Sommerinterview mit Bürgermeister Michael Hetzl
Mühldorf: Gute Aussichten für Kinder, aber keine Lösung für das große Stadtthema
Mühldorf – Gute Nachrichten aus der Stadtpolitik hat Bürgermeister Michael Hetzl bei der Kinderbetreuung. Auf einem anderen Feld scheint eine Lösung dagegen in weiter Ferne.
Bekommt in Mühldorf jeder, der will, einen Kindergarten oder - krippenplatz?
Michael Hetzl: Die Situation in Mühldorf ist immer noch sehr gut, der gesetzliche Anspruch wird erfüllt. Wir haben zum neuen Kindergartenjahr, das im September beginnt, alle Anfragen decken können.
Woran liegt es, dass die Situation in Mühldorf so gut ist?
Hetzl: Die Kreisstadt hat seit vielen Jahren die Kinderbetreuung konsequent weiterentwickelt und frühzeitig investiert. Erst vor zwei Wochen haben wir die Kinderkrippe an der Harthauser Straße eingeweiht, daneben wird ein viergruppiger Kindergarten gebaut.
Wie viel Geld hat die Stadt in den letzten Jahren in die Kinderbetreuung investiert?
Hetzl: Wir haben seit 2018 rund 10 Millionen Euro in Kinderbetreuungseinrichtungen investiert, für den neuen Kindergarten an der Harthauser Straße rechnen wir mit weiteren 5 Millionen Euro. Wie wichtig das Thema der Stadt ist, sieht man anschaulich an unserem Stellenplan. Von den insgesamt 400 Mitarbeitern der Stadtverwaltung sind mehr als 100 im Kinder- und Erziehungsdienst angestellt. Das sind mehr Beschäftigte als im ganzen Rathaus.
Hat die Stadt Schwierigkeiten Erzieherinnen zu finden?
Hetzl: Wir konnten den Personalbedarf bisher immer decken, aber es ist ein schwerer Kampf. Immerhin müssen wir noch nicht auf fachfremdes Personal als Hilfskräfte zurückgreifen, obwohl das neuerdings rechtlich möglich ist und anderswo praktiziert wird.
Wie sieht es bei der Ganztagsbetreuung für Schulkinder aus?
Hetzl: Mit dem Modellversuch der kooperativen Ganztagsbetreuung sind wir sehr weit voraus. Wir haben derzeit 327 Anmeldungen für 500 Plätze, da ist also noch viel Luft. Seit dem vergangenen Schuljahr bieten wir Ganztagsbetreuung komplett in allen Klassen an. Dazu kommt der Hort der AWO mit 80 Plätzen.
So sieht es mit dem Rechtsanspruch für Erstklässler aus
Ab 2026 gibt es einen Rechtsanspruch für alle Erstklässler. Wird die Stadt den erfüllen?
Hetzl: Wir sind jedenfalls dank des Modellversuchs doppelt gut gerüstet: Erstens sind wir zwei Jahre früher dran als andere, zweitens decken wir sogar schon alle Jahrgangsstufen ab. Und dank der Förderung aus dem Modellprojekt ist das für uns bislang finanziell ein Nullsummenspiel. Momentan ist also alles gut. Ob die Kommunen insgesamt und auch wir 2026 das Geld haben, ob die benötigten Fachkräfte verfügbar sind, muss sich dann zeigen.
Was wird aus dem Sümö-Gelände?
Die CSU hat sich mit einem neuen Vorschlag zur Gestaltung des Sümö-Geländes in der Altstadt gemeldet. Was passiert jetzt?
Hetzl: Momentan ändern wir am Verfahren gar nichts. Wir werden nicht bei null anfangen, dazu bekommen wir auch die Zustimmung der Regierung von Oberbayern nicht. Ein komplettes Verwerfen der bereits erarbeiteten Planungen ist weder fachlich erforderlich noch wirtschaftlich vertretbar. Das sieht übrigens auch die Regierung exakt so.
Grundlage bleiben also die bisherigen Pläne?
Hetzl: Ja. Es gab einen Wettbewerb mit gut begründeten Vorgaben und Ergebnissen. Die CSU macht nun viele Vorschläge, die nicht genehmigungsfähig, umsetzbar oder bezahlbar sind – wie etwa beim Campus. Wir wissen von Edeka und Rewe, dass sie großes Interesse haben, den Supermarkt in der Stadt zu betreiben. Aber für beide ist es eine Voraussetzung, dass durch eine Lage an der Innstraße nicht nur Laufkundschaft angezogen wird. Das ist im CSU-Vorschlag nicht gegeben.
