Ungewöhnliche Entscheidung einer Mühldorferin
Ulla (67) plant die Zeit nach ihrem Tod: So sollen andere von ihrer Leiche profitieren
Ulla Gaier aus Mühldorf hat sich schon früh mit ihrem Tod beschäftigt. Und dabei eine einschneidende Entscheidung getroffen. Damit wird bei ihr alles anders als bei den meisten anderen Menschen.
Mühldorf – Was viele Menschen von sich weisen ist für Ulla Gaier selbstverständlich: Die Auseinandersetzung mit dem Tod. „Ich habe keine Angst vor dem Sterben, doch möchte ich zu Lebzeiten meinen Abschied genau geregelt wissen“, sagt die 67-Jährige.
Weder bestatten, noch verbrennen
Im vergangenen Jahr entschied sich die Mühldorferin ihren Körper nach dem Tod der Anatomischen Anstalt in München zu vermachen: als Forschungsobjekt für angehende Mediziner.
Ganz selbstverständlich zieht Ulla den Spenderausweis aus ihrem Portemonnaie hervor. Darauf steht, wie nach ihrem Tod zu handeln ist: „Nach meinem Ableben stelle ich meinen Körper für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung“, steht dort. Und dass das Anatomische Institut der Uni München zu verständigen sei.
Ohne Leichen kein Studium
Die Pressestelle der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU) erläuterte auf Anfrage die große Bedeutung von Körperspenden: „Die Anatomie ist eine wichtige Grundlagenwissenschaft der Medizin. Ohne Körperspenden ist kein Anatomie-Unterricht mit einem Präparierkurs möglich. Der Präparierkurs ist nach übereinstimmender Meinung der Anatomen im deutschsprachigen Raum der Goldstandard für die Ausbildung von angehenden Ärzten, da nur er die Möglichkeit bietet den Körper in seiner Dreidimensionalität und mit allen Details tatsächlich zu begreifen“.
Die Vorstellung, nach ihrem Tod der Wissenschaft zu dienen, gefällt Ulla Gaier. Sie sagt: „Ich habe in Bayern keine Verwandtschaft, es könnte also niemand mein Grab pflegen. Mein Cousin und seine Familie wissen Bescheid, wie ich mir den Abgang aus dem irdischen Dasein vorstelle“.
Schon als junge Frau an die Körperspende gedacht
Als junge Frau sei ihr schon mal der Gedanke gekommen, ihren Körper wissenschaftlichen Zwecken zur Verfügung zu stellen. Aber dann habe sie diese Idee wieder verworfen, Job und Karriere kamen daher und beides nahm die heutige Mühldorferin voll in Anspruch.
„Vor rund einem Jahr“, erzählt sie, „kontaktierte ich ein Beerdigungsinstitut, um mal zu checken, welche Kosten auf mich zukommen würden“. Gaier will ihren Erben keine Bestattungskosten aufbrummen, das will sie selbst erledigen und begleichen.
Der Mühldorferin erschien die Summe, die für eine Beerdigung aufzubringen ist, viel zu hoch. „Das ist ja Wahnsinn, was das kosten würde, da mache ich nicht mit.“ Sie erinnerte sich an die Möglichkeit der Körperspende und startete ihren Computer, um sich Informationen auf der Webseite der Anatomischen Anstalt zu holen.
Schmunzelnd sagt die 67-Jährige: „Bei einer Spende kommt man billiger weg“. Allerdings fallen auch bei der Körperspende Kosten an, wie die Pressestelle der LMU mitteilt: „Für die Überlassung des Körpers kann keine finanzielle Entschädigung bezahlt werden. Im Gegenteil zwingen uns die Folgen der Gesundheitsreform, nämlich die Streichung des Sterbegeldes dazu, von jedem Vermächtnisgeber die Zuzahlung von 1.150 Euro zu den Bestattungskosten zu erbitten.“ Die über diesen Betrag hinausgehenden Kosten, die für Gebühren, Überführung und Feuerbestattung anfallen, trägt die Anatomie. Nach jedem Präparierkurs wird eine Feuerbestattung durchgeführt. Die Urne wird auf dem Waldfriedhof München beigesetzt.
Skalpelle von Studentinnen und Studenten gegen Würmerfraß
Wie geht es ihr mit der Vorstellung, dass ihr toter Körper von Studenten „zergliedert“ wird? „Damit habe ich kein Problem, im Gegenteil. Bei dem Gedanken im Grab von Würmern zerfressen zu werden, kommt doch auch keine Begeisterung auf“.
Statt Würmern also Chemie: „Nach Eintreffen im Institut wird der Körper mithilfe einer Flüssigkeit konserviert und bis zur Präparation im Kurs aufbewahrt“, erklärt ein Institutssprecher auf Anfrage.
Organspende aus Altersgründen nicht mehr möglich
Für Ulla Gaier ist die Option, nach ihrem Ableben noch Gutes tun zu können, einfach eine sehr gute Entscheidung. „Eine Organspende“, so betont sie und krault dabei ihren Kater Rudi, „kommt für mich aus Altersgründen nicht mehr infrage, aber der rein wissenschaftliche Aspekt an der LMU gefällt mir“.
Informationen und Unterlagen zum Thema Körperspende gibt es auf der Internetseite der Anatomischen Anstalt der LMU München und unter Telefon 089/218072601 erhältlich.