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Nächtlicher Bann in Neumarkt-St. Veit

Glockenfreunde in Neumarkt melden sich zu Wort: Unverständnis über Forderung nach nächtlicher Ruhe

Besserer Schlaf contra Wegfall von Tradition: Birgit Frenzel, Ulrich Geltinger, Egbert Windhager und Hubert Liebl (im Uhrzeigersinn) sind nicht alle einer Meinung, was den nächtlichen Glockenschlag betrifft.
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Besserer Schlaf contra Wegfall von Tradition: Hubert Liebl, Birgit Frenzel, Ulrich Geltinger und Egbert Windhager (von links oben im Uhrzeigersinn) sind nicht alle einer Meinung, was den Wegfall des nächtlichen Glockenschlags betrifft.

Der Bimmel-Bann von Neumarkt-St. Veit hat die Freunde der Kirchenglocken auf den Plan gerufen. So sehen sie das Verbot des nächtlichen Schlags der Kirchenuhr. Und so ist die Situation in anderen Städten und Gemeinden.

Neumarkt-St. Veit/Mühldorf/Ampfing/Buchbach – Rund um den Stadtplatz in Neumarkt-St. Veit rumort es, seit bekannt geworden ist, dass der Glockenschlag der Turmuhr von St. Johann nachts nicht mehr zu hören ist. Beschwerden hatten für die Stilllegung gesorgt.

Den Bäckermeister Egbert Windhager macht das wütend: „Ich habe 50 Jahre lang neben dem Kirchturm gewohnt, 50 Meter Luftlinie entfernt. Mich hat das Läuten noch nie gestört. Ich muss mich aber total darüber aufregen, dass es das jetzt offensichtlich bei anderen der Fall ist.“ Eine Eisenbahn werde ja auch nicht verlegt, nur weil sich davon jemand plötzlich gestört fühle. „Wenn ich sonntags mal nicht gearbeitet habe, dann habe ich das Läuten in der Nacht überhaupt nicht wahrgenommen.“ Was für ihn Fragen aufwirft: „Dass die Kirche da gleich so einlenkt und klein beigibt!“

Ohne Glockenschlag fehlt was

Birgit Frenzel, die zusammen mit ihrem Mann Werner das Elektrogeschäft im Schatten des Kirchturms von St. Johann betreibt, kann die Kritik am Glockenschlag nicht verstehen. „Man ist es so gewohnt. Irgendwann hört man es nicht mehr, nimmt man den Glockenschlag nicht mehr bewusst wahr.“ Klar seien die Kirchenglocken im Sommer lauter zu hören, weil die Fenster offen sind. „Aber uns stört das auch nicht!“

Sie bestimmt den Johannesplatz im Herzen des Neumarkter Stadtplatzes: die Filialkirche St. Johann Baptist. An der Stelle der Johanneskirche ist bereits im Jahr 788 ein Kirchenbau mit umgebendem Friedhof nachgewiesen. Das heutige Gotteshaus ist ein spätgotischer Nachfolgebau dieser Kirche, der 1454 von Neumarkter Bürgern gestiftet wurde. Bis jetzt hat sich niemand an den Glockenschlägen gestört.

Das Gegenteil sei der Fall: Wenn die Glocken verstummen würden, dann würde was fehlen. „Ich würde was vermissen.“ Durch die Taktung sei eigentlich keine Uhr nötig, um zu wissen, wie viel die Stunde geschlagen habe. „Einen Zug hört man ja auch in der Nacht, wenn es die Windrichtung zulässt, sogar bis zu uns!“

Hubert Liebl wohnt seit seiner Geburt gegenüber der Johanneskirche. Immerhin sind das schon 75 Jahre. „Für mich gehört das zum täglichen Leben dazu!“ Es sei nicht richtig, wenn einzelne Personen, noch dazu, wenn sie neu hierhergezogen seien, sich nicht an die örtlichen Gepflogenheiten halten könnten. „Die Traditionen sollen bleiben!“, fordert er. Er versteht nicht, wie zwei, drei Schläge in der Nacht als störend empfunden werden und das dann auch noch so hochkocht. „Ich habe zwei Jahre lang in der Werkssiedlung gewohnt, hab dort den Zug gehört. Und der hat mich auch nicht gestört!“

„Ich schlafe wesentlich besser ohne den Glockenschlag“, sagt hingegen Ulrich Geltinger, Inhaber der Johannes-Apotheke, der auch am Stadtplatz wohnt. Er sei sich darüber bewusst, dass dies ein sehr emotionales Thema ist. „Aber da gibt es eben welche, die sind dafür und welche, die sind dagegen.“ Dass die Pfarrei den Uhrschlag in der Nacht abgeschafft hat, hält er für eine gute Sache und einen guten Kompromiss für alle.

