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Tafel Mühldorf

Das Essen wird knapp – 200 Kisten mit Lebensmitteln reichen nicht

Valentina Friedrich
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Sie kommt jeden Donnerstag zur Mühldorfer Tafel: Valentina Friedrich (75) ist dankbar für die Unterstützung.

Über 170 Haushalte versorgt die Tafel Mühldorf wöchentlich. Der Bedarf ist noch größer. Doch dafür reichen die geretteten Lebensmittel nicht.

Mühldorf – 14 bunte Blumensträuße stehen etwas versteckt unter dem Ausgabefenster. „Blumensträuße sind begehrt, aber wir haben nie genug“, bedauert Gerlinde Nentwig vom Leitungsteam der Tafel Mühldorf. Dass 14 niemals reichen können, signalisiert die Zahl 218, die an der Wand pinnt, und für die heute auszugebenden Kisten voller Lebensmittel steht.

Frisches und Haltbares in der Kiste

Eine Stunde vor Ausgabebeginn um 14 Uhr sind die Pappschachteln in der Größe einer Bananenkiste schon gut gefüllt. An diesem Donnerstag stehen auf der Packliste unter anderem frische Produkte wie Brot, Semmeln und Eier. Dazu kommt Haltbares wie Reis sowie je eine Fisch- und Obstkonserve und eine Tafel Schokolade. Joghurt, Milch und abgepackter Käse kommen ebenso hinein wie ein Stück Kuchen. Gemüse und Obst, wie knackige Paprika und Karotten, leicht angewelkter Blattsalat und schon recht reife Bananen machen diesmal die Lebensmittelspende komplett.

Eine solche Kiste voller Lebensmittel hilft ihren Abnehmern über die Woche. So auch der alleinstehenden Valentina Friedrich (75), einer Spätaussiedlerin aus Kasachstan. Allein von ihrer Rente plus Grundsicherung könnte sie nicht leben. Denn davon geht mehr als die Hälfte für die Wohnungsmiete der früheren Krankenschwester drauf. „Ich komme seit gut sieben Jahren zur Tafel“, erzählt sie. Die Lebensmittel und auch die Kleidung aus dem Kleiderkammerl erleichtern ihr das Leben. „Das ist eine große Hilfe für mich und die Leute hier sind immer nett.“ Sogar für ihre Katze bekommt sie bei der Tafel immer mal wieder Katzenfutter oder Katzenstreu. Valentina ist dankbar.

Ort für nette Gespräche und Austausch

Auch Olena Byelozyorova (56), die aus der Ukraine geflohen und dadurch nach Mühldorf gekommen ist, kommt regelmäßig zur Mühldorfer Tafel. Sie lebt ebenfalls allein, macht gerade einen Deutschkurs und hofft Arbeit zu finden, wenn sie die Sprache besser beherrscht. Mit den Lebensmitteln der Tafel kann sie sich immer einige Tage lang gut versorgen.

„Ich bin hier sehr gut aufgehoben“, sagt sie halb deutsch, halb ukrainisch, ein Herr neben ihr übersetzt spontan. Mehrere Umstehende pflichten ihr bei, als sie lächelnd berichtet, dass der Tafel-Termin an jedem Donnerstag auch immer ein Anlass für nette Gespräche und Austausch unter den Menschen in der Warteschlange ist.

Kiste an Kiste warten die Lebensmittel darauf, abgeholt zu werden. Keine der Schachteln wird übrigbleiben.

Der Andrang bei der Tafel an der Mühlenstraße ist jeden Donnerstag groß. In drei Gruppen – eingeteilt nach den Farben gelb, rot und blau – werden die Lebensmittel jeweils eine halbe Stunde lang ausgegeben. „Die Farben rotieren monatlich, damit jeder einmal in der ersten Gruppe ist und keine Angst haben muss, benachteiligt zu sein“, erklärt Gerlinde Nentwig.

