Zukunftsprojekt ohne Zukunft?
Mühldorfs Landrat hält an Bürger-Kraftwerken an der A94 fest – der Bund hat eigene Pläne
Die Anwohner der Autobahn wollen Lärmschutzwände, Mühldorfs Landrat Heimerl will die mit Photovoltaik kombinieren und mit seiner „Win-win“-Idee den Bund überzeugen. Ob das so einfach funktioniert, wie gedacht?
Mühldorf – Schon länger hat Landrat Max Heimerl die Vision, entlang der A94 die Böschungen mit Solar-Anlagen zu bestücken. Ihm schweben vom Landkreis betriebene „Bürger-Kraftwerke“ vor, Energieanlagen unter Beteiligung und zur Nutzung von Bürgern und Gemeinden. Diese Idee ist auch Teil des Zukunftsprojekts „Wirtschaftsraum und Innovationsachse A94“, wie Heimerl es beim Besuch von Ministerpräsident Markus Söder kürzlich in Schwindegg der Öffentlichkeit präsentierte.
PV-Freianlagen an den Autobahnböschungen
Der Landrat erläuterte vor Söder und Gästen aus Wirtschaft und Politik, warum er gerade Autobahnböschungen als Standort von PV-Freianlagen für ideal hält: „Hier haben wir den Zielkonflikt Teller oder Strom nicht“ - soll heißen, dass die Stromgewinnung an Straßenböschungen keine Ackerflächen für die Lebensmittelproduktion wegnimmt. Zusätzlich könnten diese PV-Anlagen entlang der A94 in die von Anliegern geforderten Lärmschutzwände integriert werden: „Eine kombinierte Nutzung der Wände für den Lärmschutz und zur Stromproduktion wäre eine echte ‚Win-win-Situation‘ und würde in der Bevölkerung große Zustimmung erfahren.“
Einen ersten Vorstoß habe er zusammen mit dem Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer (CSU) im Juli 2022 unternommen und Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, sowie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck um Unterstützung für entsprechende Projekte gebeten.
Bund gibt „Steilvorlage“ für Projekt
„Nun ist diese Idee ein wichtiger Bestandteil des Zukunftsprojekts“, stellte Heimerl jetzt fest. Die jüngsten Ampelbeschlüsse zu diesem Thema von Ende März 2023 wären dafür geradezu eine „Steilvorlage“. „Es soll kein Kilometer Autobahn mehr geplant werden, ohne die Möglichkeiten der Erzeugung erneuerbarer Energien auszuschöpfen“, heißt es im Koalitionspapier „Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung“ der Bundesregierung vom 28. März. Und weiter: „Für den Bestand werden die Voraussetzungen geschaffen, die Flächen entlang der Autobahnen grundsätzlich für erneuerbare Energieerzeugung zu nutzen.“
Allerdings hat die Bundesregierung diesen Bekundungen diesen Satz vorangestellt: „Die Autobahn GmbH, die Deutsche Bahn AG und Dritte werden den Ausbau zügig vorantreiben“ - und damit in Bundeshand behalten. Bei der Autobahn GmbH, deren Eigentümer der Bund ist, kam Heimerls Idee letztes Jahr zwar grundsätzlich gut an, trotzdem gab es eine Absage - denn die GmbH will solche Anlagen selbst bauen. Auch die Stellungnahme des Verkehrsministeriums zum Bau solcher PV-Anlagen in Bürgerhand fiel ablehnend aus.
„Das perfekte Mittel für die Energiewende“
Die OVB-Heimatzeitungen haben bei Landrat Max Heimerl nachgehakt, warum er trotz deutlichen Abwinkens von Bundesseite noch an dieser Idee festhält. „Unserem Konzept sind viele Gespräche, Abstimmungen und Diskussionen vorausgegangen – unter anderem mit der Autobahn GmbH und verschiedenen Ministerien“, teilt Heimerl mit. „Die Idee, Bürgerenergieanlagen mit PV-Lärmschutzmaßnahmen zu verbinden, ist aus unserer Sicht das perfekte Mittel, um die Energiewende sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich auf den Weg zu bringen. So fördern wir die Akzeptanz bei unseren Bürgern.“ Dass derartige Maßnahmen realistisch umgesetzt werden können, zeigten Beispiele aus der Region, wie zum Beispiel die Lärmschutzmaßnahme an der Montessori-Schule in Neuötting.
Der bayerische Ministerpräsident habe zugesagt, die Machbarkeitsstudie dafür auf den Weg zu bringen und zu finanzieren. „Die Autobahn GmbH ist bei unserem Konzept ausdrücklich ein enger Partner“, betont der Landrat trotz der bestehenden „Konkurrenzsituation“. „Denn auch für die Autobahn GmbH tun sich in der Umsetzung der von der Bundesregierung auferlegten Prüfung sehr viele Fragen auf, die sich mit unserer Studie partnerschaftlich beantworten lassen.“
Bund will PV-Anlagen für Eigenverbrauch
Auf die Frage, ob sich an der Einschätzung der Autobahn GmbH hinsichtlich der Chancen für Bürgerkraftwerke an der A94 etwas geändert hat, antwortet Josef Seebacher, Pressesprecher der Autobahn GmbH des Bundes, Niederlassung Südbayern: „Grundsätzlich gilt weiterhin, dass die Autobahn GmbH an einem bundesweit einheitlichen Konzept arbeitet, um auf den Autobahnflächen eigene PV-Anlagen für den Eigenverbrauch zu errichten. An einem Konzept für die Errichtung von PV-Anlagen für den Eigenverbrauch wird derzeit gearbeitet.“ Bei einem gemeinsamen Informationstermin mit dem bayerischen Verkehrsministerium habe der Mühldorfs Landrat seine Ideen für eine Innovationsachse entlang der A94 vorgestellt.
„Die Autobahn GmbH arbeitet derzeit an einem Konzept für die Errichtung von PV-Anlagen für den Eigenverbrauch“, sagt Seebacher zum momentanen Stand der Dinge. Was kombinierte PV-/Lärmschutz-Anlagen entlang der A94 angeht, „sind die Ergebnisse der zentralen Überlegungen der Autobahn GmbH abzuwarten“, so der Pressesprecher.
Keine aktuellen Daten über PV-Freianlagen im Landkreis
Genaue Angaben darüber, wie viele Hektar PV-Freianlagen es momentan im Landkreis gibt, liegen dem Landratsamt nicht vor. „Laut aktuellen Daten des Energie-Atlas Bayern - Stand: 31. Dezember 2020 - lässt sich Folgendes für PV Freiflächen-Anlagen im Landkreis Mühldorf sagen“, so die Pressestelle des Landratsamtes. „Zum Stand 31. Dezember 2020 gab es im Landkreis 23 Photovoltaik-Freiflächen als Einspeiseanlagen; die installierte Leistung je Freifläche betrug 21,4 MWp; auf diesen Freiflächen wurden 19.399 MWh Strom produziert.“
Laut Energie-Atlas Bayern werde für diese installierte Leistung ein Flächenbedarf von 2 ha/MWp angenommen. „Damit würde sich die Größe der PV-Freiflächen-Anlagen auf rund 43 Hektar im Landkreis belaufen – das entspricht aber nicht den tatsächlichen Gegebenheiten und ist nur ein Näherungswert“, so die Auskunft der Pressestelle. Da sich in den vergangenen Jahren die Leistung von PV-Modulen bei gleichbleibender Größe stark gesteigert habe, ergibt sich aktuell ein Flächenbedarf bei PV-Freianlagen von rund 1 ha/MWp.