Einstieg in erneuerbare Energien
Mühldorfer Stadtrat sagt sehr deutlich „Ja, aber“ zum Landkreiswerk
Der Mühldorfer Stadtrat hat mehr als zwei Stunden über das geplante Landkreiswerk zur Erzeugung erneuerbaren Stroms diskutiert. Das Ergebnis der Abstimmung ist nicht so eindeutig, wie es scheint. Im Gegenteil.
Mühldorf – 25 Städte und Gemeinden im Landkreis Mühldorf hat Wirtschaftsförderer Thomas Perzl vom Landratsamt schon überzeugt, in Mühldorf tat er sich sehr schwer. Denn die Bedenken von Stadt und Stadtrat sind groß.
Jährliche Kosten von 115.000 Euro
Im geplanten Landkreiswerk sollen sich Gemeinden als GmbH zusammenschließen, um Flächen für die Nutzung zur Gewinnung erneuerbarer Energien zu entwickeln. Die so entstehenden Vorhaben können dann eine oder mehrere Kommunen zusammen mit Partnern in eigenständigen Projektgesellschaften bauen und vermarkten. Jede Gemeinde zahlt – so die bisherige Hausnummer – als Teilhaber des Landkreiswerks fünf Euro pro Einwohner und Jahr. Für Mühldorf wären das bei derzeit etwa 23.000 Einwohner jährlich 115.000 Euro.
Das Problem: Bürgermeister Michael Hetzl (UM) und parteiübergreifend viele Stadträte erwarten sich für Mühldorf keine Vorteile von einem Beitritt. Der Hauptgrund: Mühldorf hat keine Flächen, für große Photovoltaik-Anlagen oder Windräder. Dazu kommt mit den Stadtwerken ein städtisches Unternehmen, das in diesem Bereich bereits tätig ist.
„Was kann das Landkreiswerk bieten, was unsere Stadtwerke nicht können?“, fragte UM-Sprecherin Karin Zieglgänsberger. Für sie klingen die bisherigen Pläne eher nach Doppelstrukturen. Für Oliver Multusch (AfD) ist klar: „Es geht nur um eine Unternehmens-Beteiligung“, die Finanzierung des Landkreiswerks sieht er kritisch.
Landkreis-Wirtschaftsförder Thomas Perzl schätzt die Situation anders ein: „Ich sehe die Konkurrenzsituation zu den Stadtwerken gar nicht.“ Die Stadtwerke könnten sich in die Projektgesellschaften einbringen und damit auch den anderen 25 beteiligten Kommunen tätig werden. „Ich sehe das nicht als Doppelstruktur.“
Reine Unternehmesbeteiligung
Für ihn ist die Flächenknappheit Mühldorfs ein Argument für die Beteiligung am Landkreiswerk: Dadurch könne die Stadt an Erträgen aus erneuerbarer Energiegewinnung teilhaben. „Es geht um eine Unternehmensbeteiligung“, um Zugriff auf Flächen außerhalb der Stadt.
Das ist für Markus Saller (UM) „nicht interessant“. Mit den Stadtwerken hätte die Stadt bereits eine Beteiligung an einem Unternehmen aus der Energiebranche. „Ich sehe durch eine reine Unternehmensbeteiligung keinen Mehrwert.“
Auch von den Grünen kamen massive Bedenken. Stephan Schinko, der selbst in der Projektierung von Windanlagen tätig ist, betonte: „Ich sehe die Gründung der Regionalwerke sehr kritisch.“ Angesichts der niedrigen Einspeisevergütungen sei eine Beteiligung Mühldorfs ein hohes finanzielles Risiko. Die Projektierung von Windrädern sei durch gesetzliche Vorgaben extrem teuer geworden und schwer zu kalkulieren. „Das muss in das Konzept für ein Regionalwerk eingepreist werden, ist es aber nicht.“ Dazu komme die sehr lange Projektierungszeit von Windkraftanlagen.
Sehr wild und umkämpft
Kathrin Enzinger (Grüne), die beruflich seit Jahren in diesem Bereich tätig ist, wies darauf hin, dass Projektentwickler angesichts der Rahmenbedingungen sehr flexibel sein müssten. „Es ist gerade sehr wild und sehr umkämpft.“ Sie sprach von einer „Unternehmensbeteiligung, die auch schiefgehen kann“.
Sollte es kein Landkreiswerk geben, so Wirtschaftsförderer Perzl, würden private Investoren die Anlagen bauen: „Die Projekte werden dennoch entstehen, nur ohne Bürgerbeteiligung und ohne Wertschöpfung für die Gemeinden.“
Vor allem die Vertreter der CSU waren für eine Beteiligung der Stadt. Stefan Lasner sprach von der „Verantwortung der Kreisstadt“. Das Landkreiswerk böte die Möglichkeit, auch die Stadtwerke weiterzuentwickeln. „Wir sollten bei den Veränderungen mitgehen.“
Landwirt Ulrich Niederschweiberer (CSU) widersprach der Einschätzung, des fehlenden Nutzens für Mühldorf: „Man kann nicht sagen, dass wir keine Flächen hätten, die man entwickeln kann.“ Es gäbe häufige Anfragen von Investoren nach landwirtschaftlichen Flächen zum Bau von PV-Anlagen. Mit dem Landkreiswerk behalte der Landkreis die Planung und Entscheidung über diese Flächen in der Hand.
Keine Konkurrenz zu den Stadtwerken
Stadtwerkechef Alfred Lehmann sieht das Landkreiswerk nicht als Konkurrenz, weil die Stadtwerke eine ganz andere Aufgabe hätten. Er gab aber zu: „Es gelingt uns nicht, Flächen zu erwerben.“ Das läge daran, dass Landwirte ihre Anlagen selbst projektierten und bauten. „Ich sehe es für die Stadtwerke als Möglichkeit einer reinen Finanzbeteiligung, weil etwas anderes wird es nicht werden.“
Er wies darauf hin, dass der Strompreis aus solchen Anlagen für die Stadtwerke nicht interessant seien, weil sie sich an der Strombörse preiswerter versorgen könnten. „Auch für Bürger wird der Strompreis dadurch nicht sinken.“ Der Stadtwerkechef prophezeite: Ohne die beiden Städte werde das Regionalwerk nicht kommen, „weil ihm das Geld fehlt“.
Dem widersprach Wirtschaftsförderer Perzl: „Das stimmt nicht. Es geht kein Geld ab.“ Auch wenn Projekte reduziert werden müssten: „Es funktioniert mit fünf Kommunen genauso wie mit 25. Aber anders.“
Bürgermeister Hetzl betonte, dass Mühldorf sich in Kooperationen mit dem Landkreis sehr engagieren würden. Für die Frage des Landkreiswerkes gelte aber: „In diesem Bereich sind die Kreisstadt Mühldorf und der Landkreis Mühldorf nicht gemeinsam unterwegs.“ Den Direktverkauf von Strom durch das Landkreiswerk lehnte Hetzl als Konkurrenz zu den Stadtwerken ab.
Trotzdem stimmten Hetzl und 23 Stadträte gegen die Stimmen von Multusch und Isabella Barthen (beide AfD) dafür, weiter im Prozess der Entwicklung des Landkreiswerks zu bleiben. Ein Beschluss über die Teilnahme sei das aber nicht, sagte Hetzl.


