Freiwillig für andere Menschen da sein
So viele Flüchtlinge sind im Kreis Mühldorf im Ehrenamt tätig – diese 3 Frauen vermitteln sie
In den Tag hineinleben und Geld einstreichen? Von wegen. Vielen Geflüchteten ist es wichtig, der deutschen Gesellschaft etwas zurückzugeben. So viele Flüchtlinge sind im Kreis Mühldorf im Ehrenamt tätig. Warum das mehr als bloße Beschäftigung ist und wie das zur Integration beitragen kann.
Mühldorf/Waldkraiburg – 29 Menschen hat Martina Wastlhuber seit Februar 2023 erfolgreich in ein Ehrenamt vermittelt. Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Sie unterstützen in Seniorenheimen, den Tafeln oder beim Bauhof. „Sie alle haben einen inneren Antreiber und wollen weiterkommen”, erzählt Wastlhuber von ihren Klientinnen und Klienten. Sie arbeitet als Hauptamtliche Integrationslotsin und Ehrenamtskoordinatorin Asyl beim Bayerischen Roten Kreuz in Mühldorf.
Ehrenamt ist in anderen Kulturen nicht verankert
Die Zahl der Geflüchteten, die auf sie zukommen, sei noch höher. „Beinahe wöchentlich habe ich inzwischen Leute da, die nach einem Ehrenamt fragen, das hat sich in den letzten eineinhalb Jahren verstärkt.” Besonders bemerkenswert sei das vor dem Hintergrund, dass es das Ehrenamt in anderen Kulturkreisen nicht gibt. „Aber die Menschen haben den Drang, etwas zurückzugeben.”
„So selbstverständlich ein ehrenamtliches Engagement für viele von uns ist, so fremd und unbekannt ist es nämlich in vielen anderen Ländern”, bestätigt Jelena Djakovic, hauptamtliche Integrationslotsin bei Lernen vor Ort Mühldorf. Das Ehrenamt ermögliche es, sich aktiv einzubringen, soziale, kulturelle und andere Barrieren zu überwinden. „Ehrenamtliches Engagement leistet einen bedeutenden Beitrag zur Integration.”
Bereits Integrierte helfen Neuankömmlingen
Integrationslotsin Djakovic sieht noch einen weiteren Gewinn: Menschen mit Migrationshintergrund würden sich oft in Bereichen engagieren, die ihrer eigenen Lebensrealität nahestehen. Sei es, indem sie Geflüchtete und Landsleute unterstützen oder bei interkulturellen Projekten mitwirken. Sie selbst leitet eine Gruppe mit ehrenamtlichen Integrationslotsen, die eigene Erfahrungen beispielsweise mit dem Bildungssystem einbringen. „So helfen sie wiederum ihren Landsleuten, das bayerische Schulsystem zu verstehen oder unterstützen deren Kinder in der Schule oder bei der Berufsorientierung.”
84 dieser ehrenamtlichen Integrationslotsen gibt es aktuell im Landkreis. Viele sind bereits vor zehn, 15 oder 20 Jahren nach Deutschland geflüchtet und längst integriert, können nun ihre Erfahrungen weitergeben. Sie kommen vor allem aus Syrien, Afghanistan, Jordanien, der Ukraine und dem Iran, aber nicht nur. „Wir sprechen in der Gruppe 34 Sprachen”, sagt Djakovic.
Ehrenamt kann auch mit geringen Sprachkenntnissen gelingen
Nach Ansicht der Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für das Ehrenamt Gabi Schmidt beweist ehrenamtliches Engagement von Geflüchteten, dass unser Zusammenleben in Vielfalt gelingt. Gleichzeitig ist ihr bewusst, dass der Wunsch, sich ehrenamtlich zu engagieren, für Geflüchtete mit besonderen Herausforderungen einhergeht. Die deutsche Sprache kann eine Barriere sein, aber auch Strukturen und Abläufe, die nicht bekannt sind oder mangelnde Kontakte und Vernetzung in der Gemeinschaft.
Integrationslotsin Wastlhuber ermutigt, Geflüchteten eine Chance zu geben: „Die Menschen haben zwei Hände und Füße, sie können mit anpacken – da ist es nicht so wichtig, ob jemand schon gut Deutsch kann.” Ali Hussein, Waleed Askar, Sophie Nabasirye und Claude Muhacha sind nur ein kleiner Teil der Menschen, die sie in den letzten Monaten vermittelt hat und deren Organisationen sie heute nicht mehr missen möchten.
Mit einem Ehrenamt ans Berufsleben herantasten
Auch Beatrice Pieraccini, hauptamtliche Integrationslotsin bei der Caritas Waldkraiburg, ist begeistert, dass sie einige Frauen aus ihren Frauenkursen inzwischen als Ehrenamtliche gewinnen konnte. „Das ist für die Caritas natürlich das Höchste”, sagt sie. Bei den Frauen komme der Wunsch danach oft auf, wenn die Kinder größer und integriert sind. „Nach der Kinderpause kommen die Frauen richtig raus, sind sehr dankbar und wollen unglaublich gerne was machen.” Ein Ehrenamt kann auch ein Schritt sein, um sich ans Berufsleben heranzutasten, später ein Praktikum und schließlich eine Ausbildung zu machen.
Dass ein Ehrenamt langfristig zu einem festen Anstellungsverhältnis führen kann, sieht auch Integrationslotsin Djakovic so. „Zudem zeigt eine ehrenamtliche Tätigkeit potentiellen Arbeitgebern, dass der Bewerber oder die Bewerberin bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv einbringt.” Im Gegenzug erlernen die Ehrenamtlichen organisatorische Fähigkeiten oder Teamarbeit. Dadurch könne das Ehrenamt zu einem Schlüssel für nachhaltige Integration und beruflichen Erfolg werden. Auch im Landkreis sei das bereits geglückt, einige ehrenamtliche Integrationslotsen haben eine Ausbildung gemacht und arbeiten als Erzieherinnen oder Lehrerinnen.
Pieraccini freut sich über jeden Schritt, den Flüchtlinge Richtung Selbstständigkeit gehen. Für die Integrationslotsin ist es wertvoll, zu sehen, wenn ihre Klientinnen so eines Tages eine Ausbildung machen können. „Vielleicht in der Altenpflege oder Gastronomie, das sind wunderbare Kräfte, wenn man ihnen eine Chance gibt.”


