Nach dem Löschen eines Ordners
Kranke Mitarbeiterin bei Krankenversicherung abgemeldet: Bürgermeister Kronberger vor dem Arbeitsrichter
Eine Mitarbeiterin der VG Polling kündigt und ist krank. Die VG bezweifelt das, meldet sie von der Sozialversicherung ab und lässt sie auf den Kosten sitzen. Dagegen hat die Frau vor dem Arbeitsgericht geklagt.
Polling – Die 20 Besucherstühle im Arbeitsgericht Mühldorf waren bis auf den letzten Platz gefüllt, als sich die ehemalige Mitarbeiterin der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Polling, Lisa X. (Name von der Redaktion geändert), und die VG vor Gericht wieder sahen. Lisa X. hatte die VG verklagt, weil die sie und damit auch ihre zwei kleinen Kinder von der Krankenversicherung abgemeldet hatte. X. hatte sich nach der Kündigung krankgemeldet. Die Folge: Lisa X. sollte nach dem Willen der AOK die Beiträge von rund 5.200 Euro aus eigener Tasche bezahlen.
Die Besucher – unter ihnen auch drei Pollinger Gemeinderäte – sahen, wie Bürgermeister Lorenz Kronberger als VG-Vorsitzender scheinbar gelassen neben seiner Mühldorfer Anwältin Dr. Angelika Maier Platz nahm. Lisa X. saß da schon sichtlich angespannter auf ihrem Stuhl und blickte starr in Richtung Richtertisch.
Personalgespräch endet mit Kündigung
Was war geschehen? Am 7. Mai 2024 führte Lisa X. ein Personalgespräch mit Bürgermeister Kronberger und VG-Geschäftsleiterin Gabriele Springer. Dieses Gespräch verlief, wie es Lisa X. erwartet hatte: unfreundlich. Und so überreichte sie Kronberger noch in dem Gespräch ihre Kündigung zum 30. Juni. Damit war das Gespräch beendet, X. ging wieder an ihren Schreibtisch und löschte im Computer ihren persönlichen Netzwerk-Ordner.
Am 14. Mai warf ihr Mann schließlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) in den Briefkasten der Gemeinde, die bis zum 12. Juni reichte. Am 12. Juni folgte eine weitere AU bis zum 30. Juni. „Ich war insgesamt bis zum 31. Dezember krank“, sagte Lisa X. vor dem Arbeitsgericht.
VG-Leitung bezweifelt die Krankmeldungen
Die VG-Leitung bezweifelte, dass Lisa X. wirklich krank war. Für die VG-Leitung war klar: Sie wollte gar nicht mehr bis zum 30. Juni arbeiten. Deshalb habe sie am Tag der Kündigung den Netzwerk-Ordner gelöscht. „Sie wusste mehr als ihr Arzt“, sagte VG-Anwältin Maier vor Gericht. Also meldete die VG Polling Lisa X. zum 14. Mai von der Sozialversicherung und damit von der Krankenversicherung ab.
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe einen „hohen Beweiswert“, erklärte Arbeitsrichter Dr. Bernd Wiebauer einleitend. Der könne zwar durch das tatsächliche Verhalten erschüttert werden, aber „den klassischen Fall haben wir hier jedenfalls nicht. Das schreit nicht danach, dass die AU erschüttert sein könnte.“
„Sie war krank“
VG-Anwältin Maier verwies dagegen auf das Löschen der Computer-Datei am Tag der Kündigung und damit vor dem letzten Arbeitstag am 30. Juni. Lisa X. sei vorher schon krank gewesen, hielt die Mühldorfer Anwältin Antje Knall dagegen. Ihr Arzt habe ihr deswegen empfohlen, „das Arbeitsverhältnis zu beenden. Sie war krank.“
Im weiteren Verlauf der Verhandlung ging es dann um die Bedeutung des Ordners mit Lisas Vornamen. Während die VG-Seite darauf beharrte, dass damit „betriebliche Daten“ mit Arbeitsergebnissen gelöscht wurden, erklärte Anwältin Knall: „Sie hat keine betrieblichen Daten gelöscht.“
Wo werden in Polling die Arbeitsergebnisse gespeichert?
Jeder Mitarbeiter habe einen persönlichen Ordner mit seinem Vornamen, erklärte Lisa X.. Darin würden Mitarbeiter Leerformulare, Vorlagen und Muster speichern, um schnelleren Zugriff zu haben. Arbeitsergebnisse, wie zum Beispiel Bescheide, würden dagegen auch in allgemeinen Ordnern abgelegt.
„Es gibt keine persönlichen Ordner“, beharrte Bürgermeister Kronberger. VG-Anwältin Maier wiederholte, dass X. Arbeitsergebnisse gelöscht habe.
Kronberger beantwortet Frage des Richters nicht
„Waren da Daten dabei, die nicht auch andernorts gespeichert wurden?“, wollte Richter Wiebauer mit Blick auf Netzwerk-Ordner wie „Verkehr“, „Gewerbe“ oder „Hecken und Sträucher“ wissen: „Gab es diese Daten nur im Ordner der Klägerin und sonst nirgends?“
„Es ist doch die Frage, warum die gelöscht wurden“, antwortete Kronberger.
„Das ist nicht meine Frage“, beharrte Richter Wiebauer, bekam aber dennoch keine konkrete Antwort.
Richter hat eine eindeutige Tendenz
Anschließend zogen sich Richter Wiebauer und die beiden Beisitzer zur Beratung zurück. Als sie nach gut zehn Minuten zurückkamen, erklärte Wiebauer: „Wir tendieren dazu, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht als erschüttert zu sehen.“
Als Lösung schlug der Richter eine gütliche Einigung vor: Die Meldung zur Sozialversicherung wird korrigiert und die VG zahlt die entsprechenden Abgaben nach. Damit ist Lisa X. für die Zeit vom 14. Mai bis zum 30. Juni wieder krankenversichert. Im Gegenzug verzichtet sie auf die Abgeltung ihres Urlaubs und der Überstunden. „Damit sind auch alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis erledigt“, betonte Wiebauer.
Vergleich, der die Ziele der Klägerin erfüllt
Nach einer kurzen Bedenkzeit und Beratung mit ihren Anwältinnen waren sowohl Lisa X. wie auch Bürgermeister Kronberger damit einverstanden und die Verhandlung nach gut einer dreiviertel Stunde beendet.
„Für mich war das Wichtigste, dass die sechs Wochen Versicherungslücke von den Sozialversicherungen richtig gestellt und die Beiträge abgeführt werden“, erklärte Lisa X. gegenüber den OVB Heimatzeitungen. Bürgermeister Kronberger lehnte auf Nachfrage der OVB Heimatzeitungen einen Kommentar zu dem Vergleich sowie zu den Kosten für die VG und etwaige weitere Arbeitsgerichtsverfahren der VG ab.