Seit 50 Jahren im Neumarkter Rathaus
Vom Azubi zum Bürgermeister: Erwin Baumgartners goldenes Dienstjubiläum im Neumarkter Rathaus
Den Ort für seine Ausbildung hat er sich selbst ausgesucht. Ins Bürgermeister-Amt haben ihn später Neumarkts Bürger gebracht. Seit 50 Jahren hat Erwin Baumgartner seinen Arbeitsplatz im Neumarkter Rathaus. Ein Rückblick vom Atom-Alarm und dem ersten Faxgerät bis zur Kritik an der Stadtplatzsanierung.
Neumarkt-St. Veit – Der 2. September wird heuer ein ganz besonderer Tag für Erwin Baumgartner. Dann wird es genau 50 Jahre her sein, dass er seinen ersten Arbeitstag im Neumarkter Rathaus hatte. Als Azubi hat er 1974 begonnen, seit 2002 ist der heute 66-Jährige Bürgermeister. Und er hat einiges zu erzählen.
„Um 8 Uhr war Dienstbeginn. Mich haben sie ins Einwohnermeldeamt gesetzt, an einen ziemlich hohen Schreibtisch, mit einem Holzstuhl und einer elektrischen Schreibmaschine. Die einzige im Rathaus, und die hab ich bekommen! Es gab auch noch eine rote IBM mit Korrekturband, die war allerdings für die Sitzungsniederschriften bestimmt!“ Erwin Baumgartner muss nicht lange nachdenken, wenn er seinen ersten Arbeitstag im September 1974 beschreibt. Damals noch im heute als „Altes Rathaus“ bezeichneten Gebäude am Stadtplatz.
Große Freude über das erste Faxgerät
Seine erste Aufgabe damals: „Straßenlisten schreiben, mit bis zu fünf Durchschlägen!“ Baumgartner lacht. „Ich habe immer wieder neu anfangen müssen, weil bei den Durchschreibesätzen konnte man ja nichts korrigieren, mit dem Blau-Papier, da landete vieles im Papierkorb!“
Das hat sich in all den Jahren geändert. In den 50 Jahren, in denen Erwin Baumgartner im Rathaus beschäftigt ist – erst als Auszubildender, dann im Einwohnermeldeamt, im Bauamt, im Ordnungsamt und seit 2002 als Bürgermeister – ist die Welt nicht stehen geblieben. Wie groß war die Freude, als das erste Faxgerät ins Rathaus kam.
In den 70er Jahren gab es im Rathaus nur zwei Telefonnummern
Die erste EDV kam 1984, alles wurde digitaler und die Arbeit einfacher. Der große technische Umbruch ging mit dem Umzug ins neue Rathaus Schloss Adlstein 2001 einher. „In den 70er Jahren gab es im Rathaus zwei Telefonnummern. Die des Bürgermeisters und die der Verwaltung, da wurde weiterverbunden!“ Jetzt habe jeder eine Durchwahl.
„Ich selbst habe noch gelernt, Ausweise zu schreiben – mit dem Füller! Eine Mammutaufgabe!“ Baumgartner kam ins Standesamt, registrierte die Geburten im damals noch existierenden Neumarkter Krankenhaus. „Urkunden schreiben, Stammbuch vorbereiten, Hochzeiten und Sterbefälle. „Danach immer das obligatorische Schlusszeichen, damit niemand etwas hinzufügen konnte! Und ja kein Tippfehler – die durften nicht ausgebessert werden, sondern alles wieder von vorne neu“ So sah die, damals noch analoge, Dokumentations- und Ausweisarbeit im Rathaus aus.
Auch an das „graue Kasterl“ kann er sich gut erinnern. „Das war hinter mir an der Wand montiert. Einmal im Monat hat es in einem penetranten Pfeifton auf sich aufmerksam zu machen.“ Danach hieß es: „Warnamt 10! Warnamt 10!“ Dann kamen Durchsagen. Testläufe, um den Ernstfall zu proben, „wenn etwa ein Atomkrieg bevorstünde“.
Wenn er zurückdenkt an die 70er, „habe ich eigentlich nur noch Schwarz und Weiß im Kopf. Und eine rote Schreibmaschine“, sagt Baumgartner. Dunkle Anzüge, viele mit Krawatte. Heute sei alles viel bunter. Man sei weg von der 42-Stunden-Woche. Waren es damals im Rathaus noch zwei Damen bei acht männlichen Angestellten, ist das Verhältnis mittlerweile ausgewogen.
„Verwalten kann ich schon, ich kann gleich mit dem Gestalten beginnen!“
Von den frühen 80er Jahren bis 2002 war Baumgartner Leiter des Standesamtes und der allgemeinen Verwaltung. „Dann bin ich Bürgermeister geworden!“
Die Kompetenz aus der langen Zeit im Rathaus war sein Slogan im Wahlkampf: „Verwalten kann ich schon, ich kann gleich mit dem Gestalten beginnen!“ Die größten Herausforderungen damals: die Umgehungsspange der Staatsstraße, die Unterführung an der damaligen B299 und die Umgehungsstraße, mit der niemand gerechnet habe.
Kleiner Bürgermeister in der großen Stadt
Bei der Spange hätten die Grundstückseigentümer nur auf den neuen Bürgermeister gewartet. „Am Rosenmontag 2003 hatte ich die Grundstücke unter Dach und Fach.“. Der damalige CSU-Landtagsabgeordnete Marcel Huber habe tatkräftig zur Seite gestanden, wie auch bei der Eisenbahnunterführung. Und bei der Umgehungsstraße habe Baumgartner einfach alle politischen Mandatsträger in Berlin ins Boot geholt, um die Straße in den vordringlichen Bedarf zu bringen. Nicht ohne Stolz sagt er heute: „Es war schon schön zu sehen, dass da ein Bürgermeister aus einer bayerischen Kleinstadt in Berlin gehört wird!“
Es war natürlich nicht alles Gold, was glänzt. Kritik habe zu Beginn seiner Amtszeit an ihm genagt, sagt Baumgartner. Aber im Laufe der Jahre sei ein dickes Fell gewachsen. „Man lässt das Ganze sacken, schläft eine Nacht drüber. Und am nächsten Tag sieht man die Sache mit mehr Gelassenheit!“
Schaflose Nächte wegen der Stadtplatzsanierung
Die Diskussionen um die Stadtplatzsanierung habe ihm dennoch so manche schlaflose Nacht beschert. Als „nervig“ bezeichnet er Dienstaufsichtsbeschwerden und ein Klageverfahren gegen ihn. Sie seien alle ins Leere gelaufen. In diesem Zusammenhang kommt ihm eine Redewendung in den Sinn, die ihm der damalige Bürgermeister August Spirkl mit auf dem Weg gegeben habe: „Baamgartner“, so habe ihn der damalige Bürgermeister immer genannt, „merk Dir oans: Da herinnen nicht ärgern, bloß wundern!“
An seinem ersten Arbeitstag 1974 war eine Namenstagsfeier von eben diesem August Spirkl, „und am Tag darauf war Tag der guten Nachbarschaft im Mühldorfer Volksfest!“ Das ist auch in diesem Jahr wieder der Fall. 50 Jahre nach Dienstantritt geht der Erwin aber nicht mehr als Lehrbub mit, sondern als Chef seines Rathauses. Wie lange er das noch bleiben will? Auf jeden Fall bis zur Kommunalwahl 2026. Was danach kommt, da lässt sich Baumgartner nicht in die Karten schauen. Eine Entscheidung darüber, ob er nochmal antreten wird, will er erst 2025 treffen.
