Arbeit und Integration
„Er finanziert sich selber“: Wie Flüchtlinge heimischen Bäckern helfen und was die Probleme sind
Flüchtlinge könnten den Mangel an Fachkräften lindern, Arbeit könnte ihre Integration erleichtern. Das haben drei Bäcker aus dem Landkreis erlebt.
Mühldorf/Schönberg/Aschau – „Personal ist ein heißes Thema“, sagt nicht nur Toni Jung, der Elsass Bäcker aus Schönberg. Auch der Mühldorfer Bäcker Franz Strohmaier kann von fehlendem Personal ein Lied singen. Die beiden eint nicht nur der Mangel an Fachkräften, sie eint auch ihre Erfahrung mit einer möglichen Lösung: Flüchtlingen.
Jung, Strohmaier und auch der Aschauer Bäcker Stefan Greimel beschäftigen in ihren Betrieben Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind – sei es als Hilfskräfte, Lehrlinge oder Gesellen.
Neues Leben aus eigener Kraft aufgebaut
Zere Goitom (36) kommt aus Nigeria. Er ist seit neun Jahren in Deutschland, lebt inzwischen in Neumarkt-St. Veit und hat sich hier ein neues Leben aufgebaut – aus eigener Kraft und mit Hilfe von Jung.
Sobald er konnte, habe er sich Arbeit gesucht, erzählt Goitom, der inzwischen gut Deutsch spricht. „Dafür ist sogar von Neumarkt mit dem Radl zu uns nach Schönberg gekommen“, erzählt Jung. „Goitom hat selber Arbeit gesucht und nicht gewartet. Das machen die wenigsten.“
„So soll es sein“
Mit Erfolg: Seitdem arbeitet Goitom beim Elsass Bäcker. Er hat jetzt eine eigene Wohnung und auch seine Familie nachgeholt. „Er finanziert sich komplett selber“, erzählt Jung. „So soll es sein. So funktioniert es gut.“
Eine ähnliche Geschichte hat der Senegalese Toure Bassala (28) hinter sich. Er floh vor sieben Jahren aus seiner Heimat und kam nach Aschau. Normalerweise bildet Stefan Greimel nicht aus. Um Bassala zu helfen, machte er aber eine Ausnahme – und Bassala leistete seinen Beitrag. „Weil wir ihm zugesichert haben, dass wir ihn ausbilden“, reiste Bassala zunächst wieder aus, erzählt Greimel. Er gab den Flüchtlingsstatus auf, holte sich im Senegal in der deutschen Botschaft die Arbeitserlaubnis, kehrte damit nach Aschau zurück und machte hier seine Bäckerlehre.
„Er hat sich alles von seinem Lehrlingsgehalt finanziert“, erzählt Greimel. Bassala ist heute noch bei ihm Geselle, ist inzwischen Deutscher und hat einen großen Traum: „Ich möchte mal eine eigene Bäckerei haben.“
Drei Lehrlinge ausgebildet und alle arbeiten
Der Mühldorfer Bäcker Franz Strohmaier hat in den vergangenen Jahre sogar schon drei Flüchtlinge ausgebildet, und der vierte macht im Januar seine Gesellenprüfung. Sein erster Lehrling, der nicht in der Zeitung erscheinen möchte, arbeitet heute noch bei ihm. „Er hat den Weg mitgemacht“, freut sich Strohmaier. „Er verdient jetzt ordentlich Geld.“ Steht nun auf eigenen Beinen.
Auch die anderen zwei arbeiten noch, aber nicht mehr bei Strohmaier. Und den Azubi, der im Januar seinen Abschluss macht? „Den werde ich übernehmen“. Denn auch Strohmaier sucht nach Fachkräften – und kämpft dabei nicht nur mit dem fehlenden Angebot, sondern auch mit der Bürokratie und „der Politik ganz oben“.
Arbeit mindert Zuschüsse und schreckt daher ab
Er habe einer Praktikantin am Wochenende eine Stelle im Verkauf angeboten, berichtet Strohmaier. Die Eltern hätten dann aber nein gesagt. Der Grund? „Wenn sie verdient, dann wird der Familie der Zuschuss gekürzt. Das ist paradox. Mir hätte sie geholfen.“
Kein Einzelfall, sagt der Mühldorfer. Um die Zuschüsse nicht zu gefährden, werde von Flüchtlingen immer wieder Arbeit abgelehnt. „Die Politik ganz oben unterstützt, dass Flüchtlinge nichts tun. Sie bekommen das Geld auch so.“
Flüchtlinge müssen arbeiten dürfen
„Wenn sie da sind, müssen sie arbeiten dürfen“, fordert auch Toni Jung. „Da ist nicht genug Druck.“
Und wie sind die Erfahrungen mit den Flüchtlingen? „Naja“, antwortet Toni Jung. Momentan habe er zwei aus dem Jemen, die hätten halt eine andere Arbeitseinstellung. „Du musst ihnen sagen, hier läuft es anders.“
„Es kommt auf den Einzelnen an“
Auch Greimel hatte anfangs Probleme mit der Sprache. „Aber mit Händen und Füßen“ habe es geklappt. Auch Bassala haben sich „unseren Gebräuchen erst anpassen müssen. Aber das ist ganz normal.“ Das sei auch bei Spaniern oder Südtirolern nötig.
„Es kommt auf den Einzelnen an“, fasst Jung seine Erfahrung zusammen.
Einfach offen ansprechen
Auch der Mühldorfer Strohmaier hat inzwischen „alle Erfahrungen, die man machen kann“, gemacht. Da prallen unterschiedliche Mentalitäten aufeinander, da wolle sich der eine vom anderen wegen dessen Alter, Herkunft oder Religion nichts sagen lassen. Aber nicht bei Strohmaier: „Weil ich es offen anspreche.“ Dann funktioniert es. Strohmaier: „Wenn man es hier im Betrieb lösen kann, dann draußen vielleicht auch.“


