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Neues Buch: „Geht eine Tradition verloren“

Die verlorene Seele Mühldorfs: Geschichten über Wirtshäuser, Bier und Stammtische

Reich bemalte Krüge zeugen heute noch von der einstigen Braukultur in Mühldorf. Martin Stadler (von links), Daniel Baumgarnter, Marieberthe Hoffmann-Falk, Stadtarchivar Edwin Hamberger und Dr. Norbert Stellner lassen diese Kultur im neuen Buch des Heimatbundes wieder aufleben.
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Reich bemalte Krüge zeugen heute noch von der einstigen Braukultur in Mühldorf. Martin Stadler (von links), Daniel Baumgarnter, Marieberthe Hoffmann-Falk, Stadtarchivar Edwin Hamberger und Dr. Norbert Stellner lassen diese Kultur im neuen Buch des Heimatbundes wieder aufleben.

Das neueste Buch des Mühldorfer Heimatbundes widmet sich Mühldorfs einstiger Brau- und Wirtshauskultur. Warum das Brauerei- und Wirtshaussterben auch Mühldorfs und Bayerns Seele bedroht.

Mühldorf – Wer mit offenen Augen durch den Landkreis fährt, sieht sie allerorten: alteingesessene Wirtshäuser, die geschlossen sind, deren Fassaden bröckeln, deren Fensterscheiben verstaubt und trüb sind. Einst pulsierte hier das Leben: Hier aßen und tranken die Menschen, redeten und diskutierten sie, hier spielten, lachten und stritten sie, hielten sie ihren Leichenschmaus ab. Jetzt sind diese Orte es hier nur noch dunkel, kalt, modrig und voller Spinnweben.

Egal ob in Kraiburg, Ampfing oder eben Mühldorf: Immer mehr traditionelle Gasthäuser stehen leer. Auch die Brauereien, die sie einst mit Bier belieferten, gibt es schon lange nicht mehr. Und den kräftigen Geruch von Hopfen und Malz, den sie verströmten, haben immer weniger in der Nase. 

Bier und Wirtshäuser prägten das Leben und Bayern

Die Bier- und Wirtshauskultur hat das Leben und Bayern geprägt – auch in Mühldorf mit seinen einst zahlreichen Brauereien. „So eine Brauerei und Wirtshaus ist immer für jeden Ort wahnsinnig wichtig. Das ist letztlich Teil der Identifikation“, betont Mühldorfs Stadtarchivar Edwin Hamberger. Mit dem Verlust geht auch ein Stück Identität verloren. „Auf jeden Fall“, meint Hamberger.

Dieser verschwundenen Seele Bayerns widmet sich der Heimatbund Mühldorf mit seinem neuesten Buch: „Mühldorfer Brau- und Wirtshauskultur – Geschichte und Geschichten“, das der Heimatbund jetzt vorstellt. Auf 274 Seiten beleuchten die 13 Autoren das Thema.

Von „Mass“, „Blempe“ und „Sauferts“ bis nach Korea

Es geht um die Geschichte der Mühldorfer Brau- und Wirtshauskultur und ihre Menschen. Es geht um echte und falsche Bierbrauer, um die „Mass“ und Gerichtsmassiges, um „Blempe“ und „Sauferts“. Es geht um den Weg der Mühldorfer Braukunst bis nach Amerika oder Korea, den Mühldorfer Bierboykott anno 1910 und um vieles mehr. Die Redakteure Edwin Hamberger, Marieberthe Hoffmann-Falk, Martin Stadler und Dr. Norbert Stellner sorgten dafür, dass die Artikel nicht nur reichlich bebildert, sondern auch gut geschrieben und immer fundiert sind. 

Martin Stadler (von links), Daniel Baumgarnter, Marieberthe Hoffmann-Falk, Stadtarchivar Edwin Hamberger und Dr. Norbert Stellner lassen dies Mühldorfer Brau- und Wirtshauskultur im neuen Buch des Heimatbundes wieder aufleben.

