doch wir achten darauf, dass die Innenstadt nicht beeinträchtigt wird. Dennoch bemühen wir uns natürlich, Gewerbebetriebe nach Neumarkt zu holen, damit werden schließlich Arbeitsplätze geschaffen und die Gewerbesteuer können wir auch ganz gut gebrauchen. Mit dem begonnenen Neubau des Raiffeisenlagerhauses haben wir Neumarkt als Standort für die landwirtschaftlichen Betriebe stärken können.
Die größte Baustelle ist derzeit der Stadtplatz. Haben Sie bei der Planung mit so viel Widerstand gerechnet?
Baumgartner: Ehrlich gesagt, Nein. Rückblickend kann ich sagen, dass das schon ein „steiniger Weg“ war. Wir hatten uns im Lauf der Sanierung mit verschiedensten Eingaben und Beschwerden, einem Bürgerentscheid und bisher drei Petitionen sowie jetzt dem Besuch des Wissenschaftsausschusses des bayerischen Landtags auseinanderzusetzen. Auch wenn wir durch den Bürgerentscheid ein Jahr verloren haben, sind wir jetzt auf einem guten Weg. Ich hoffe, dass wir unser Ziel erreichen, bis Ende dieses Jahres alle Flächen des Stadtplatzes nutzbar zu machen. Was mich aber immer mehr in der Richtigkeit unserer Entscheidungen bestärkt, sind die Rückmeldungen aus den verschiedensten Teilen unserer Bevölkerung, die sich alle sehr positiv zu dem neuen Erscheinungsbild unseres Zentrums äußern.
Derzeit ist die Energieversorgung in aller Munde. Wie ist die Stadt hier aufgestellt?
Baumgartner: Hier haben die Stadt und vor allem viele Bürger in der Vergangenheit schon viele Dinge richtig gemacht. Wir produzieren beispielsweise bereits mehr regenerative Energie, als wir verbrauchen. Zudem prüfen wir bei allen städtischen Liegenschaften, wie wir Energie einsparen können. Wir waren auch als einzige Gemeinde des Landkreises beim „Energieeffizienz-Netzwerk Südbayern“ dabei und haben hier sehr viele Informationen mitnehmen können. Das kommt uns jetzt zugute und wir sparen bei unseren Gebäuden und bei der Straßenbeleuchtung enorm viel Energie.
Gibt es Chancen in Sachen Stadtentwicklung, die vertan worden sind?
Baumgartner: Da fällt mir der Kulturbahnhof ein. Den haben wir nicht so ausgebaut, wie wir ihn jetzt brauchen würden. Damals gab es noch Gastronomie mit großen Sälen. Wir wollten keine Konkurrenz dazu aufbauen. Doch jetzt fehlt uns beispielsweise ein Saal mit Bühne im Ortskern mit entsprechender Technik!
Wie sehen Sie ihre persönliche Zukunft?
Baumgartner: Ich bin noch für vier Jahre als Bürgermeister gewählt und so lange möchte ich diese Aufgabe auch erfüllen. Dann würde ich gerne mein Wissen in die Archiv- und Geschichtsarbeit unserer Stadt einbringen.