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Zahlen steigen dramatisch

Burn-out, Depression und acht tote Kühe – Wer kann Landwirten in der Psycho-Falle helfen?

Telefon Kuhstall
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Erste Hilfe per Telefon: Für Landwirte mit psychischen Problemen bietet der Bauernverband das Montagstelefon und andere Anlaufstellen.

Ein Landwirt aus dem Kreis Mühldorf hat seine Tiere aufs Schlimmste vernachlässigt, acht Kühe starben. Als Grund gab er vor Gericht Depressionen an. Der Bauernverband weiß: Das ist kein Einzelfall – und bietet Hilfe an.

Mühldorf – Kürzlich saß ein Landwirt (49) aus dem südlichen Landkreis Mühldorf als Angeklagter vor dem Amtsgericht Mühldorf. Ihm wurde von der Staatsanwaltschaft quälerische Tiermisshandlung und Tiertötung durch Unterlassen vorgeworfen. Im Stall seines Bauernhofes wurden die Kadaver von acht toten Kühen gefunden. 18 weitere Rinder waren abgemagert und standen kniehoch in einer Brühe aus ihrem eigenen Kot und Urin. Als Grund für die Vernachlässigung seiner Kälber und Kühe gab der Landwirt schwere Depressionen an.

Die Zahlen gehen durch die Decke

Veit Hartsperger, der hiesige Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands (BBV) hat von diesem Fall gehört. Die Qualen der vernachlässigten Rinder sind auch für ihn schwer erträglich. Dass die absolute körperliche und seelische Überforderung eines Landwirtes zu Depressionen und schlimmen Folgen führen kann, ist ihm aber auch bewusst. Er weiß: „Die Zahlen psychischer Erkrankungen wie Burn-out oder Belastungsstörungen bei Landwirten gehen durch die Decke.“

„Bei Landwirten sind Familie und Betrieb, Privates und Arbeitsplatz, immer alles eins“, so Hartsperger. „Da gibt es kaum bis gar keine Rückzugsmöglichkeit.“ Viele würden ihre persönlichen Probleme, ihre Überlastung über Jahre mit sich alleine ausmachen. Schämten sich, mit anderen darüber zu sprechen und sich Hilfe zu holen. Dabei gibt es Hilfsangebote, niemand müsse mit seinen Sorgen alleine bleiben: „Dafür hat der BBV das Montagstelefon eingerichtet.“

Bauernverband erreicht nicht alle

Das legt auch Mühldorfs BBV-Kreisobmann Ulrich Niederschweiberer seinen Berufskollegen, egal ob Mann oder Frau, bei Problemen ans Herz: „Man kann seine Anliegen schildern, ohne jemandem persönlich gegenüberzusitzen.“ Die Krux an der Sache: „Diejenigen, die regelmäßig zu unseren Versammlungen kommen, kennen dieses Angebot. Wer aber schon mit Problemen zu kämpfen hat, kommt meistens nicht mehr aus seinem Betrieb heraus. Den erreichen wir mit dieser Information gar nicht.“ Dabei sei diese Hilfe für Landwirte so wichtig, da sind sich die zwei Vertreter des Bauernverbands einig.

Acht Anrufer pro Montag

Der Rede- und Hilfsbedarf von Landwirten ist groß. „Durchschnittlich hat das Montagstelefon acht Anrufer pro Tag“, stellt Gabriele Borst, die das Montagstelefon des BBV bayernweit koordiniert, fest. Von diesen 350 Anrufern an 44 Montagen im Jahr 2023 waren 270 Frauen und 80 Männer. Vier von fünf Antragstellern für das Programm „Sozioökonomische Beratung“ der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung SVLFG zeigten Anzeichen von Depression. „Und das sind nur die Landwirte, die sich trauen, sich helfen zu lassen.“ Sie geht davon aus, dass viel mehr Hilfe bräuchten, es aber nicht wagten. Dabei sei eines klar: „Je eher die Menschen mit ihren Problemen zu uns kommen, um so besser kann ihnen geholfen werden.“

Niemand muss seinen Namen nennen

Ein Anruf beim Montagstelefon ist anonym. Niemand muss seinen Namen nennen oder sagen, wo er wohnt. Der Anrufer hat es am Telefon mit Frauen aus der Landwirtschaft, zum Teil aktiven Bäuerinnen zu tun, die wissen, was der Beruf Landwirt und das Drumherum einem täglich abverlangen. „Hier findet jeder ein Ohr, das erst einmal nur zuhört“, beschreibt es Borst. „Man kann sich alles von der Seele reden.“

Hier wird geholfen

Das Montagstelefon des BBV ist immer montags von 9 bis 13 Uhr und von 16 bis 20 Uhr unter der Telefonnummer 0800 131 131 0 für die Anliegen der Landwirte da.

Die Krisenhotline der SVLFG ist unter der Telefonnummer 0561 78 51 01 01 rund um die Uhr, an sieben Tagen die Woche erreichbar.

Die Mitarbeiterinnen am Montagstelefon zeigen Perspektiven auf, machen weitere Hilfsangebote. Vor allem, wenn sie merken, dass mehr nötig ist als ab und zu ein Telefongespräch. „Wir weisen etwa auf die Krisenhotline der landwirtschaftlichen Sozialversicherung hin, wo ausgebildete Psychologen sich der Menschen annehmen.“ Diese Hilfe der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, kurz SVLFG, steht auch Landwirten im Nebenerwerb offen, die nicht dort versichert sind.

Hilfe gibts an vielen Stellen

Die fachkundige Hilfe für Landwirte ist breitgefächert. Es gibt die Familien-Beratung, die bei zwischenmenschlichen Problemen helfen kann; mehrmonatige Einzel-Coachings durch Psychologen am Telefon oder online; stationäre Behandlung in der Abteilung für Landwirtschaft der sozialpsychiatrischen Klinik Simbach am Inn; Selbsthilfegruppen in denen sich psychisch überlastete Landwirte austauschen können.

Landwirte im Hamsterrad

„Landwirte können ihren Job nicht einfach kündigen und etwas anderes machen, bei Streit in der Familie müssen sie trotzdem den ganzen Tag zusammen arbeiten, alleinstehende Landwirte haben oft niemanden zum Reden“, so Gabriele Borst. „So viele Bäuerinnen und Bauern sind im Hamsterrad aus Überforderung, Familienproblemen, Zukunftssorgen und finanziellen Problemen gefangen, werden krank und depressiv und sind sogar selbstmordgefährdet.“ Sie hofft, dass noch viele mehr zum Montagstelefon greifen und sich aus ihren Problemen heraushelfen lassen.

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