Fluch und Segen
„Keine Hexerei“: Hilft die Sonne beim Lärmschutz an der A94 mit?
Hoffnungsschimmer für die lärmgeplagten Anwohner der A94. Im Rahmen des Projektes A94 2.0 werden jetzt die nächsten Schritte vorbereitet.
Mühldorf – „Der Ball liegt in Berlin“, sagt der Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer (CSU) und meint damit einen möglichen Lärmschutz an der A94 im westlichen Mühldorfer Landkreis. Der Landkreis habe jedenfalls seine Hausaufgaben dafür gemacht und der Landtag hat dafür jüngst 450.000 Euro zur Verfügung gestellt, wie der Landtagsabgeordnete Sascha Schnürer (CSU) mitteilt.
Seitdem die A94 zwischen München und Mühldorf durchgängig befahrbar ist, beklagen sich die Anwohner in den Gemeinden Schwindegg, Obertaufkirchen und Rattenkirchen über den Lärm. „Man kann nicht abstreiten, dass da eine Lärmbelästigung ist“, sagt Schnürer, der selber an der A94 wohnt. Trotz aller Proteste und Initiativen geändert hat sich nichts. Bislang.
Der Bund will nicht, das Land kann nicht
„Der Bund, der eigentlich zuständig ist, will nicht. Das Land kann nicht“, so bringt Landrat Max Heimerl (CSU) die Lage auf den Punkt. Der Bund möchte einfach keinen „überobligatorischen Lärmschutz“, so Mayer, da dies auch Signalwirkung für andere Standorte haben könne.
Eine Lösung für das Dilemma kann und soll die Energiewende bringen. Und da sind die Macher inzwischen einen weiteren Schritt weiter.
„Das ist keine Hexerei“
Vor zwei Jahren brachten Landrat Heimerl und der Abgeordnete Mayer die Idee von schallschluckenden PV-Anlagen ins Spiel; inspiriert von einer entsprechenden Lärmschutzwand bei Neuötting. Mayer blickt dabei auch nach Österreich. Dort gebe es an den Autobahnen bereits kombinierte PV- und Lärmschutzwände. „Das ist also keine Hexerei.“
Daraus entwickelte sich in der Folge die Idee „Wirtschaftsraum und Innovationsachse A94“, deren Umsetzbarkeit derzeit das Bayerische Wirtschaftsministerium zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) untersucht.
Sonnenenergie hat an der A94 Potenzial
Die gute Nachricht: Die ersten Ergebnisse ergeben für die Bereiche entlang der A94 ein Potenzial an Solarstrom, das der Stromleistung von hundert Windrädern plus dem Atommeiler Isar 2 entspricht. Lärmschluckende PV-Anlagen entlang der A94 würden also Sinn machen.
Die Machbarkeitsstudie liefert zudem noch ein konkretes Ergebnis. „Wir kennen jetzt den Lärmbereich von der Landkreisgrenze bis nach Rattenkirchen. Wir wissen, wo in der Spitze Maßnahmen notwendig sind“, erläutert Mühldorfs Wirtschaftsförderer Thomas Perzl.
Nächster Schritt: Reallabor an einer Teststrecke
Damit ist die Grundlage für den nächsten Schritt geschaffen: ein Reallabor entlang der A94. Das ISE möchte gerne auf „einigen hundert Metern“ in der Praxis lärmschluckende PV-Module erforschen und entwickeln, so Perzl. Dieser Abschnitt könne jetzt „sofort“ festgelegt werden.
Im Idealfall fördert der Bund dieses Reallabor im Rahmen des achten Energieforschungsprogramms. Nur steht noch nicht fest, wann das an den Start geht. „Aber wir wollen bereit sein und sofort ‚Hier’ schreien können“, betont Landrat Heimerl.
450.000 Euro für den Landkreis
Dafür gibt es Hilfe aus dem Landtag. Die Fraktionen der CSU und Freien Wähler haben im bayerischen Haushalt rund 100 Millionen Euro „für finanzpolitische Weichenstellungen“ vorgesehen, so der Landtagsabgeordnete Schnürer. Davon fließen 450.000 Euro in den Landkreis, um die „konkrete Planung und Ausgestaltung der Lärmschutzwände an der A94 in Kombination mit PV-Modulen an den Böschungen“ voranzutreiben.
„Unser Ziel ist es, dass wir uns mit unserem gesamtheitlichen Ansatz von Lärmschutz, PV, PV-Freifläche und Wasserstoff bewerben können“, so Perzl. Dann sei ein zweistelliger Millionenbetrag bei der Förderung möglich.
„Wichtig ist, dass wir vor der Welle sind“
„Wichtig ist, dass wir vor der Welle sind“, erklärt Schnürer, der gleichzeitig den zweigleisigen Bahnausbau zwischen München und Mühldorf im Blick hat. „Wie wollen wir als Politik glaubhaft sein, wenn wir nicht alles dafür tun, dass wir jetzt bei der A94 mit dem Lärmschutz vorankommen?“
Jetzt hänge es an Berlin, so Heimerl: „Es ist nicht so, dass wir alles selber in der Hand haben.“
Warten auf das „Go!“
„Die Anwohner können sich darauf verlassen, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten alles tun, um den Lärmschutz so schnell wie möglich zu realisieren“, unterstreicht Heimerl. „Alle Beteiligten sind willens. Sie wollen es umsetzen, wollen es zeitnah umsetzen. Jetzt brauchen wir nur noch das ‚Go!‘ aus Berlin.“

