Prozess in Mühldorf
20 Flüchtlinge in Transporter eingepfercht: So hart fällt die Strafe für den Schleuser aus
Die Anfrage an den 31-jährigen Georgier kam per WhatsApp: Ob er nicht einen Personentransport übernehmen wolle, der viel Geld einbringe. Er macht die menschenunwürdige Fahrt – bei der sowohl Flüchtlinge als auch Polizisten in Gefahr geraten.
Mühldorf – Daviti L. (Name von der Redaktion geändert) lebt in Spanien. Der Georgier arbeitet in Valencia als Gartenbauer und Maurer. Er ist in zweiter Ehe verheiratet und hat einen fünfjährigen Sohn. 800 Euro verdient er im Monat, das Geld wird knapp. So sagt er zu, als ein Landsmann ihm den gut bezahlten Schleuserjob per WhatsApp anbietet. Weil die Fahrt am Ende schiefgeht, stand er jetzt in Mühldorf vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Florian Greifenstein.
20 Menschen in Ford Transit zusammengepfercht
Mit dem Flixbus fährt Daviti L. im Juni 2023 in die ungarische Hauptstadt Budapest, wo er einen Ford Transit übernimmt. An der ungarisch-serbischen Grenze nimmt er nachts 20 Männer, Frauen, Kinder, zwei unbegleitete Jugendliche und zwei Babys auf und pfercht sie in dem Transporter zusammen.
Den Transporter beschreibt ein Bundespolizist vor Gericht als Wrack. „Der Transporter war 19 Jahre alt. Der Tacho funktionierte nicht, der Scheinwerfer vorne rechts war beschädigt. Das Auto war nicht verkehrstauglich.“ Es habe keine Belüftungsmöglichkeit gegeben, alle Geschleusten seien an dem heißen Tag völlig verschwitzt gewesen.“
Kein Wasser, kein Toilette bei einer Fahrt über 700 Kilometer
Die Situation im Fahrzeug: Kein Fenster, keine Toilette, keine Anschnallmöglichkeit. Dazu vier ungesicherte Autoreifen mit Stahlfelgen, jeder Reifen wiegt 20 Kilogramm. Nur wenig Wasser.
Die Menschen in dem Ford Transit sind aus der Türkei und aus Afghanistan geflohen. Neun Stunden lang, 700 Kilometer weit hocken sie auf engstem Raum in dem Lieferwagen. Der Lohn: Pro Person zwischen 200 und 350 Euro für Daviti L., wie ihm der Drahtzieher der Schleusung telefonisch mitteilt.
Diesen Drahtzieher lernt der Georgier nicht kennen, obwohl er von ihm und dem vorausfahrenden Begleitfahrzeug permanent Anweisungen erhält. Zum Beispiel die, dass eine der Frauen auf dem Beifahrersitz ihr Kopftuch abzunehmen habe. Das sei zu auffällig.
Auf keinen Fall anhalten
„Mir wurde gesagt, dass ich auf keinen Fall irgendwo anhalten darf. Ich sollte zu Reisebeginn zwei Flaschen Wasser auf die Ladefläche schmeißen und auf Klopfen und Schreien von der Ladefläche nicht reagieren.“ Eine Dolmetscherin übersetzt die Aussage des Georgiers vor Gericht. „Wenn einer zu fliehen versuchte, solle ich ihm Arme oder Beine brechen. Ich antwortete okay und fuhr los“.
Die Fahrt endet auf dem Gelände des Boxerclubs in Mühldorf, ganz in der Nähe der Umgehungsstraße zur Autobahn. Ein 30-jähriger Bundespolizist beschrieb vor Gericht, was auf dem Gelände geschah: „Mitglieder des Boxerclubs haben angerufen und eine Schleusung gemeldet.“ Mehrere Streifen fuhren mit Martinshorn und Blaulicht zum Gelände. „Da wir Uniform trugen, waren wir als Polizeibeamte zweifelsfrei zu erkennen“, sagte der 30-Jährige. „Der Fahrer wollte rückwärts wegfahren, doch einige Mitglieder des Boxerclubs versperrten ihm mit ihren Autos den Weg. So fuhr der Mann langsam auf uns zu, wir hatten die Dienstpistole gezogen. Schließlich stoppte er doch, ich zog ihn aus dem Auto und fesselte ihn mit Hilfe meiner Kollegin die Hände auf den Rücken“.
Das Begleitfahrzeug mit dem Auftraggeber der Schleusung war natürlich verschwunden.
Vor Gericht bereut der Angeklagte seine Tat, er möchte möglichst schnell zu seiner kranken Mutter nach Georgien, sagt er.
Schleuser muss für mehr als zwei Jahre ins Gefängnis
Staatsanwältin Sabine Krotky weist auf die lebensgefährdende Behandlung der 20 Insassen hin. Sie will den Angeklagten für zwei Jahren und acht Monate im Gefängnis sehen. Auch Rechtsanwalt Michael Fraunhofer erkennt die Schwere der Tat, sieht aber auch die Reue und die bisherige Straffreiheit des Mannes. Er plädiert für eine Gefängnisstrafe, die ein halbes Jahr kürzer ist.
Richter Florian Greifenstein und seine beiden Schöffen schicken ihn für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis. „Es war eine gewerbsmäßige Schleusung, der Chatverlauf seines Telefons hat ergeben, dass der Mann weitere Schleusungen durchführen wollte“, sagte Greifenstein. „Der Transport der 20 Menschen war erniedrigend und menschenunwürdig.“ Eine Bedrohung der Polizei sah das Gericht nicht.
Noch im Gerichtssaal nehmen beide Parteien das Urteil an, Daviti L. verschwindet wieder hinter Gittern, wo er seit fünf Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Seine kranke Mutter wird er wohl erst Anfang des Jahres 2026 wiedersehen.

