Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

SPD prangert Zustand an

„Äußerst erniedrigend und unzeitgemäß“: Rosenheimer Obdachlosen-Unterkunft hat keine Duschen

In der Obdachlosenunterkunft in der Tannenbergstraße befinden sich derzeit drei Wohnungen ohne Duschmöglichkeit.
+
In der Obdachlosenunterkunft an der Tannenbergstraße befinden sich derzeit drei Wohnungen ohne Duschmöglichkeit.

Schimmelnde Wände, undichte Decken und keine Duschen: Die Obdachlosenunterkunft an der Tannenbergstraße 1a befindet sich in einem schlechten Zustand. Jetzt hat sich die Rosenheimer SPD eingeschaltet. Doch rechtlich gesehen macht die Stadt nichts falsch.

Rosenheim - Seit sechs Jahren hat Lisa F. nicht mehr in ihren eigenen vier Wänden geduscht. So lange wohnt die junge Frau mit ihren Kindern bereits in der Obdachlosenunterkunft an der Tannenbergstraße, die von der städtischen Wohnungsbau- und Sanierungsgesellschaft (GRWS) betrieben wird.

„Es ist keine gute Situation“, sagt sie. Die Eingangstür hat sie einen spaltbreit geöffnet, aus dem Inneren der Wohnung dringen leise Stimmen. Es gibt ein Wohn- und Kinderzimmer sowie eine Küche. Die Toilette ist auf dem Gang, eine Dusche gibt es nicht.

Im Schneidersitz in der Kunststoffwanne

Wenn sich Lisa F. und ihre Kinder im Kindergartenalter waschen wollen, setzen sie sich im Schneidersitz in eine schwarze Kunststoffwanne und gießen Wasser über ihren Körper. Mitten im Wohnzimmer. Eine Alternative gibt es nicht. Aufgrund gesundheitlicher Probleme kann die Altenpflegerin im Moment nicht mehr arbeiten. Der Umzug in eine andere Wohnung ist deshalb keine Option.

Ähnlich geht es Sabrina H.. „Wenn wir könnten, wären wir schon lange ausgezogen. Aber wir finden keine andere Bleibe“, sagt sie. Seit sechs Jahren lebt die Verkäuferin mit zwei weiteren Personen in der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung im ersten Stock. Hin und wieder nutzt sie die Dusche von Verwandten, die meiste Zeit badet auch sie in einer kleinen Kunststoffwanne.

Undichte Fenster und tropfende Decken

Während sie die Einkäufe im Kühlschrank verstaut, erzählt sie von der fehlenden Heizung, den undichten Fenstern und der Decke, durch die es an Regentagen tropft. Angesprochen habe sie die Probleme beim Vermieter schon des Öfteren - immer ohne Erfolg.

Antrag an Oberbürgermeister Andreas März

Aus diesem Grund hat sich jetzt die Rosenheimer SPD eingeschaltet. In einem Antrag an Oberbürgermeister Andreas März (CSU) fordern sie die Verwaltung und die GRWS auf, darüber zu berichten, warum es bisher ausgeschlagen wurde, dafür zu sorgen, dass die dort seit vielen Jahren lebenden Menschen Duschen bekommen.

„Zu Beginn der Mietzeit sicherte man den Familien zu, dass man sich bald um die Einrichtung der gesetzlich zur Grundausstattung gehörenden Duschen kümmern würde. Seitdem ist nichts mehr in diese Richtung geschehen“, sagt Ricarda Krüger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD. Selbst das Angebot einer Stiftung, günstig und unkompliziert Duschkabinen zu errichten, sei nach Angaben verschiedener Träger und Sozialarbeiter ausgeschlagen worden. „Hier hat man sich auf die Gefahr von Wasserschäden berufen“, heißt es in dem Antrag.

„Schwer tragbar und äußert erniedrigend“

Stattdessen waschen sich die Familien in Planschbecken oder nehmen weite Fußwege zu Verwandten auf sich, um sich neben der Katzenwäsche überhaupt richtig duschen zu können. Hin und wieder werden die Kinder - laut Antrag - zudem in den von ihnen besuchten Kitas geduscht.

„Wir sehen diesen Zustand als gesetzlich schwer tragbar, äußerst erniedrigend und unzeitgemäß an“, sagt Ricarda Krüger. Ein eigenes Bad mit Dusche zähle ihrer Meinung nach zu dem „selbstverständlichen Mindestzustand einer neuzeitlichen Wohnung“ und sollte auch gewährleistet werden.

Stadt erfüllt das gesetzliche Minimum

Während sich die Stadt und die GRWS erst im Anschluss an die Diskussion im entsprechenden Gremium zu dem Thema äußern wollen, nimmt sich Jörn Scheuermann Zeit für ein Gespräch. Er ist der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft „Wohnungsnothilfe München und Oberbayern“ und setzt sich schon seit Jahren dafür ein, dass sich die Situation in Obdachlosenunterkünften verbessert. Aber er macht auch deutlich: „Die Stadt erfüllt das gesetzliche Minimum“. Dieses schreibe lediglich vor, dass Obdachlosenunterkünfte vor der Witterung schützen, geschlossen sein und beheizt werden müssen.

„In der Rechtsprechung ist man sich noch nicht einmal drüber im Klaren, ob warmes Wasser dazugehört oder nicht“, sagt Scheuermann.

Rosenheim ist kein Einzelfall

Dass die Tannenbergstraße in Rosenheim kein Einzelfall ist, zeigt ein Blick nach Oldenburg. Hier hatte das Verwaltungsgericht im November 2012 darüber entschieden, dass in einer gemeindeeigenen Notunterkunft keine Dusche vorhanden sein muss. Den Anforderungen der Menschenwürde genüge eine Waschgelegenheit.

Problemlagen der Bewohner verschlechtern sich

„Solche Situationen tragen dazu bei, dass sich Problemlagen der Bewohner verschlechtern“, ist sich Scheuermann sicher. Stattdessen würde er sich wünschen, dass Kommunen mehr machen, als nur das gesetzliche Minimum zu erfüllen. Wie beispielsweise in Garmisch-Partenkirchen. Hier sei gelungen, die Mitarbeiter der Verwaltung davon zu überzeugen, mehr in die Einrichtung zu investieren. So soll sich beispielsweise künftig ein Sozialträger um das Management des Heims kümmern und die Wohnungslosen betreuen. Kostenpunkt dieser Dienstleistung: rund 150.000 Euro pro Jahr. „Das Umdenken hat Jahre gedauert“, sagt Scheuermann.

Erster Schritt mit Antrag getan

In Rosenheim ist mit dem SPD-Antrag ein erster Schritt getan. Ob er dazu beiträgt, dass an der Tannenbergstraße 1a Duschmöglichkeiten eingerichtet werden, wird sich zeigen. Lisa F. jedenfalls würde es freuen. Denn nach sechs Jahren ist sie es leid, sich Tag für Tag in einer Kunststoffwanne zu waschen.

Kommentare