Das heißt, Sie ignorieren die Vorschläge?
Hetzl: Nein, sie werden nicht ignoriert. Über darauf basierende Anträge obliegt die Entscheidung dem Stadtrat. Wir haben die Vorschläge der Regierung von Oberbayern zugesandt, von der es eine Stellungnahme dazu geben wird. Auch auf Grundlage dieser Antwort werden wir sehen, wie es weitergeht. Bis jetzt waren die Regierung und das Landesamt für Denkmalpflege in die Planung involviert. Die sprechen da ein gehöriges Wort mit, zum Beispiel bei der Gebäudestruktur. So gab es sehr gute Gründe, warum man die Mittelschule vom Stadtzentrum in den Norden ausgesiedelt hat. Und es gab sehr gute Gründe, warum man 2018 den Campus dort nicht angesiedelt hat, obwohl das im Gespräch war.
Sie halten also am Campus im Industriegebiet fest?
Hetzl: Nein, das tut auf lange Sicht keiner der Beteiligten. Es streitet niemand ab, dass der Campus im Industriegebiet ein Interim und nicht die Wunschlösung ist. Der Mietvertrag läuft aber noch bis 2045. Die entscheidende Frage ist die Finanzierung eines neuen Campus, die der Landkreis und die Stadt alleine nicht werden stemmen können. Voraussetzung sind also Gelder des Freistaats, die es nach jetzigem Stand bis auf Weiteres nicht gibt.
Dann bleibt der Campus im Industriepark?
Hetzl: Wir haben ein Grundstück in Mühldorf-Nord in der Nähe der Mittelschule, für dessen Nutzung als Campus es ein Konzept gibt. Es gibt auch die Ideen, den Campus am Bahnhof zu betreiben. Und jetzt haben wir die CSU-Version, ihn auf dem Sümö-Gelände zu integrieren. Am Ende hängt die Standortentscheidung am Votum unseres Stadtrats, an den Bedürfnissen der Technischen Hochschule Rosenheim und insbesondere an der Förderung durch den Freistaat Bayern.
Sowohl in Nord als auch am Bahnhof fällt aber die von der CSU angestrebte Belebung der Innenstadt weg.
Hetzl: Ja, das stimmt. Aber Studierende zählen auch zu den kaufschwächsten Personengruppen in Deutschland. Ich gehe nicht davon aus, dass sie nachmittags nach der Vorlesung zum Einkaufen in die Geschäfte am Stadtplatz strömen würden. Mir wäre es da wichtiger, in Bahnhofsnähe die bestmögliche Verkehrsanbindung für einpendelnde Studierende zu schaffen. Das wäre für die Studierenden die beste Lösung mit den wenigsten Anfahrtsproblemen – und wir würden ein Stück Autoverkehr aus der Stadt herausbekommen.
Wenn die Zahl der Studenten wie angestrebt in den nächsten Jahren auf 1000 steigt, wird das derzeitige Gebäude zu klein. Was dann?
Hetzl: 1000 Studierende in Mühldorf wird es erst nach erfolgter Erweiterung geben können. Falls dafür die Mittel vom Freistaat kommen sollten, wird die Standortfrage virulent sein. Bei einer Erweiterung im Industriegebiet würde buchstäblich ein Standort zementiert, den niemand auf Dauer will. In der Sümö-Vision der CSU ist eine erste Erweiterung ja schon eingeplant. Ich gehe aber davon aus, dass langfristig weitere Erweiterungen unausweichlich sein werden – für weit mehr als 1000 Studierende. Aber wo soll für diese in der Innenstadt dann Platz sein, wenn zugleich ein großzügiger Park entstehen und dauerhaft gesichert sein soll? Wir müssen aufpassen, dass wir uns hier nicht wie beim Krankenhaus Optionen verbauen. Eine Lösung mit zwei Standorten wiederum zieht zwangsläufig unerwünschten innerstädtischen Pendelverkehr nach sich. Besser wäre die Wahl eines Standorts, der der Hochschule auch strategisch alle Entwicklungsmöglichkeiten bietet – zum Beispiel in Bahnhofsnähe.