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Höchste Auszeichnung für einen Vereinsvorsitzenden

KZ in die Köpfe gebracht: Dank Franz Langstein wird die Gedenkstätte zur Verfassungssache

Ein zuversichtlicher Blick an traurigem Ort: Franz Langstein darf sich freuen. Denn der Freistaat würdigt nicht nur sein Engagement, sondern gibt jetzt auch eine Perspektive für die Vollendung der KZ-Gedenkstätte in Mühldorf.
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Zuversichtlicher Blick an traurigem Ort: Franz Langstein darf sich freuen. Denn der Freistaat würdigt nicht nur sein Engagement, sondern gibt jetzt auch eine Perspektive für die Vollendung der KZ-Gedenkstätte in Mühldorf.

„Angst ist eine starke Triebfeder“: Jahrzehntelang hat sich Franz Langstein für eine KZ-Gedenkstätte in Mühldorf eingesetzt. Als Zwischenschritt auf dem Weg zum großen Ziel gibt es nun den Verfassungsorden. Wann folgt die Vollendung?

Mühldorf – Das Abendlicht fällt durch die Bäume. Es nimmt dem Bunkerbogen etwas von seiner Monstrosität und Grausamkeit. Er bekommt ein stilles, friedliches Aussehen. Ein Ort, dessen Faszination sich kaum jemand entziehen kann. Das sagt ein Radfahrer, der vorbeikommt. Weil er dem nachspüren will, was dort geschehen ist.

In den Überresten der Rüstungsfabrik

Dass das möglich ist, hat der Radfahrer dem Mann zu verdanken, der neben der Informationsstele steht: Franz Langstein. Seit 25 Jahren ringt er darum, dass aus dem Relikt des NS-Wahnsinns eine Gedenkstätte. 4.000 KZ-Gefangene, meist ungarische Juden, mussten hier eine gigantische Flugzeugfabrik bauen, von der nur noch ein Bunkerbogen steht.

Gezählt hat er seine Besuche nicht, es werden Hunderte gewesen sein, seit sein Engagement mit sehr vielen und sehr kleinen Schritten begonnen hat. Ein Ende ist noch nicht in Sicht, aber eine außergewöhnliche Anerkennung: Franz Langstein erhält an diesem 29. Februar den Bayerischen Verfassungsorden.

Mit dem Orden, so steht es in der Einladung zur Verleihung, „würdigt der Bayerische Landtag Bürgerinnen und Bürger, die sich in besonderer Weise um die Verwirklichung der Grundsätze der Bayerischen Verfassung verdient gemacht haben“. Der Kampf für die Erinnerung als direkte Umsetzung der Bayerischen Verfassung vor Ort.

1999 beginnt die Arbeit

1999 leitete Langstein das Katholische Kreisbildungswerk und gründete einen Arbeitskreis, der sich Gedanken über das Gelände und seine Bedeutung machen wollte. Aus diesem Arbeitskreis wurde später der Verein „Für das Erinnern“.

Wichtige Menschen strategisch in die Gedenkstätten-Arbeit eingebunden

Der 72-Jährige erinnert sich noch genau, an die ersten Sitzungen, an die Namen der Teilnehmer. Wenn er über die folgenden Jahre spricht, sagt er fast immer: Wir.

Er führte immer wieder neue Leute an den Verein heran, der heute 100 Mitglieder hat. Im Laufe der Jahre haben mehr als 50 Menschen mitgearbeitet, derzeit sind es etwa 30 Aktive.

Er weitet das Netzwerk rund um den Verein aus. Abgeordnete kommen mit ins Boot, die bayerische Gedenkstättenstiftung, er verhandelt in München und Berlin, öffnet Türen, verpflichtet Menschen. Er sagt: „Ich habe die Leute schon strategisch ausgesucht.“ Menschen, die im Landkreis an Schlüsselpositionen sitzen, Erfahrungen mit Geschichtsarbeit haben, einflussreich sind. Alle ehrenamtlich.

Die Idee wächst, bis der Freistaat die Aufgabe zu seiner Angelegenheit macht: Das ehemalige Waldlager und Massengrab sind bereits Gedenkstätten. Rund um den Bunker wurde die Munition in einer aufwändigen und teuren Aktion aus dem Boden geholt. Derzeit laufen Verhandlungen mit Landwirten wegen eines Grundstücktauschs.

Jahrelanges beharrliches Wirken

Ein Mitstreiter seit vielen Jahren ist der Ampfinger Dr. Marcel Huber, er lobt Langstein: „Sein jahrelanges, beharrliches Wirken hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir endlich auf dem Weg sind, mit unserer Vergangenheit angemessen umzugehen.“

Mühldorfs Landrat Max Heimerl macht deutlich: „Es ist sicher nicht vermessen zu behaupten, dass es die Gedenkorte im Mühldorfer Hart ohne seinen unermüdlichen Einsatz in dieser Form wahrscheinlich nicht gäbe.“ Heimerl betont die gesellschaftliche Bedeutung von Landsteins Engagements, er habe das Thema in die Köpfe der Menschen im Landkreis und weit darüber hinaus gebracht.

Max Mannheimer war auch in Mühldorf inhaftiert. Der KZ-Überlebende stand dem Verein „Für das Erinnern“ immer zur Seite.

Wenn Langstein nach den Gründen für sein Engagement sucht, kehrt er zurück unter den Esstisch in seinem Elternhaus. Dem Zuhause einer Vertriebenenfamilie in den 1950er Jahren. Dort sitzt der Fünfjährige und spielt mit den anderen Kindern bei Familientreffen, er spürt die Angst, wenn seine Eltern und die Verwandten während ihrer Kaffeerunde über den Verlust der Heimat trauern.

Angst als positive Triebfeder

„Angst ist eine starke Triebfeder“, sagt Langstein. Während andere vor Angst gelähmt sind oder wütend werden, wandelt er seine Angst in Engagement, in Tätigkeit. Deshalb setzt er sich seit frühester Jugend in der Katholischen Landjugend ein, um Teil einer Gemeinschaft zu sein.

Das Buch „Der SS-Staat“ des katholischen Priesters Eugen Kogons führt Langstein zu der Nazi-Vergangenheit und dem Leiden und Sterben vieler tausend Menschen vor der eigenen Haustür.

Das, was Kogon beschreibt, soll seine Heimat sein, sein Vaterland? Diese Zerstörungswucht, diese perfekt organisierte Vernichtungsmaschine? Von da an setzt sich Langstein mit der NS-Zeit und dem Erbe des Dritten Reichs auseinander.

Mehr als 4000 Menschen ermordet

Er schaut zum Bunkerbogen: „Dass es aber mal hierherführt, hätte ich nie gedacht.“ An den Ort, an dem weit über 4000 Menschen ermordet wurden.

Ein Orden bei der Einweihung?

In zwei Jahren soll die Gedenkstätte fertig sein, an das Schicksal der Häftlinge erinnern und die Besucher mahnen. Nach 28 Jahren soll das langjährige Mühen ein Ende finden. Ein Mühen, das jetzt mit dem Verdienstorden geehrt wird.

Langstein ist CSU-Mitglied, Katholik. Seit zwei Knieoperationen geht er manchmal schwer, mit langsamen Schritten. Nicht nur die sind sehr bedacht. Er wisse noch nicht so recht, was er von der Auszeichnung halten solle, sagt er auf dem Weg zurück zum Auto, während sich die Dämmerung über das Gelände senkt. Er sei doch nur die Spitze eines Eisbergs. Einer halt, eigentlich aber gelte der Orden vielen. Und dann: „Einer muss ihn wohl annehmen.“

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