Aufruf an die Region Mühldorf
Weil’s pressiert: Landkreis sucht mit neuen Mitteln nach mehr Pflegeeltern
Der Landkreis Mühldorf sucht derzeit mit Hochdruck nach einem liebevollen Zuhause für Pflegekinder. Dazu schlägt das Landratsamt jetzt einen ungewöhnlichen Weg ein.
Mühldorf – Über 100 Kinder leben im Landkreis Mühldorf in Pflegefamilien. Tendenz steigend. Das Team des Pflegekinderdienstes sucht deshalb laufend Menschen, die ein Kind aufnehmen können – entweder für kurze Zeit als Bereitschaftspflege oder dauerhaft als Pflegefamilie.
Momentan ist die Not groß
Die Not ist momentan so groß, dass das Landratsamt bei dieser Suche ganz neue Wege einschlägt. Die Mitarbeiter der Behörde verbreiten seit Tagen entsprechende Aufrufe und nutzen dafür ihre privaten Netzwerke.
„Wegen der dringenden Suche nach Pflegeplätzen für insgesamt sechs Kinder haben wir uns dazu entschlossen, diesen Weg zu gehen“, erklärt Landkreis-Pressesprecher Wolfgang Haserer aus Nachfrage des OVB. „Grundsätzlich gilt: Je mehr Personen diese Botschaft erreicht, umso mehr findet das Thema Pflegekinder auch dauerhaft seinen Platz in der Gesellschaft.“ Der Landkreis hat vor Jahren schon einmal mit ungewöhnlichen Mitteln nach Pflegeeltern gesucht: mit Aufdrucken auf Bäcker-Tüten.
Ungeborenes Baby hat noch keine Pflegeeltern
Aktuell sind die Mitarbeiter händeringend auf der Suche nach sechs weiteren Pflegestellen – unter anderem für ein Neugeborenes, das voraussichtlich noch im März das Licht der Welt erblicken wird. „Das ist auch für uns eine außergewöhnliche Situation“, sagt Eva Obermaier, Teamleiterin des Pflegekinderdienstes. „Wenige Tage vor seiner Geburt ist nicht klar, in welchem Haus die Wiege dieses Babys stehen wird.“
Fünf kleine Mädchen brauchen ein Zuhause
Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen arbeitet sie derzeit unter Hochdruck daran, auch für andere kleine Kinder ein liebevolles Zuhause zu finden: für ein zweijähriges Mädchen, das vorübergehend in einer Bereitschaftspflegefamilie lebt; für ein dreijähriges Mädchen, das seit Januar in einer stationären Wohngruppe lebt; und für drei Mädchen im Alter von zwei, vier und sechs Jahren, die seit einer familiengerichtlichen Entscheidung gerade in einem Heim aufwachsen.
Ein ehemaliges Pflegekind erzählt
So belastend und schwierig die Umstände in den Herkunftsfamilien meistens sind, so richtungsweisend kann die Aufnahme in einer Pflegefamilie für die betroffenen Kinder und Jugendlichen sein. „Die eigene Familie zu verlassen oder verlassen zu müssen, ist ein wahnsinnig großer Schritt, der in meinem Fall auch mit viel Schmerz verbunden war“, erzählt ein ehemaliges Pflegekind aus dem Landkreis. „Aber für mich war es damals der einzige Ausweg, um so zu leben, wie ich es heute kann.“
Die damalige Unterstützung durch den Pflegekinderdienst habe sie sogar ermutigt, jetzt ein Studium mit sozialem Schwerpunkt anzustreben. „Es war ein gutes Gefühl zu spüren, dass alle nur helfen wollen. Das würde ich in meinem Beruf später auch gerne weitergeben.“
„Wir fühlen uns nicht wie eine Pflegefamilie“
Wie bereichernd die Entscheidung, ein Pflegekind aufzunehmen, sein kann, berichtet eine Pflegemutter aus Ampfing, die seit 2014 mit ihrem Ehemann drei Vollzeit-Pflegekinder betreut: „Im Alltag spielt das Thema längst keine Rolle mehr, auch weil wir ganz offen damit umgehen. Wir fühlen uns nicht wie eine Pflegefamilie, sondern leben unser gemeinsames Leben, mit allen Höhen und Tiefen.“
Landratsamt unterstützt mit Rat und Tat
Der Kontakt zum Pflegekinderdienst habe sich vom ersten Tag an sehr positiv gestaltet: „Gerade in den Anfangsjahren tauchen viele Fragen auf, die es zu klären gilt. Da waren und sind wir bis heute bestens betreut. Man wächst mit dieser Aufgabe, so wie in jeder Familie mit leiblichen Kindern auch.“
Voraussetzung: Ein großes Herz für Kinder
Eva Obermaier erklärt, dass für eine Pflegestelle Familien, Paare – auch gleichgeschlechtlich – und Einzelpersonen infrage kommen. Eine besondere pädagogische Qualifikation oder Ausbildung ist hierzu nicht erforderlich. „Wer ein großes Herz für Kinder hat, erfüllt schon einmal die wichtigste Voraussetzung“, sagt sie. Darüber hinaus brauche es vor allem ein stabiles Umfeld, Zeit, Geduld, Belastbarkeit und Toleranz.
Die monatliche Pflegepauschale beträgt – je nach Altersstufe des Kindes – bis zu 1.200 Euro. Diese Vergütung ist prinzipiell steuerfrei. Zusätzlich können auf Antrag der Pflegeeltern Zuschüsse zu weiteren Leistungen wie zum Beispiel für die Erstausstattung für Möbel und Bekleidung gewährt werden.
„Engagement ist mit Geld nicht zu bezahlen“
Auch wenn es finanzielle Unterstützung gibt: „Das Engagement als Pflegemutter oder -vater ist mit Geld nicht zu bezahlen“, betont Obermaier. „Dafür werden die Pflegeeltern anders belohnt. Mit dem Wissen, etwas Sinnvolles zu tun. Und mit der Freude helfen zu können.“
Die Resonanz auf den Aufruf ist groß
„In den sozialen Medien wurde der Beitrag bis Donnerstagvormittag (21. März) über 300 Mal geteilt“, stellt Haserer fest. „Darüber hinaus wurde der Aufruf an Multiplikatoren wie Bürgermeister, Kreisräte, Landtags- und Bundestagsabgeordnete, sowie Verbände und Kindertages- und Bildungseinrichtungen versandt.“
Es gibt schon Interessenten
Die Resonanz auf den Whatsapp-Aufruf ist groß. „Neben vielen positiven Rückmeldungen zur Arbeit des Pflegekinderdienstes haben sich innerhalb der ersten 24 Stunden mehrere Personen gemeldet, die Interesse an der Aufnahme eines Pflegekindes haben“, freut sich der Pressesprecher. „Wir hoffen, dass sich auch weiterhin viele Interessenten melden, denn der Pflegekinderdienst sucht laufend Plätze für Kinder.“
Landrat Max Heimerl, der auch selbst aktiv auf Whatsapp für die Suche wirbt, bedankt sich bei allen Mitarbeitern und Multiplikatoren: „Vielen Dank für das persönliche Engagement und die Bereitschaft, für ein so wichtiges Thema auch die persönlichen Netzwerke zu nutzen.“
Bei Interesse an der Aufnahme eines Pflegekindes erreichen Sie den Pflegekinderdienst unter Telefon 08631/699-494 oder per E-Mail an eva.obermaier@lra-mue.de. Weitere Informationen gibt es auch online.