Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Nicht ganz unumstrittene Tierhaltung

Hühner-Hype: Stadtbewohner entdecken die Freude am eigenen Ei – Doch was sagen Tierschützer?

Anna Hertl – eine glückliche und fürsorgliche Hühnermama. Die Erfahrung zeigt, dass es auch schlechte Hühnerhalter gibt.
+
Anna Hertl – eine glückliche und fürsorgliche Hühnermama. Die Erfahrung zeigt, dass es auch schlechte Hühnerhalter gibt.

Hühner halten in der Stadt: Der Trend hat längst auch Mühldorf erreicht, wie ein Besuch bei einer Familie zeigt. Doch für einige ist das nicht ganz unumstritten. Tierschützer haben klare Forderungen an die Hühnerhalter – auch, weil es schon unschöne Vorfälle gab.

Mühldorf – Teresa, Helga, Berta, Emma, Biene, Tappsi, Frau Honig und Punkti genießen ihre Sandbäder, lieben ihren großen Garten mit seinen schattigen Plätzen und ziehen sich am Abend in ihr Eigenheim zurück. Zur Belohnung gibt es von den älteren Damen etwa alle ein bis zwei Tage ein frisches Ei.

Hühner brauchen Auslauf

Bei der hübschen bunten Truppe handelt es sich um die Hühner der Familie Hertl aus Mühldorf. Seit Mai 2023 hält die Familie Hühner auf ihrem Grundstück am Rand der Stadt. Die Hertls leben in einem Einfamilienhaus mit großem Garten, sie dürfen auch das angrenzende unbebaute Grundstück nutzen. Der perfekte Platz für die Hühnerhaltung, denn die Tiere bräuchten viel Auslauf, weiß Anna Hertl.

Auf das Huhn kam die Familie durch Bekannte, die selbst Hühner halten. „Ich fand das toll. Mir ist es wichtig, zu wissen, wo meine Nahrung herkommt. Jetzt haben wir die Bio-Eier selbst immer ganz frisch im Nest“, sagt Anna Hertl, die als Naturheilpraktikerin arbeitet.

Alte Rassen im Garten

Ihr Wissen um das Federvieh ist groß. „Wir haben keine Hochleistungshühner, sondern uns bewusst alte Rassen zugelegt.“ Sie laut Hertl zwar weniger Eier, seien dafür aber nicht nach zwei Jahren komplett ausgelaugt, wie Hühner in Legebatterien. „Unsere Hühner leben gesünder und selbst wenn sie irgendwann einmal keine Eier mehr legen, werden wir sie deshalb nicht schlachten. Unsere Tiere sterben einmal an Altersschwäche.“

Auf dem Grundstück der Hertls leben vier verschiedene Rassen, darunter Maran, die schokobraune Eier legen, und Araucana, deren Eier türkisfarben sind. Durch die unterschiedlichen Rassen sieht man, welche Henne, welches Ei gelegt hat.

Die Hühner in Hertls Garten haben sehr viel Auslauf.

Die Hertls sind Teil eines Trends, der die Staatsregierung dazu veranlasst hat, einen Leitfaden für die Hühnerhaltung im eigenen Garten herauszugeben. Denn Fachleute sehen den Trend nicht nur mit Begeisterung.

Christina Hörl, Vorsitzende des Tierschutzvereins in den Landkreisen Altötting und Mühldorf und selbst Hobbyhühnerhalterin, fürchtet vor allem, dass Hobbyhühnerhalter schnell die Lust an ihren Tieren verlieren. „Wenn man beschließt, Hühner zu sich zu holen, muss einem klar sein, dass man sich um sie genauso kümmern muss, wie um jedes andere Tier auch“, sagt Hörl. „Da macht es keinen Unterschied, ob es ein Hund, eine Katze, ein Hamster, Fische, ein Huhn oder sonst ein Tier ist.“ Hühnerhaltung werde von vielen unterschätzt, denn je nach Rasse könne es zu Lärmbelästigungen kommen und das nicht nur durch Hähne, sondern auch durch Hennen.

