Nach Feuer in Altöttinger Straße in Mühldorf
Ohne Dusche, ohne Hilfe – wie kann es nach Brand in Mühldorfer Obdachlosenheim weitergehen?
Nach dem Brand in der Mühldorfer Unterkunft für Menschen ohne Wohnung werden die Probleme deutlich. Welche Pläne zur Verbesserung der Situation in der Altöttinger Straße gibt es? Ein Hausbesuch.
Mühldorf - Nein, in ihre Wohnung will sie uns nicht lassen. Helga T., die anders heißt, steht vor der Eingangstür, sie ist dick eingepackt in Winterkleidung. Draußen, im Hof der Häuserblocks der Stadt für Wohnungslose an der Altöttinger Straße liegt Schnee. Helga T. hat einen Stapel zerschnittener Bretter auf dem Arm. Brennholz. Ihre Wohnung hat keine Heizung. Nur einen kleinen Holzofen, mit dem die 49-Jährige ihre beiden Zimmer wärmt. Keine Heizung und kein Bad, keine Dusche. Nur ein WC und ein Waschbecken aus Edelstahl, über dem ein Boiler hängt. Und ein Holzofen.
Seit vier Jahren lebt T. in dieser Wohnung. „Ich bin gern hier“, sagt sie. Eine Alternative hat sie nicht. T. ist Frührentnerin, sie muss monatlich 300 Euro Strafe für irgendetwas zahlen, viel bleibt ihr nicht. 27 Euro überweist sie der Stadt für die Zweizimmer-Wohnung. Eine neue Wohnung ist zu teuer.
Stadtrat will erste Aufträge vergeben
Durch den Brand in einem der drei Häuser Anfang Dezember ist das Problem der Unterbringung von Obdachlosen durch die Stadt wieder in den Blick gekommen. 2021 beschloss der Stadtrat einen Neubau neben den bestehenden Häusern, bei seiner Sitzung am Donnerstag, am 15. Dezember, will er die ersten Aufträge vergeben.
Derzeit leben 15 Menschen in den 24 Wohnungen, acht von ihnen waren in dem beschädigten Teil untergebracht. Sie konnten nach dem Brand in leerstehende Wohnungen im vorderen Teil umziehen. Dort steht vor der Haustür eine Handkreissäge auf einem Tisch montiert, Holzbretter liegen herum. Sie ähneln denen, die Helga T. auf dem Arm hat. „Freunde schenken mir das Brennholz“, sagt sie. In der Wohnung sei es deshalb warm.
Keine Möbel, keine Dusche
Die Wohnungen sind bis auf den Holzofen, das Waschbecken und den Boiler leer, wenn die Obdachlosen einziehen. Möbel gibt es keine. In einer der Wohnungen liegt eine Matratze auf dem Fußboden, die Bettdecke ist zurückgeklappt, ein Blechregal steht an der Wand, auf dem ein paar Habseligkeiten liegen. Der Bewohner will nicht mit uns reden. Ein paar Stockwerke weiter oben sieht es wohnlicher aus. An den Wänden im Treppenhaus hängen Bilder, ein Poster warnt vor einem Hund. Grünpflanzen stehen auf dem Absatz vor der Tür. Etwas weiter unten ist eine Wohnungstür mit einem aufgebrochenen Siegel der Polizei versehen.
Die Tür ging auf, es stank
Manfred Brunner ist einer von denen, die Erfahrungen mit den Wohnungen in der Altöttinger Straße haben. Der 52-jährige Mühldorfer ist vor knapp zehn Jahren obdachlos geworden und sollte nach einem Aufenthalt in einer Klinik dort einziehen. „In die Wohnung Nummer 22“, erinnert er sich. „Als ich die Tür aufschloss, stank es gewaltig.“ Brunner zog nicht ein, wurde in den folgenden Jahren immer wieder von der Stadt dort einquartiert, lehnte immer wieder ab. Heute hat er ein Zimmer in der Nähe des Freibads.
Er kritisiert vor allem eins: „Es gibt keine Unterstützung, damit Menschen, die Hilfe brauchen, Hilfe bekommen.“ Denn der Mühldorfer weiß aus eigener Erfahrung: Wer in der Altöttinger Straße landet, tut dies nicht freiwillig. Meist hat er psychische Probleme, hat Gewalt in der Ehe erlebt, ist beruflich oder familiär gescheitert. Ist arm. Brunner hat der Brand aufgerüttelt, „ich will in die Aktion gehen“, nennt er es, und auf die Situation dort aufmerksam machen.