Über 200 Kisten werden möglichst gleich bepackt

Wie überall gibt es auch bei den Kunden der Tafel solche, die fordernder sind und etwas extra haben wollen und solche, die still akzeptieren, was ihnen gegeben wird. „Wir versuchen, alle Kisten möglichst gleich zu packen“, betont Nentwig. Dafür müssten aber von jedem Artikel immer über 200 Stück vorhanden sein. In der Praxis sieht das oft so aus, dass länger haltbare Lebensmittel oder Hygieneprodukte im Lager gesammelt werden, bis genügend zur Ausgabe vorrätig sind. Immer wieder ein Platzproblem, denn die Räume der Tafel an der Mühlenstraße sind beengt. Gerade mal ausreichend Platz, um jeden Donnerstag noch alle über 200 Kisten unterzubringen. Ein geräumigerer Standort in zentraler Lage ist nicht in Aussicht.

Immer ein nettes Wort und ein Lächeln für die Wartenden: Rosemarie Grandl steht am Ausgabefenster und reicht die Lebensmittel über die Theke.

„Eine volle Kiste pro Woche bekommen Alleinstehende und Familien mit bis zu vier Personen, ab fünf Personen und mehr gibt es zwei bis drei Kisten“, das erklärt Rosemarie Grandl, die an diesem Donnerstag am Ausgabefenster steht. Jeder Kunde zahlt dafür einen kleinen Obolus von zwei Euro. Gerade für Familien erscheint das vielleicht nicht ganz gerecht, aber die Tafel muss versuchen, jede Woche rund 170 Haushalte zu unterstützen – und das allein in Mühldorf. Mit Eröffnung der Tafel-„Filiale“ in Waldkraiburg im August 2023 hatte das Tafel-Team angenommen, der Bedarf in Mühldorf würde zurückgehen. Stattdessen steigt er in beiden Städten weiter an, in Waldkraiburg werden aktuell rund 50 Haushalte versorgt.

Gerettete Lebensmittel reichen längst nicht mehr

Geldspenden von Firmen, Wohltätigkeitsorganisationen und Vereinen helfen der Tafel bei der Versorgung der vielen Bedürftigen. „Gerade erst haben wir von Spendengeld wieder Mehl zugekauft“, Gerlinde Nentwig zeigt auf die Palette mit Mehlpäckchen. Denn nicht immer reichen die Lebensmittel, die von Supermärkten oder Obst- und Gemüseproduzenten gespendet werden. „Eigentlich haben sich die Tafeln gegründet, um Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu retten. Aber die geretteten Waren reichen schon längst nicht mehr.“

Gerlinde Nentwig im Warenlager der Tafel, hier wird Haltbares aufbewahrt.

Das liegt auch daran, dass die Supermärkte ihr Bestellwesen optimiert haben, wie Josef Wimmer von Edeka Lechertshuber & Wimmer auf OVB-Nachfrage erklärt: „Händler arbeiten mit einem geschlossenen Waren-Wirtschaftssystem, es wird nicht einfach nach Gefühl bestellt.“

Händler haben ihr Bestellwesen optimiert

Dieses System hat mit den über die Scannerkasse gezogenen und verkauften Waren den Bestand im Blick, Nachbestellungen erfolgen damit automatisiert. Trotzdem unterstützen die heimischen Händler die Tafeln weiter, etwa mit Sonderaktionen wie dem „Doppelte Einkauf“ und auch in Supermärkten aufgestellten Sammelboxen für Lebensmittel.

Diese Extra-Hilfen trudeln immer wieder bei der Mühldorfer Tafel ein. Die Unterstützung ist groß. Und reicht doch nicht. Deshalb können gerne auch Privatleute der Tafel Lebensmittel spenden. „Sachen wie Kaffee, Reis, Nudeln, Öl und Mehl, die jeder brauchen kann und die lange halten“, zählt Nentwig auf. Wer das tun will, kann sich unter der Telefonnummer 08639/9858960 melden. Auch gut erhaltene Kleidung für das Kleiderkammerl der Tafel Kosmetik und Hygieneprodukte werden gerne angenommen. Einfach alles, was der Mensch so braucht oder worüber er sich freut.

Lebensmittel der Tafel helfen über die Woche

Wer einen der 14 Blumensträuße bekommen hat? Das ging im Andrang der wartenden Menschen unter. In den Kisten der vier Kinder, die jeweils im Duo eine große Pappschachtel zum Parkplatz schleppten, war jedenfalls keiner. Dafür jede Menge Nahrungsmittel, die ihrer Familie wieder über eine Woche helfen und die zu knappe Haushaltskasse entlasten.

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