Auch um Hühner muss man sich kümmern

Hörl berichtet davon, dass ein Unbekannter im Januar bei neun Grad unter Null mehrere Hähne in Neuötting ausgesetzt habe, einen Monat später seien in Schwindegg in der Nähe der Autobahn ebenfalls bei eisiger Kälte Hennen gefunden worden. „Die Tiere waren in einem katastrophalen Zustand. Sie waren schwer krank und hatten Erfrierungserscheinungen“, sagt Hörl. „Wir mussten schauen, dass wir die armen Tiere an privaten Pflegestellen unterbringen, denn das Tierheim nimmt grundsätzlich keine Hühner und Hähne auf.“

Die Hürden für die Hühnerhaltung im eigenen Garten sind niedrig, wichtig ist es, vorab bei der Stadt oder Gemeinde nachzufragen. Laut Bayerischer Bauordnung ist Hühnerhaltung nämlich nicht überall erlaubt. Steht der Hühnerhaltung nichts entgegen, muss die Haltung dem zuständigen Veterinäramt und der Tierseuchenkasse gemeldet werden. Auch ein Tierarzt muss da sein, denn selbst bei Hobbyhaltungen besteht Impflicht.

Hilfe von Freunden und anderen Hühnerhaltern

„Man sollte sich auf keinen Fall Tiere zulegen, wenn man ihnen keine gute Haltung und Versorgung bieten kann, viel unterwegs und selten zu Hause ist“, sagt Anna Hertl. „Man muss sich im Vorfeld überlegen, wer sich um die Tiere kümmert, wenn man weg ist.“ Die Hertls sind mit anderen Hühnerhaltern und Interessierten in einer Whats-App-Gruppe. „So werden unsere Tiere während des Urlaubs von unseren Freunden und Nachbarn bestens versorgt“, sagt die 36-Jährige Mühldorferin.

Tierschützerin Hörl weist auf einen weiteren, entscheidenden Punkt hin: „Man muss sich im Vorfeld Gedanken machen, ob man genug Platz für die Tiere hat, wenn zum Beispiel die Vogelgrippe ausbricht und die Tiere weggesperrt werden müssen.“

Bei Hertls in Mühldorf ist das alles gegeben: Ein großer Garten, eine Grünfläche, viel Auslauf, ein Platz für ein Sandbad im Sommer und zum Scharren, schattige Plätze und natürlich ein großer Hühnerstall. Weil sie keine Haustiere sind, darf man sie auf gar keinen Fall im Haus oder einer Wohnung halten. „Man muss sich auch klar sein, dass man für die Tiere auch Zeit braucht“, sagt Hertl. „Der Zaun muss intakt sein, der Stall und die Auslauffläche müssen immer sauber gemacht werden und natürlich brauchen sie Futter und frisches Wasser.“

Hühner seit dem 14. Jahrhundert in der Stadt

Nach Auskunft von Mühldorfs Bürgermeister Michael Hetzl ist Hühnerhaltung in der Stadt kein neues Thema. „In Mühldorf ist sie schon im Stadtrecht aus der Mitte des 14. Jahrhunderts belegt“, sagt er. Seit einigen Jahren erfahre die Hühnerhaltung als Hobby eine gewisse Renaissance. „Unerlässlich ist dabei eine artgerechte Unterbringung und gegenseitige Rücksichtnahme“ sagt Hetzl.

Ein Familienprojekt

Und das Engagement einer ganzen Familie. Der Hühnerstall war ein Familienprojekt der Hertls, die Eltern haben ihn gemeinsam mit ihren beiden Töchtern Lena (7) und Carina (4) gebaut. „Bevor man Tiere zu sich holt, sollte einem klar sein, dass sie lange leben. So auch Hühner. Wenn man schnell die Lust daran verliert, sollte man sich auf gar keinen Fall Tiere zulegen“, mahnt Mutter Anna Hertl.

Wer das einhält, kann an den Tieren viel Freude haben, ist Tierschützerin Hörl überzeugt. Man brauche für Hühner wie auch für jedes andere Tier Zeit, Platz und Geld. „Dazu können die Tiere alt werden.“

Kommentare