Unterschiedliche Sichtweisen
Kinder und Senioren schützen: Bürgernetzwerk will mehr Tempo 30 in Neumarkt-St. Veit
Kommunen können seit Juni leichter Tempo 30 anordnen: Die Stadt Neumarkt-St. Veit und das Bürgernetzwerk haben allerdings unterschiedliche Sichtweisen, was machbar ist und was nicht.
Neumarkt-St. Veit – Dank seiner Hartnäckigkeit hat es das Bürgernetzwerk Neumarkt-St. Veit geschafft, dass in der Hörberinger Straße vor der Schule Tempo 30 angeordnet wird. Natürlich hat dem Bürgernetzwerk in die Karten gespielt, dass die Straßenverkehrsordnung im Juni in Sachen Tempo 30 geändert wurde. Obwohl die bayerische Staatsregierung gegen den Kompromiss stimmte, der vorher im Vermittlungsausschuss ausgehandelt worden ist, haben nun auch bayerische Kommunen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, leichter Tempo 30 anzuordnen.
Schwächere Verkehrsteilnehmer müssen besser geschützt werden
Diesen Flow möchte das Bürgernetzwerk nutzen und beantragt, dass bei weiteren Straßen in Neumarkt-St. Veit Tempo 30 eingeführt werden soll. „Unser Ansinnen ist es, die schwächeren Verkehrsteilnehmer besser zu schützen“, sagt das Ehepaar Eva und Christian Guse.
Ein Hauptaugenmerk wollen die Guses auf die Birkenstraße legen. Da es sich bei der ehemaligen Kreisstraße um eine Durchgangsstraße handelt, ist ein durchgehendes Tempo 30 nicht möglich, doch ein streckenbezogenes Tempo 30 an so neuralgischen Punkten wie beispielsweise auf Höhe der Einmayrstraße mit der Bocciabahn und der Bücherei „wäre schon ein Fortschritt“. Schließlich heißt es in der geänderten Straßenverkehrsordnung, dass „Tempo 30 auf Hauptstraßen jetzt auch vor Spielplätzen und an hochfrequentierten Schulwegen möglich ist“. Und die Einmayrstraße ist der Schulweg von zahlreichen Schülern.
„Am Sonntagnachmittag fuhr eine Familie mit zwei kleinen Kindern in der Einmayrstrasse mit dem Fahrrad in Richtung Freibad. Obwohl der Vater ‚Stopp‘ rief, fuhr das kleinere Kind einfach über die Straße. Falls hier ein Auto mit 50 Kilometer pro Stunde gekommen wäre, das möchte ich mir nicht ausmalen“, erinnert sich Eva Guse an einen Schreckmoment, der glimpflich verlaufen ist.
Im Bereich Birkenstraße, Einmayrstraße und Badweg ist zudem der Zugang zum Rottweg sowie zum Neumarkt Freibad. Sowohl die Einmayrstraße als auch die parallel verlaufende Peter-Hans-Straße haben keinen Bürgersteig, was sie für Fußgänger und jüngere Radfahrer noch einmal ein Stück gefährlicher macht. In der Peter-Hans-Straße befindet sich ein Getränkemarkt mit Postfiliale, in der Einmayrstraße ein relativ neues Gebäude zum Wohnen für Senioren und eines für die Tagesbetreuung. Das bedeutet, dass es hier „erhöhten Querungsbedarf gibt“, sagt Christian Guse.
Für Tempo 30 ist eine Verkehrszählung notwendig
Deshalb erneuert das Bürgernetzwerk seine Forderung, auch für die Peter-Hans-Straße, Einmayrstraße, Herbst- und Sommerstraße sowie Am-Ackermann-Gütl Tempo 30 anzuordnen. Mit diesen Straßen hat sich der Bau- und Umweltausschuss bereits beschäftigt. Er kam aber zu dem Schluss, dass hier Tempo 30 nicht möglich ist.
Trotzdem war der Ausschuss dagegen, da diese Straßen aus verkehrsrechtlicher Sicht und wegen der Ortsverhältnisse in einem Mischgebiet liegen beziehungsweise kurze Stichstraßen sind. Bürgermeister Erwin Baumgartner ergänzte in der Sitzung, dass wegen des Querschnitts beziehungsweise der Breite der Straße Tempo 30 nicht angeordnet werden könne. Um hier Tempo 30 durchzusetzen, müsste der Bedarf extra überprüft werden. Dazu sei aber zwingend notwendig, vorher eine Verkehrszählung durchzuführen.
Unterschiedliche Bewertungen von Formulierungen
Damit wollte sich das Bürgernetzwerk nicht zufriedengeben. Deshalb wandte sich Eva Guse an den Verein „FUSS“. Der Verein sieht sich als Fachverband, der die Interessen der Fußgänger in Deutschland vertritt und dabei Bürger, Verwaltung und Politik berät und vernetzt.
Roland Stimpel aus der Vorstandschaft von FUSS schreibt, dass der Begriff „Mischgebiet“ ein Begriff aus der Baunutzungsverordnung sei, die Straßenverkehrsordnung diesen Begriff aber nicht kenne. Auch die Kategorie „Durchgangsstraße“ gebe es in der Straßenverkehrsordnung nicht. Der Ingenieur für Stadt- und Regionalplanung sagt zudem, dass die Straßenverkehrsordnung bei den Voraussetzungen für eine Tempo-30-Zone nirgends etwas über Breite und Querschnitt der Straße aussage. Sein Fazit: „Es ist für uns nichts erkennbar, was die Verkehrsbehörde an der Einrichtung einer Tempo-30-Zone rechtlich hindern sollte“.