Was hat ein oranges Kabel damit zu tun?
Doppelt so viele Pannen bei E-Autos laut ADAC- Mühldorfer Fachleute kennen die Gründe
Mehr als doppelt so oft musste der ADAC 2022 zu liegen gebliebenen E-Autos ausrücken. Mühldorfer Autohändler und Kfz-Meister nennen eine einfache Ursache und erklären, warum man (nicht nur) bei einer Panne auf gar keinen Fall ans orangefarbene Kabel fassen sollte.
Mühldorf - 52.000 statt 25.000 Pannen: Mehr als doppelt so oft musste der ADAC im vergangenen Jahr E-Autos nach Pannen helfen. Doch die Gründe bleiben im Dunkeln. So gibt sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDW) ein wenig ratlos. „Die aktuellen Ergebnisse sind dem Verband zufolge noch mit Unsicherheiten behaftet, da es aktuell vergleichsweise wenig Elektroautos gibt und die Fahrzeuge überwiegend jung sind“, heißt es beim GDW.
Versicherung bei Verbenner vs. E-Fahrzeuge
Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDW) haben E-Autos im Vergleich zu den Verbrenner-Modellen häufig eine günstigere „Typklasseneinstufung“ in der Kfz-Versicherung, weil sie im Schnitt zehn bis 15 Prozent weniger oder weniger teure Schäden aufweisen. Man vermutet, dass die noch geringe Reichweite damit zu tun hat.
Der ADAC führt die Pannenstatistik auf den massiven Anstieg der E-Autos zurück: So waren im Januar über eine Million E-Autos in Deutschland angemeldet, 64 Prozent mehr als im Vorjahr, dazu rund 865.000 Hybrid-Fahrzeuge (seit Januar 2022 plus 53 Prozent). Dadurch sei auch der sprunghafte Anstieg bei der ADAC-Pannenhilfe deutschlandweit in erster Linie zu erklären, sagt der verkehrs- und umweltpolitische Sprecher ADAC Süd, Alexander Kreipl, auf Nachfrage.
Keine erhöhte Brandgefahr bei E-Autos
Bleiben Autos auf der Strecke liegen, sei in den meisten Fällen eine leere Batterie ursächlich. Eine erhöhte Brandgefahr bei E-Motoren „ist in der Pannenhilfe in keinster Weise auffällig“, betont Kreipl. Wenn es mal brennt, sei die mediale Aufmerksamkeit umso größer, weil E-Motoren aufgrund der wesentlich längeren Hitzeentwicklung nur sehr aufwendig zu löschen seien.
Die gerade bei E-Fahrzeugen immer ausgefeilter werdende Technik, besonders die Elektronik der Steuerelemente, mache eine unkomplizierte Hilfe bei einer Panne schwierig, sagt Kreipl. „Externe Helfer etwa von kleineren freien Werkstätten können im Pannen-Fall womöglich gar nicht darauf zugreifen. Diese Daten bleiben ausgesuchten Werkstätten der Hersteller vorbehalten.“ Eine schnelle Weiterfahrt klappt in diesem Fall dann eher nicht.
Nicht jede Werkstatt kann im Pannenfall helfen
Im Zweifel muss das liegen gebliebene Auto in die nächste Hersteller-Werkstatt geschleppt werden. Bei E-Peugeots kann die Werkstatt des Autohauses Biedermann in Niederbergkirchen weiterhelfen. Bisher seien allerdings kaum E-Fahrzeuge dort gelandet, muss Klaus Biedermann zugeben. Auf den meisten Modellen laufe noch die Garantie - dann tausche man fehlerhafte Teile einfach aus, so der Verkaufsleiter. Probleme gebe es - wenn überhaupt - an den Ladestationen, weil dort oft nicht das passende Kabel zur Verfügung stehe. Sein Tipp an die E-Auto-Fahrer ist daher, stets das richtige Kabel mit dabei zu haben. „Erfahrungsgemäß machen sich die Kunden oft keine Gedanken. Strom im Kübel als Reserve mitzuführen, geht eben nicht.“
Und wie schaut es bei den E-Motoren aus? Biedermann konstatiert: „Die E-Motoren laufen einwandfrei.“ Ähnlich sieht das auch Matthias Speckmaier, der als Kfz-Meister in erster Linie eine freie Werkstatt führt, seit Kurzem aber auch Vertragshändler für die südkoreanische E-Auto-Marke SsangYong ist. „Während der normale Verbrenner-Motor aus zig Teilen besteht, gibt es bei E-Motor nur wenige Komponenten“, erklärt Speckmaier. Wenn da etwas nicht stimme, werde der Motos einfach ausgetauscht.
Geschultes „Hochvolt-Personal“ gibt‘s nicht überall
Wenn da nicht die Sache mit der Hochspannung wäre: Je nach Modell haben es die Profis in den Werkstätten mit rund 50 bis über 700 Volt zu tun. Ein falscher Handgriff wäre da fatal. Darum darf nicht jeder an E-Autos arbeiten - man muss spezielle Schulungen durchlaufen haben. Matthias Speckmaier hat alle drei möglichen erfolgreich absolviert und darf daher auch „nach eigenem Ermessen“ an E-Fahrzeugen hantieren, die in einen Unfall verwickelt waren und „wo die Spannungsfreischaltung nach Herstellerangaben nicht mehr möglich ist“, erklärt der Kfz-Meister. Dieses geschulte Personal haben noch nicht alle freien Werkstätten vorzuweisen, doch werden es immer mehr Kollegen, die sich „hineinfuchsen“, so Speckmaier.
Leerer Akku ist der häufigste Pannengrund
In der Vertragswerkstatt des Mühldorfer Autohauses Ostermaier arbeiten die „spezialisierten Techniker“ mit Schutzanzug an den Hochvolt-Batterien, sagt Werkstattleiter Hermann Huber. Auch bei Ostermaier sei man in der Werkstatt in erster Linie Markenvertretung für die E-Modelle von Audi und VW. Darüber hinaus werde es schwierig, muss auch Huber zugeben. Jedoch kommen seiner Einschätzung nach Pannen bei E-Fahrzeugen so gut wie kaum vor. Dass bei der Hochvolt-Batterie der Schutz nicht mehr zugehe oder eben der Akku leer gefahren werden, könne sich der Kfz-Meister als seltene Szenarien vorstellen.
Damit der Funke nicht auf den Fahrer überspringt
Aber wenn doch einmal eine Panne oder ein Unfall passiert? „Die Autofahrer haben Angst, dass sie einen tödlichen Stromschlag abbekommen“, so Huber, der sich auch bei der Feuerwehr engagiert - und abwinkt: „Die deutschen Hersteller bauen eigensicher. Das System ist mehrfach überwacht. Wenn beispielsweise der Airbag aufgeht oder ein Mader an die Kabel geht, macht das Auto hinten den Stromkreislauf zu.“
Das einzige, was Hermann Huber den E-Auto-Fahrern als Tipp mitgeben möchte: Einfach die Finger vom orangenen Kabel unter der Haube weglassen; die überall im europäischen Markt gleiche Signalfarbe bedeute Hoch-Volt.



