Wilderei im Landkreis Mühldorf
Reh zerfleischt, Kitze tot: Jäger beklagen grausame Angriffe durch freilaufende Hunde
Grausame Funde bei Rattenkirchen und Obertaufkirchen zeigen die Folgen freilaufender Hunde im Wald: Eine trächtige Rehgeiß wurde gejagt und zerbissen. Jagdpächter und Politiker fordern mehr Verantwortung von Hundehaltern. Und erinnern an die rechtlichen Folgen.
Rattenkirchen/Obertaufkirchen – Das Grauen erleben die beiden Jagdpächter bei ihren Gängen durch Wald und Feld immer wieder: ein Reh, schwer verletzt oder tot, gerissen von einem wildernden Hund. Kitze, die so ihre Mütter verlieren oder selbst zum Opfer von Hunden werden. Hermann Bierwirth ist Jagdpächter in Rattenkirchen, Georg Hans in Obertaufkirchen Ost. Seit mehr als 50 Jahren gehören solche Funde zu ihrem Leben als Jäger.
Trächtige Rehgeiß gerissen
Ende März wurde Bierwirth zuletzt zu einem Waldgebiet bei Lanzmühl gerufen. Wildernde Hunde hatten eine trächtige Rehgeiß gejagt und gerissen. Auch ihre ungeborenen Kitze starben. Das tote Tier lag schon etwa zwei Tage, bis es am Straßenrand liegend gefunden wurde. Anhand der Verletzungen war Bierwirth sofort klar, dass das Reh von Hunden totgebissen wurde.
Kein Einzelfall, denn in der gleichen Zeit sind auch in Obertaufkirchen wildernde Hunde unterwegs. Sie reißen ein Reh, gefunden wurde es am selben Tag wie das in Rattenkirchen, erzählt Jagdpächter Hans. Vor etwa zwei Jahren wurden bei Lanzmühl drei Schafe gerissen. Damals gab es den Verdacht, es könne ein Wolf gewesen sein. Es stellte sich jedoch heraus, dass es wildernde Hunde waren.
Jäger sehen Hundehalter in der Pflicht
Bierwirth und Hans wissen nicht, wessen Hunde es sind, die in ihren Jagdgebieten wildern. Sie sehen die Hundehalter in der Pflicht, auf ihre Hunde aufzupassen.
„Da muss dringend etwas passieren, denn das passiert immer wieder, dass wildernde Hunde Wildtiere reißen“, sagt Bierwirth. „Viele Wildtiere findet man gar nicht, weil der Hund entweder seine Beute ins Gestrüpp zieht oder das verletzte Tiere sich versteckt und dann jämmerlich verendet.“
Das Reh, das er zuletzt gefunden habe, lag am Fahrbahnrand. Wenige Meter weiter drin im Wald, hätte er es vermutlich nicht entdeckt. Bierwirth ist sich sicher: „Der Hund, der das Reh getötet hat, hat das nicht zum ersten Mal gemacht. Das sah man an den Bissspuren.“ Es sei vermutlich mit einem Biss in die Kehle oder den Nacken getötet worden. „Es war mit unzähligen Bisswunden übersät, was vermuten lässt, dass der Hund oder die Hunde vermutlich gestört wurden und dann von ihrer Beute abließen.“
Wildtiere kommen niemals zur Ruhe
Die Wildtiere kommen nach Erfahrung der Jagdpächter niemals zur Ruhe. Sei es durch den Straßenverkehr, durch landwirtschaftliche Maschinen, denen jährlich tausende von Wildtieren zum Opfer fallen, durch die Störung ihres Lebensraums durch Lärm, durch Müll, Spaziergänger oder wildernde Hunde, durch die Jagd.
Dazu komme, dass der Mensch den Wildtieren Lebensraum raube. Bierwirth bittet Menschen, Schutzgebiete zu meiden, nur Wege zu nutzen und ihre Hunde an die Leine zu nehmen.
Wer seinen Hund unbeaufsichtigt im Wald oder auf Feldern herumlaufen lässt, kann bestraft werden. Stöbert der Hund Wild nach, hetzt oder reißt er Tiere, so liegt eine Ordnungswidrigkeit nach dem Landesjagdgesetz vor. Dann droht ein Bußgeld. Handelt der Hundebesitzer vorsätzlich, begeht er eine Straftat. Für solche Fälle droht dem Hundebesitzer gemäß Paragraf 292 des Strafgesetzbuches eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.
Hundehalter müssen Schadensersatz leisten
Werden Wildtiere verletzt oder gar getötet, ergibt sich auch eine Schadenersatzpflicht für den Besitzer des Hundes gegenüber dem Jagdpächter. Darüber hinaus kann der Hund nach einem derartigen Vorfall als gefährlicher Hund im Sinne des Landeshundegesetzes eingestuft werden, wodurch sich für den Halter, aber auch für den Hund, diverse Einschränkungen ergeben.
Sascha Schnürer, CSU-Bundestagsabgeordneter und Kreisvorsitzender der Jäger macht auf eine weitere Gefahr für wildernde Hunde aufmerksam: Jäger dürfen die Hunde abschießen, so ist es im Bundesjagdgesetz, wie auch im Bayerischen Jagdgesetz geregelt. „Hierfür gibt es eine klare Regelung“, sagt er, schränkt aber ein: „Aber dies kommt nur äußerst selten vor.“ Denn Jäger, die meist auch Hundebesitzer sind, wüssten, dass den Hunden in aller Regel keine Schuld treffe. „Entsprechend ist bei uns auch die eigene Messlatte höher als die gesetzliche Regelung, einen Hund zu erschießen. Effektiv bringt nur die Bewusstseinsschärfung bei den Tierhaltern etwas.“
Wie die Jagdpächter Bierwirth und Hans apelliert er an die Hundehalter: „Wenn wir da draußen sind, sind wir im Wohnzimmer unserer Wildtiere. Die waren vor uns schon hier“, sagt er. „Wir sollten sie mit Respekt und Würde behandeln und ihnen Raum zum Leben geben. Hier kann jeder dazu beitragen.“
Der Hund sei ein domestiziertes Haustier, das ursprünglich vom Wolf abstamme. „Die Urinstinkte sind, je nach Hunderasse, mal stärker, mal weniger stark, noch vorhanden. Fluchtreflexe von Wildtieren rufen diese Urinstinkte beispielsweise wieder hervor.“ Deshalb könnten auch sonst brave Hunde unangeleint beginnen, Wildtiere zu jagen. „Durch das freigesetzte Adrenalin kommt dann natürlich auch der Reiz zum Festhalten und schließlich zur Wilderei mit zum Teil dramatischen Szenen.“
Rehe lebend angefressen
Größere Wildtiere würden noch lebend angefressen. „Ich erinnere mich an ein im Zaun verfangenes Reh, das dann an den Hinterläufen aufgerissen und angefressen wurde, oder an ein Martyrium im Maisfeld, das locker fünf Meter im Radius alle Stängel einknicken und auf einen unglaublichen Kampf schließen ließ.“ Das Schlimme daran sei: „Das geht alles so wahnsinnig schnell und kann nach wenigen Sekunden vorbei sein. Oftmals bekommt dies der Hundebesitzer gar nicht mit.“ Deswegen gelte: „Der Hund darf niemals außerhalb des Einwirkungsbereiches seines Führers draußen sein“. Das heißt entweder an der Leine, oder so abgerichtet, dass er sofort auf den Hundebesitzer reagiere.