„Extremer Fall“ in der Kreisstadt Mühldorf

Wenn es im Landkreis zu Glockenpausen kommt, dann nach Beschwerden von Anwohnern. Das sagt Christian Nieberle. Er ist Verwaltungsleiter im Pfarrverband Ampfing und hat vorher schon Kirchengemeinden in Buchbach und Mühldorf betreut. In der Kreisstadt gab es nach seinen Angaben einen Nachbarn der Kirche St. Nikolaus, der gegen den Glockenschlag in der Nacht vorgegangen sei. Es habe immer wieder neue Rechtsdrohungen gegeben, Nieberle spricht von „einem extremen Fall“.

Pfarrei will juristischen Streitereien aus dem Weg gehen

Ein Gutachten, das die Stadtkirche Mühldorf in Auftrag gegeben habe, sei eindeutig gewesen: „Es war nicht zu laut, keine Ruhestörung.“ Trotzdem sei der Glockenschlag jetzt nachts ausgeschaltet, die Pfarrei wollte juristischen Streitereien aus dem Weg gehen.

Nieberle betont aber: „Das ist einzigartig.“ Weder in den übrigen Pfarreien der Stadtkirche noch in den Pfarrverbänden Buchbach oder Ampfing habe es Beschwerden gegeben.

Trotzdem gibt es viele unterschiedliche Glockenzeiten. In der Stadtkirche Mühldorf herrscht nach Angaben der Verwaltung nachts weitgehend Ruhe, die Glocken und der Uhrschlag verstummen um 22 Uhr und beginnen erst wieder mit dem Gebetsläuten um 6 oder um 7 Uhr. Ausnahme sind die Dörfer Mettenheim und Mößling: Die Turmuhr von St. Michael und die der Kirche Mariae Himmelfahrt schlagen auch nachts die Viertelstunden. Beschwerden, heißt es von der Stadtkirche, gab es dort noch nie.

Nachts Stille, weil es immer so war

„Die unterschiedlichen Regelungen kommen aus der jeweiligen Tradition der Pfarreien“, begründet Pfarrmitarbeiterin Kornelia Schneider. Das bestätigt Christian Nieberle. Auch in seinem Pfarrverband herrscht nachts in manchen Kirchen Stille, weil es schon immer so war.

Im Pfarrverband von Neumarkt-St. Veit, der bis Lohkirchen, Oberbergkirchen, Schönberg und Haunzenbergersöll im Westen sowie bis Niedertaufkirchen und Niederbergkirchen im Süden reicht, ist die Marktkirche von Neumarkt-St. Veit jetzt das einzige Gotteshaus, dessen Glockenschlag reglementiert ist.

Nachts nicht lauter als 20 Dezibel

Das Läuten von Kirchenglocken darf laut Bussgeldkatalog.net den Maximalwert von 30 Dezibel (dB) nicht überschreiten, nachts reduziert sich dieser Wert auf 20 dB. Das Zeitschlagen durch die Kirchenglocken hat nach der Rechtsprechung anders als das Glockengeläut zu Gottesdiensten oder Gebetszeiten keinen sakralen Charakter. Bei der Beurteilung, ob das Läuten der Kirchenglocken eine erhebliche Lärmbelästigung darstellt, ist auf die Lautstärke und „Lästigkeit des Einzelgeräuschs“ abzustellen.

Gegen Gebetsläuten ist also schwerer vorzugehen, als gegen die Glockenschläge für die Uhrzeit. Allerdings kann auch hier von den Anwohnern unter Umständen eine erhöhte Toleranz gefordert werden, etwa dann, wenn das Zeitläuten seit Jahrzehnten am Ort üblich war, ohne dass es bisher zu Klagen oder Beschwerden kam.

Was meint der Stadtrat?

Die Stadt Neumarkt-St. Veit kann eigentlich gegen die Entscheidung der Kirchenverwaltung nichts tun. Dennoch beschäftigt sich der Stadtrat von Neumarkt-St. Veit in seiner nächsten Sitzung am Donnerstag, 20. Februar, mit der „Einschränkung der Glockenzeichen bei der Kirche St. Johann“. Die Sitzung im Sitzungssaal des Rathauses im Schloss Adlstein beginnt um 18.30 Uhr.

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