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Arzt am InnKlinikum in Altötting

Zwischen den Welten: Sameh Qutainy fehlt in Syrien – Warum er bei uns auch dringend gebraucht wird

Der syrische Sameh Qutainy auf einer Station im Krankenhaus Altötting.
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Der syrische Sameh Qutainy auf einer Station im Krankenhaus Altötting.

Geflohene Landsleute sollen zurückkehren, sagen die neuen syrischen Machthaber. Ob das so einfach möglich ist? Was ein syrischer Arzt aus dem „InnKlinikum“ Altötting-Mühldorf darüber denkt – und wieso eine Rückkehr für ihn nicht in Frage kommt.

Mühldorf/Altötting – Sein Deutsch klingt fast französisch: mit einem sehr weichen Akzent. Sameh Qutainy spricht nahezu fehlerfrei, die Grammatik stimmt. Dabei hat er nie einen Deutschkurs gemacht. Youtube-Videos, Gespräche mit Deutschen, so lernt er die Sprache, bevor er 2022 von Damaskus über Göttingen und Koblenz nach Bayern kommt.

Schon ein bisschen bayerisch

Vielleicht versteht Qutainy die Frage nach der Sprache deshalb zunächst falsch. Er lacht, ja Bayerisch habe ihm anfangs Probleme bereitet. Dann sagt er „Jo, freilli“, inzwischen sei das kein Problem mehr. Und damit wohl auch keines mehr für seine Patienten, deren Arzt sehr verständlich spricht.

Qutainy ist einer von sechs syrischen Ärzten im „InnKlinikum“ Alötting-Mühldorf, dazu kommen zwei syrische Mitarbeiter in der Pflege und der Technik. Ein wichtiger Teil des Krankenhauses, wie Sprecher Mike Schmitzer betont. Insgesamt arbeiten im „InnKlinikum“ laut Schmitzer 340 Ärztinnen und Ärtze, einige davon in Teilzeit.

Im Hörsaal die Geräusche des Krieges in Syrien

In dessen Büro sitzt Qutainy und berichtet über seinen Weg nach Deutschland. Der begann schon zu Beginn des Krieges in seinem Heimatland. Damals, 2011, lernte er in seiner Heimatstadt Suweida im Süden des Landes mitten im Drusengebiet im Kerzenlicht für das Abitur. Strom gab es wegen des beginnenden Bürgerkriegs oft nicht.

Später ging er nach Damaskus, um Medizin zu studieren. „Wenn ich davon rede, höre ich die Stimme meiner Mutter“, sagt er: „Du kannst das schaffen“, habe die ihn angespornt. Vor den Türen habe er die Geräusche des Krieges gehört und damit die ständige Frage in seinem Kopf: „Leben wir morgen noch?“

Deutschland ideal für Mediziner

Qutainy schließt sein Studium 2020 ab, arbeitet als Kinderchirurg in Damaskus, das Krankenhaus sei total überlastet gewesen, es habe an allem gefehlt. „Da wurde mir bewusst, dass ich rausmuss.“ Das Ziel ist schnell klar: „Deutschland ist das beste Land für Mediziner.“ Die medizinische Exzellenz, dazu eine Schwester in Göttingen, Qutainy beantragt ein Visum, legt seine Sprachprüfung in Jordanien ab, weist seine finanzielle Unabhängigkeit nach und darf 2022 nach Deutschland einreisen.

Ein klassischer Flüchtling ist der 27-Jährige also nicht.

Acht Monate sucht er, bevor er den Job in der Gefäßchirurgie des „InnKlinikums“ findet, derzeit arbeitet er auf einer Station in Altötting. Abgeschlossen ist seine Reise in den Arzt-Beruf damit nicht. Denn die Approbation aus Damaskus erkennt Deutschland nicht an, er muss sie erneut ablegen. Auch die Facharztprüfung steht noch aus. Sechs Jahre kann das dauern.

Sameh Qutainy trägt einen modernen, beigen Anzug, ein helles T-Shirt darunter und darüber den Arztkittel. Im Gesicht einen Dreitagebart, der junge Arzt hat seinen Urlaub für das Gespräch unterbrochen. Er spricht flüssig und seine Gesprächspartner direkt an. Er hat sich vorbereitet, auf einem kleinen Zettel seine Gedanken notiert. Die Antworten kommen schnell.

Kurzes Nachdenken bei der Frage nach der Rückkehr

Nur einmal zögert er, denkt nach, schaut auf seine Notizen. Es geht um die Frage nach einer Rückkehr in das vom Bürgerkrieg zerstörte Land, das natürlich auch auf Spezialisten wie ihn hofft. Sameh Qutainy sagt, dass er häufig an seine Herkunftsheimat denkt, an seine Familie, und dass er in den Nächten des Umsturzes nicht schlafen konnte.

Er sagt: „24 Jahre Assad haben das Land kaputt gemacht.“ Er sagt auch: „Ich bin sehr glücklich, dass mein Land wieder frei ist.“ Und er sagt: „Für mich hat sich dadurch allerdings nichts geändert. Ich fühle mich hier sehr wohl.“

Damit teilt Qutainy das Schicksal vieler seiner Landsleute, die in der Region fest verwurzelt sind. Die als Gastronomen Unternehmer geworden sind, als Lastwagenfahrer und Krankenschwestern ein gutes Auskommen haben, deren Kinder im Landkreis zur Schule gehen. „Eine Rückkehr kommt für mich nicht in Frage. Ich baue meine Zukunft hier auf.“

Syrische Ärzte gegen Ärztemangel

Das sagt er nicht nur mit Blick auf die bessere medizinische Ausbildung in Deutschland. Das sagt er auch mit Blick auf die Patienten. „Die verlassen sich auf uns.“ Er spricht über Ärztemangel, davon, dass seine Landsleute einen großen Anteil am Gesundheitssystem in Deutschland hätten.

Auf 6000 Ärztinnen und Ärzte hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) deren Zahl jüngst beziffert. Laut dem Präsidenten des Verbandes leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte Michael Weber ist vor allem in ländlichen Gebieten die medizinische Versorgung ohne Ärztinnen und Ärzte aus Syrien in Gefahr. So zitiert ihn das Ärzteblatt.

Auch Sameh Qutainy ist überzeugt: „Manche Krankenhäuser müssten sofort zumachen, wenn alle syrischen Ärzte gehen würden.“ Er sagt sogar: „Die Politik verlässt sich auf uns. Wir werden dem gerecht.“

Deshalb wird er wieder ein Visum beantragen, wenn seine derzeitige blaue Karte in einem halben Jahr abläuft. Die erlaubt es ihm vier Jahre lang, in der EU zu arbeiten und zu leben.

Die Eltern motivieren ihn

In seinem ersten Zuhause in Suweida im Drusengebiet im Süden Syriens war er seit seiner Ankunft in Deutschland nicht mehr. Zwei Geschwister leben noch dort und seine Eltern. „Die sagen“, erzählt Qutainy, „bleib da! Aber Du bist uns immer willkommen.“

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