Bereits einschlägig vorgeahndet
Paket in der Packstation übersehen – das brachte einen Mann (20) vor Mühldorfs Gericht
Ein Packerl mit brisantem Inhalt landete bei der falschen Person. Die Polizei forschte nach und kam dabei weiteren, abstoßenden Vergehen auf die Spur. Was der 20-Jährige schon alles auf dem Kerbholz hat.
Mühldorf – Der junge Mann macht, wie er da in dunkelblauem Hemd und gut frisiert an der Anklagebank sitzt, einen ordentlichen und harmlosen Eindruck. Sein Blick wirkt etwas leer und weich, aber trotzdem hält er dem Richter und den anderen Akteuren im Gerichtssaal stand. Die Hände hält er fest ineinander verschränkt. So fest, dass die Fingerspritzen rot anlaufen.
Der 20-Jährige aus dem südlichen Landkreis Mühldorf war vor dem Schöffengericht Mühldorf angeklagt. Die Staatsanwaltschaft Traunstein legte ihm zum einen den Besitz von kinder- und pornografischen Schriften und zum anderen den Besitz von Drogen und den Handel damit vor.
Drogen über das Darknet bestellt
Laut Anklage hatte der heute 20-Jährige von Mai bis Oktober 2022 in acht Fällen Marihuana über das Darknet bestellt. Die Pakete mit den Drogen darin ließ er sich an eine Packstation schicken. Die achte Drogenlieferung brachte ihm Pech. „Ich habe das Paket echt übersehen, denn ich hatte an dem Tag auch andere Päckchen in meinem Fach“, räumte der Angeklagte freimütig ein. Es wurde von einer späteren Postkundin gefunden, als diese ihre Pakete abholte. Sie öffnete das Päckchen ohne Absender, entdeckte die Drogen und brachte es zur Polizei Waldkraiburg.
Handy-App hilft den Ermittlern
Im November 2023 suchte die Kriminalpolizei den jetzt Angeklagten an seiner Arbeitsstelle auf. Dabei wurde sein Smartphone sichergestellt und nach den Drogenkäufen ausgewertet. Wie ein Kripobeamter vor Gericht aussagte, waren beinahe alle Chatverläufe gelöscht. Doch die DHL-App auf dem Handy lieferte aufschlussreiche Hinweise auf den Empfänger, der Absender konnte nicht ermittelt werden.
Pornografische Aufnahme einer 7-Jährigen
Auf dem Handy entdeckten die Ermittler auch pornografische Bilder. Diese auf dem sichergestellten Smartphone gespeicherten Fotos zeigten laut Anklageschrift, Kinder und Jugendliche. „Mindestens eine der Personen war erkennbar unter 14 Jahre alt“ so die Anklägerin. Eine Aufnahme zeigt eine circa 7-Jährige, die an einem erwachsenen Mann sexuelle Handlung vornimmt, die anderen 14- bis 15-jährige Mädchen und Jungen, in sexuellen Posen mit erwachsenen Männern und Frauen. Wie der Angeklagte selbst vor Richter Dr. Christoph Warga gestand, hatte er die sechs Fotos als Teil einer WhatsApp-Gruppe zugeschickt bekommen. Er habe sie gespeichert und vergessen.
Der Angeklagte gab auch zu, die insgesamt ein Kilogramm Marihuana für 7,50 Euro pro Gramm gekauft und zum Teil weiter verkauft zu haben. „Ein Drittel habe ich einem Kumpel zum Einkaufspreis abgegeben, ein Drittel habe ich selbst konsumiert und den Rest habe ich für 10 Euro pro Gramm weiterverkauft.“ Der Kontakt zu dem Verkäufer der Drogen sei über Instagram und später über Telegram gelaufen. Bezahlt habe er in Bitcoins über den Bezahldienst Paysafe, der laut Kripo gern verwendet wird, wenn Geldflüsse verschlüsselt werden sollen.
„Ich rauche regelmäßig Joints“
Seit er aufgeflogen ist, habe er diese Drogenbestellungen gelassen. „Ich rauche noch immer regelmäßig Joints, aber viel weniger als früher“, gab der 20-Jährige zu. Wenn er im März seine neue Arbeitsstelle antrete, wolle er den Konsum ganz sein lassen. Er wolle in Zukunft ein straffreies Leben führen und Geld verdienen.
Angeklagter schon einschlägig bekannt
Richter Warga verlas das Bundeszentralregister mit drei Einträgen aus den Jahren 2018, 2019 und 2021. Darunter auch der Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie Besitz von und Handel mit Betäubungsmitteln. Eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe bescheinigte dem Angeklagten Reifeverzögerung und ein Suchtproblem.
In ihrem Plädoyer forderte die Staatsanwältin einen Schuldspruch und „aus erzieherischen Gründen“ eine Jugendfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten sowie einen Wertersatz für die Drogenerlöse. Eine Bewährung sei möglich. Das umfassende Geständnis wertete sie als positiv und strafmildernd.
„Überschießendes“ Geständnis ein großes Plus
Auch für Verteidiger Alex Reiter war die Schuld seines Mandanten gegeben. Allerdings erkannte er „hier und heute“ keine schädlichen Neigungen. „Die Fotos hat er besessen und vergessen und er war selbst den Drogen verfallen“, so der Rechtsanwalt. Das Geständnis nannte er „überschießend“, sein Mandant sei erkennbar gereift. Der Angeklagte selbst verzichtete auf sein letztes Wort.
Jugendstrafe zur Bewährung
Das Schöffengericht sprach den Angeklagten schließlich schuldig und verhängte wegen offenkundiger Reifeverzögerung eine Jugendfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Sie wurde auf zwei Jahre Bewährung mit Bewährungshelfer ausgesetzt. Auch eine Suchtberatung muss der Verurteilte aufsuchen und nachweisen. „Es ist die erste Jugendstrafe und Sie haben eine Arbeit in Aussicht“, so Warga. „Sie wirken einsichtig und beeindruckt.“ Als Wertersatz errechnete das Gericht einen Betrag von 2666 Euro. „Diese Kosten werden Sie noch geraume Zeit daran erinnern, dass das, was Sie gemacht haben, ein Schmarrn war.“
„Schädliche Neigungen liegen vor“
Dem Angeklagten wurde sein „überschießendes Geständnis“ zugutegehalten sowie die „überschaubare“, geringe Menge an pornografischen Fotos, die Tatsache, dass Marihuana eine „weiche Droge“ sei und dass die Taten schon länger zurückliegen. Negativ wurde bewertet, dass er bereits mehrfach und auch einschlägig vorgeahndet war. „Schädliche Neigungen liegen vor“, stellte der Richter fest. „Auch, weil es so unterschiedliche Deliktarten sind.“
Nächster Gerichtstermin steht schon fest
Im April erwartet den 20-Jährigen ein Verfahren wegen Körperverletzung – mit einem Faustschlag soll er einem anderen die Nase gebrochen haben. Dann wird er wieder auf der Anklagebank im Amtsgericht Mühldorf sitzen.