Ein rotes Tuch für Landwirte
Strenge Dünge-Vorgaben: Ärger über rote Nitrat-Gebiete – wehrt sich der Landkreis Mühldorf?
In roten Gebieten unterliegen Landwirte auch im Landkreis Mühldorf strengen Düngevorgaben. Jetzt soll dagegen geklagt werden. Der Grund dafür liegt auf der Hand.
Mühldorf – Es brodelt in der Landwirtschaft und auch der Landkreis will sich zur Wehr setzen. Warum? Im Jahr 2022 wurden „Rote Gebiete“ ausgewiesen, die eine hohe Nitratbelastung des Grundwassers aufweisen. Auch Flächen im Landkreis Mühldorf sind demnach tiefrot. Und das, obwohl es nicht eine „scharfe“ Messstelle auf Landkreisgebiet gibt.
Mühldorf soll sich Erdings Klage anschließen
Gegen diese Praxis will der Landkreis Erding klagen. Denn auch dort sind weit mehr rote Gebiete ausgewiesen, als konkrete Messwerte dafür vorliegen. Offiziell geht es um eine „Popularklage gegen die Ausführungsverordnung zur Düngeverordnung (AVDüV)“. Dieser Klage soll sich der Landkreis Mühldorf anschließen, auch der Landkreis Altötting hat schon Unterstützung signalisiert.
Grundwasser soll geschützt werden
„Dass wir das Grundwasser schützen wollen, ist unbestritten“, betonte Landrat Max Heimerl (CSU) im jüngsten Umweltausschuss. Es sei auch fraglich, ob der Landkreis Mühldorf überhaupt zu einer solchen Klage berechtigt ist. „Das muss erst hochjuristisch festgestellt werden.“
Gegen wen soll eigentlich geklagt werden?
Michael Ackermann (Grüne), selbst Bio-Landwirt, gab zu bedenken, dass es auch nicht klar sei, gegen wen geklagt werden müsse – gegen die EU, den Bund oder den Freistaat Bayern? „Wo macht die Klage in diesem dreistufigen System Sinn?“
Sechs neue Messstellen sind schon gebohrt
Um tatsächliche Messwerte aus dem Landkreis Mühldorf zu bekommen, hat das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim aktuell sechs neue Messstellen im Landkreis Mühldorf errichtet – in Aspertsham, Walkersaich, Stefanskirchen, Eberharting, Eiselharting und Roßbach.
Die Kosten trägt der Freistaat
„Diese sechs Bohrungen sind seit Mittwoch, 20. März, abgeschlossen“, teilt Tobias Hafner, Leiter des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim auf OVB-Nachfrage mit. „Die Bohrtiefen liegen etwa zwischen fünf und maximal 14 Meter. Pro Messstelle kann man grob von Kosten in Höhe von 25.000 Euro ausgehen“, gibt er Auskunft. Diese Kosten trägt der Freistaat Bayern.
Erste verlässliche Messung in sechs Monaten
„Bis zur offiziellen Entscheidung, ob die Messstelle geeignet ist und gemessene Werte Verwendung finden können, vergeht in etwa ein halbes Jahr.“ Grund dafür ist die erforderliche Karenzzeit, um Tiefengrundwasser- und sonstige Fremdeinflüsse oder Verfälschungen der Messwerte durch den Bohrvorgang auszuschließen. Danach erfolgen in der Regel zwei Messungen pro Jahr.
„Der Freistaat hat Wort gehalten und schnell gebaut“, zeigte sich Alfred Lantenhammer (CSU) mit den laufenden Maßnahmen zufrieden. „Die ersten Messungen werden die Klage überholen.“
Aussicht auf Erfolg wird geprüft
Landrat Heimerl regte an, erst nach Prüfung der Klageaussichten über eine Beteiligung daran zu entscheiden. Er stellte den Antrag auf Absetzung des Tagesordnungspunktes, dem das Gremium unisono zustimmten.
„Klage muss Hand und Fuss haben“
So sieht es auch Ulrich Niederschweiberer (CSU), als Vertreter der Landwirte: „Eine solche Klage muss Hand und Fuß haben.“ Trotzdem sympathisiert er damit, sich der Klage anzuschließen. Er weist aber auf einen bedeutsamen Unterschied zu Erding hin: „Dort gehören einige rote Gebiete dem Landkreis selbst, er ist also direkt betroffen. Bei uns sind die Flächen nur in Bauernhand.“
Rote Gebiete gelten bis Ende 2025
Er ist froh über den zügigen Bau aussagekräftiger Messstellen. Aber die nächste Kartierung der roten Gebiete steht erst für das Jahr 2026 an, sie gilt immer für vier Jahre. Es könnte also sein, dass Flächen weiterhin als rote Gebiete eingestuft werden, obwohl deren reguläre Bewirtschaftung nachweislich nicht zu einer Gefährdung des Grundwassers führt.
Strenge Auflagen für Landwirte
Landwirte in den roten Gebieten unterliegen strengen Beschränkungen, was das Düngen angeht. „Für sie gelten verlängerte Sperrfristen“, gibt Niederschweiberer Einblick in die Auflagen. „Sie müssen 20 Prozent Stickstoffdünger einsparen und dürfen auch angebaute Zwischenfrüchte nicht düngen.“
Es geht auch um die Berufsfreiheit der Landwirte
Für den in der Region hauptsächlich angebauten Mais und Weizen sei das eine Katastrophe: „Die Pflanzen hungern aus und der Weizen verliert massiv an Qualität.“ Deshalb gehe es bei der möglichen Klage auch um das Eigentumsrecht und die Berufsfreiheit der Landwirte.
Rotes Gebiet ohne Messwerte?
Wie das sein kann, wurde in der jüngsten Sitzung des Umweltausschusses erklärt. Dahinter stecken Vorgaben der EU-Kommission, die von Bund und Land umgesetzt werden müssen. Die nächstgelegenen Messstellen gibt es im Landkreis Erding und im Landkreis Altötting. Zu hohe Nitratwerte wurden bei Messungen im Landkreis Erding festgestellt.
Mitten im Landkreis Mühldorf liegt auch die Mitte zwischen den belasteten roten Hauptmessstellen Obernumberg und Algasing (Erding) und der unbelasteten grünen Messstelle westlich von Altötting. Folglich wurden Flächen als rote Gebiete ausgewiesen, obwohl gar keine tatsächlichen Nitrat-Werte für den Bereich Mühldorf bekannt sind. Denn alle drei Landkreise durchzieht das Wasser desselben Grundwasserkörpers mit der Nummer 147. In einer interaktiven Karte des Umweltatlas Bayern werden die Grundwasserkörper und alle Messstellen dargestellt.