„Ich habe gar nicht so gewusst, welch’ bedeutende Rolle die Wirtshäuser im kulturellen Leben Mühldorfs hatten“, gesteht Stellner ein. Dort habe ja auch das gesamte kulturelle Leben stattgefunden: Kommunalpolitik, Theater, klassische Konzerte, ja sogar Filmvorführungen. Das sei ihm erst durch die Arbeit an dem Buch bewusst geworden.

Die Industrialisierung, das künstliche Kühlen des Biers, der Wandel nach dem Zweiten Weltkrieg und nicht zuletzt die vielen Vereinsheime machten dem ein Ende.

„Da geht eine Tradition verloren“

Das war zugleich das Ende der bisherigen Stammtische. „Wir sitzen heute alle zu Hause und sind in unserer sozialen Blase unterwegs. Jeder wuselt vor sich hin und wir tauschen uns nicht mehr aus“, glaubt Hoffmann-Falk. „Da geht eine Tradition verloren.“

Stolz präsentierte sich die Belegschaft der Turmbräuerei Mühldorf 1904 dem Fotografen.

Die Stammtische, so die Redakteure, seien besser als ihr Ruf. „Sie müssen halt breit aufgestellt sein. Sie dürfen keinen ausschließen“, erklärt Hamberger. „Sie sollen die Gesellschaft abbilden, und unsere Gesellschaft ist halt bunt.“

„Jede Stadt braucht ein Gasthaus“

Stadtarchivar und Mitautor Hamberger plädiert daher für ein Aufleben der Brau- und Wirtshaustradition: „Jede Stadt braucht ein Gasthaus mit einem kleinen Saal, wo man sich zum Beispiel als Verein treffen kann. Für mich ist ein gutes Gasthaus, wo man einfach zusammenkommen kann und – auch das muss man in der Kommunalpolitik sehen – Probleme auch mal an einem Biertisch besprechen kann, ohne blöde E-Mails hin und her zu schicken.“

Reich bemalte, persönliche Bierkrüge zeugen noch heute von dem ehemaligen Stellenwert der Braumeister und ihrer Kunst wie der Krug des Brauers Georg Schiermeier.

Der Heimatbund erinnert mit diesem Buch an diese verlorene Kultur, lässt sie wieder lebendig werden. Und ein klein wenig hoffen die Autoren, dass die Leser erkennen, warum ihr Verschwinden „schade ist, warum es wichtig ist, wenn sowas vielleicht wieder entstehen könnte“, warum ein neues Aufleben unterstützt werden sollte, so Stadtarchivar Hamberger.

Einen Erfolg hat das neue Buch bereits: Zumindest seine Redakteure fanden wieder zum Bier und ins Wirtshaus. Als Marieberthe Hoffmann-Falk von den vielen Biergärten las, dachte sie sich: „Da war ich ja noch nie. Da muss ich mal hin.“ Und bei dem Weintrinker Hamberger steht jetzt immer ein Kasten Sterr-Bier im Keller.

Das war anno 1909 noch eine Einheit: Glaube, Gastlichkeit und Konzertsaal.

Es gibt noch viel mehr zu erzählen

Mit dem neuen Buch ist noch längst nicht alles erzählt, sagt Hoffmann-Falk: „Wir haben versucht, ganz viele Facetten rund um das Bier und das Brauen zu beleuchten. Aber es gibt bestimmt noch einmal so viele.“

„Mühldorfer Brau- und Wirtshauskultur – Geschichte und Geschichten“

Das neueste Buch des Mühldorfer Heimatbundes „Mühldorfer Brau- und Wirtshauskultur – Geschichte und Geschichten“ kostet 28 Euro. Es hat 274 Seiten und ist erhältlich bei der Buchhandlung Herzog (Mühldorf und Waldkraiburg), Buchhandlung Rupprecht (Mühldorf), Schreibwaren Stecher (Neumarkt-Sankt Veit), Heimatmuseum Lodronhaus (Mühldorf), Stadtarchiv Mühldorf oder direkt beim Geschichtsverein Heimatbund Mühldorf (heimatbundmuehldorf@gmx.de).

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