Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Peter Heinl ist 100-facher Billionär

266 Milliarden Mark für ein Bier – So traf die Hyperinflation den Landkreis Mühldorf

Peter Heinl aus Oberflossing besitzt einen der höchsten Geldscheine, die jemals gedruckt wurden: In seinen Händen hält er einen Einhundert-Billionen-Mark-Schein.
+
Peter Heinl aus Oberflossing besitzt einen der höchsten Geldscheine, die jemals gedruckt wurden: In seinen Händen hält er den Einhundert-Billionen-Mark-Schein.

Zehn Prozent Inflation im vergangenen Jahr – vor 100 Jahren ging es manchmal über Nacht so schnell. Das zeigt der größte Geldschein, der je gedruckt wurde. Peter Heinl aus Oberflossing besitzt ihn und ist damit 100-facher Billionär.

Mühldorf/Oberflossing – Seit über einem Jahr klagen die Menschen über die hohe Inflation. Vor 100 Jahren setzte die Geldentwertung der Bevölkerung nach dem Ersten Weltkrieg noch stärker zu: Lebensmittel und andere Produkte waren knapp, während immer mehr Geldscheine in den Umlauf gebracht wurden. Zeitweise verlor das Geld schneller an Wert, als es nachgedruckt werden konnte. 

Peter Heinl aus Oberflossing sammelt Geldscheine. Nicht selten sei es während der Hyperinflation 1923 vorgekommen, dass ein Schein mit einem roten Schriftzug überdruckt wurde und plötzlich ein Vielfaches wert war. Aus hundert Millionen Mark wurden so schnell fünfhundert Millionen Mark.

Dass Geldscheine überdruckt wurden, war während der Hyperinflation keine Seltenheit. Die Druckereien kamen mit der Nachproduktion schlichtweg nicht mehr hinterher. Im Bild wurden aus Hundert Millionen Mark im Handumdrehen Fünfhundert Millionen Mark.

Doch das Übel begann schon vorher: Der deutsche Staat war verschuldet, er konnte die sicher geglaubten Kriegsdarlehen seinen Bürgerinnen und Bürgern nicht zurückzahlen. Ab 1920 verschärfte sich die Situation auch im Landkreis Mühldorf. Der Unmut in der Bevölkerung wuchs, die Lebensmittelversorgung war eingeschränkt.

Proteste der Mühldorfer – Jubel bei den Österreichern

Proteste, die schon im Mai 1920 im Saal der Brauerei Himmelbräu in Mühldorf stattfanden, bewirkten keine Verbesserung für die heimische Bevölkerung. Ausländern kam der gefallene Wechselkurs dafür gelegen: Für sie waren viele angebotene Waren sehr günstig, sodass es 1922 viele Österreicher zum Einkaufen nach Mühldorf verschlug. 

Lokalredakteur Döring musste weiterarbeiten

Auch dem Zeitungsverlag des Neumarkter Anzeigers setzte die Inflation zu dieser Zeit zu: Lokalredakteur Hermann Döring verkaufte 1919 Druckerei und Verlag an die Altbayerische Verlagsanstalt in Mühldorf, wie das Neumarkter Stadtarchiv verrät. Etwa drei Jahre später kaufte Döring die Druckerei wieder zurück. Ursprünglich wollte er bereits 1919 die Arbeit niederlegen, aber die Inflation zwang ihn zum Weiterschreiben – seine gesamten Ersparnisse hatten ihren Wert verloren.

Die Preise waren hoch und unübersichtlich

Im Jahr 1923 waren die Preise kaum noch zu überblicken. Kostete eine Maß Bier zu Beginn des Jahres noch 140 Mark, sind es Mitte November stolze 266 Milliarden Mark. Ein Kilogramm Rindfleisch kostete statt anfänglich 1800 Mark im November mehr als vier Billionen Mark.

Um derartige Summen bezahlen zu können, wurden Geldscheine mit schier unvorstellbaren Zahlen produziert. Der höchste Schein, der jemals ausgegeben wurde, trägt die Aufschrift 100 Billionen Mark. Heinl besitzt ein solches Exemplar mit dem Aufdruck „Muster”. Stolz zeigt er, wie gut der Schein erhalten ist: Kein Knick oder Riss ist zu sehen – er wurde damals in der Bank zu Informationszwecken ausgehängt. 

Einhundert Billionen Mark: Ein höherer Schein als dieser wurde in Deutschland nie gedruckt. Der Schriftzug „Muster“ bedeutet, dass dieses Exemplar zur Ansicht bei der Bank aushing.