Stadt muss Wohnungslose unterbringen
Die Rechtslage ist eindeutig: „Die Verpflichtung zur Unterbringung von Obdachlosen gehört zu der von der Gemeinde im eigenen Wirkungskreis zu vollziehenden Pflichtaufgabe“, heißt es etwas umständlich in einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. August 1993. Das Gericht hat damals auch festgelegt, dass die Wohnungen Mindestanforderungen einer menschenwürdigen Unterbringung entsprechen müssen. Im Deutsch der Verwaltungsrichter: „Die Notunterkunft gewährleistet ein vorübergehendes Unterkommen einfacher Art; sie bietet Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse; die an eine Normalwohnung zu stellenden Anforderungen bezüglich Lage, Größe, Einrichtung und sonstiger Verhältnisse brauchen nicht erfüllt zu sein.“ Das Gericht betont auch, dass die Unterbringung in Notunterkünften von über einem Jahr nach Möglichkeit vermieden werden solle. Das sei zu teuer und führe „zu vermehrten psychosozialen Problemen der Obdachlosen“.
Obdachlose haben oft viele Probleme
Diese Probleme kennt Franziska Münch alle. Münch ist Leiterin der Caritas-Fachstelle zur Prävention von Wohnungslosigkeit. Sie sagt: „Es gibt viele Gründe, die Menschen in die Obdachlosigkeit führen.“ Psychchische Erkrankungen, körperliche Gebrechen, erlittene Gewalt, Sucht. „Wohnungslosigkeit ist oft der Auslöser, dass Menschen beginnen, sich zu kümmern.“
Caritas will Wohnungslose betreuen
Das können sie meist nicht alleine. Münch hat für den Prozess einen sehr einprägsamen Namen: „wohnfähig werden“. Zu dem gehört es auch, Wohnungen und Einrichtungen pfleglich zu benutzen. „Wir haben sehr durchwachsene Erfahrungen, wenn Menschen in schwieriger Lage sind. Man kann sich vorstellen, wie es in solchen Wohnungen aussehen kann.“
Wohnfähig werden: Weil das vielen Wohnungslosen nicht alleine gelingt, hält Münch eine soziale Betreuung der Obdachlosenunterkunft für unbedingt notwendig. Zwei Jahre lang gab es sie als Modellprojekt bis ins vergangene Jahr. Mit der Ablehnung durch den Kreistag im Januar dieses Jahres, die Präventivmaßnahmen weiter zu bezahlen, ging die Betreuung zu Ende.
Es kann noch dauern
Jetzt gibt es Gespräche der Caritas mit der Stadt, in der Oderstraße eine soziale Betreuung als erneutes Modellprojekt einzurichten. An eine schnelle Umsetzung glaubt Münch nicht, denn durch den Brand seien Zimmer dafür knapp.
Die Wohnung mit der Nummer 22, in die einzuziehen sich Manfred Brunner vor Jahren weigerte, liegt heute in dem Teil des Hauses, der nach dem Brand gesperrt ist. Die Stadt will die Gebäude vor dem Neubau nicht mehr erneuern. Neben dem verrußten Gebäudeteil gibt es eine Betonbodenplatte. Dort soll das neue Haus entstehen. Für Helga T. steht fest, dass sie dort einziehen will. „Wo soll ich denn sonst hin?“, fragt sie.
Brandursache weiter unklar
Was zu dem Brand geführt hat, steht noch nicht fest. Nach Angaben von Polizeisprecher Stefan Sonntag können vorsätzliche Brandstiftung und ein technischer Defekt ausgeschlossen werden. „Fahrlässiges Handeln ist die wahrscheinlichste Möglichkeit“, sagt er. Da sich der Bewohner der Wohnung, in der das Feuer ausbrach, nicht äußert, sei es schwierig, die Brandursache herauszufinden. „Die Wohnung ist komplett ausgebrannt und weitgehend zerstört“, sagt Sonntag. Die Mühldorfer Polizei hat das Landeskriminalamt hinzugezogen,