Zuletzt änderten sich die Preise für Lebensmittel täglich, mitunter wurden sie sogar stündlich neu festgesetzt. Löhne und Gehälter zahlten Arbeitgeber jeden Tag aus, damit sich die Menschen überhaupt noch etwas von ihrem Gehalt leisten konnten. 

Ersparnisse hatten auf einmal keinen Wert mehr

Die Geldentwertung schritt schneller voran, als die Banknotenproduktion hinterherkam. Innerhalb von neun Monaten erschienen 47 neue Haupttypen von Reichsbanknoten. Heinl hat sie nahezu alle. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, das komplette letzte Jahrhundert an Geldgeschichte zusammenzubekommen. Den Sammler freut es, durch sein Album zu blättern und die vielen verschiedenen Geldscheine zu erblicken. 

Ganz anders ging es der damaligen Bevölkerung. Besonders Gläubiger von Geldforderungen, Beamte, Pensionäre und Rentner litten darunter, dass ihr Geld immer weniger wert war. Ihre Bezüge konnten mit der fortschreitenden Geldentwertung nicht mithalten. Vermögen, das Menschen über Jahrzehnte angespart hatten, war auf einmal wertlos. Ehemals wohlhabende Familien verarmten.

Städte und Unternehmen durften Notgeld herausgeben

Die Stadt Mühldorf gab ein sogenanntes Notgeld heraus. Auf dem mittleren Schein ist das Nagelschmiedtor zu sehen.

„Die Städte wurden ermächtigt, eigenes Geld herauszugeben, weil man mit den Zahlungsmitteln nicht mehr hinterherkam”, erklärt Edwin Hamberger vom Stadtarchiv Mühldorf. Auch damit kann Peter Heinl in seinen Alben dienen. Das sogenannte Notgeld der Städte Mühldorf zeigt häufig das Stadtwappen oder eine Sehenswürdigkeit wie den Nagelschmiedturm.

Auch Kraiburg gab Notgeld an seine Bevölkerung aus. Der untere Schein zeigt das Volksschauspiel.

Auch einige Banken und Unternehmen gaben Notgeld heraus. „Manche nutzten das sogar als Werbung”, sagt Peter Heinl. Er besitzt Scheine aus bedrucktem Leder oder Seide. Ein besonderes Exemplar ist aus Schuhleder, etwa in Postkartengröße, einige Millimeter dick und dürfte in die wenigsten Geldbeutel passen. 

Unternehmen konnten ebenfalls Notgeld herausgeben. Manche nutzten es sogar, um Werbung für sich zu machen. Links ist ein Geldschein aus Schuhleder, rechts oben ein bedrucktes Stück Leder und darunter ein Schein aus Seide (alle nicht aus der Region Mühldorf).

„Bayern war zu dieser Zeit natürlich landwirtschaftlich geprägt, hatte verglichen mit beispielsweise Nordrhein-Westfalen wenig Industrie”, sagt Hamberger. Insbesondere auf dem Land konnte mancher Einkauf durch einen Tausch ersetzt werden.

Arbeiter in Töging mussten zu Fuß nach Hause gehen

Bekannt ist, dass die Inflation zu Hochzeiten derartige Formen annahm, dass die Arbeiter in Töging mit ihrem Wochenlohn die Fahrkarten nicht mehr bezahlen konnten. So kam es, dass sie am Samstag zu Fuß heimgehen mussten. Das berichtete der Neumarkter Anzeiger 1923.

Die Rentenmark beendete die Hyperinflation

Ihren Höhepunkt erreichte die Hyperinflation am 20. November 1923: Ein US-Dollar entsprach damals 4.200.000.000.000 Mark. Die Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 beendete die Hyperinflation. Die Bevölkerung konnte ihr Geld im Verhältnis eine Billionen Mark zu einer Rentenmark eintauschen.  Auch diese Scheine kann Heinl selbstverständlich vorweisen. Umso höher der aufgedruckte Wert, umso seltener seien die Scheine heute. „Die hohen Scheine haben die Leute natürlich zur Bank gebracht und gegen das neue Geld eingetauscht”, sagt Heinl.

Mit der Einführung der Rentenmark endet die Hyperinflation im November 1923. Zehn Billionen Mark (oberer Schein) konnten zu zehn Rentenmark (unterer Schein) umgetauscht werden.

Das deutsche Reich profitierte von der Geldentwertung

Der größte Gewinner der Misere war das deutsche Reich: Die innerdeutschen Kriegsschulden von 154 Milliarden Mark hatten – gerechnet in der Kaufkraft des Vorkriegsjahres 1913 – nur noch den Wert von 15,4 Pfennigen.

Kommentare