Motorradbau als Kunst
Harley und Co. als Design-Objekte – Christian Klein aus Kraiburg baut irre Custom-Bikes
Christian Klein aus Kraiburg ist Metallbau-Künstler. Wenn er Harleys und Co. umbaut, entstehen einzigartige Design-Objekte – mit und ohne Straßenzulassung.
Kraiburg — Wer kein Motorrad von der Stange möchte, kommt zu Christian Klein nach Kraiburg. Hier hat er seine Werkstatt in einem umgebauten Stadl. Im Erdgeschoß schraubt er, eine Etage darüber wohnt er. Seine Kunstwerke werden in Fachzeitschriften und auf Messen bestaunt. Viele Custom-Bikes haben seine Werkstatt in den vergangenen Jahrzehnten verlassen.
Motorradbau als Kunst
Ihm geht es um die Kunst und die Kreativität. Für Banalitäten wie Kundendienste an Standard-Bikes hat er keine Zeit. Der 58-Jährige ist Maschinenbau-Meister und seit seinem 15. Lebensjahr verrückt nach Motorrädern. Während er als Teenie Mopeds auffrisierte, baut er heute Kunstwerke, in die bis zu Tausend Stunden Handarbeit fließen.
Kunden aus ganz Deutschland und Österreich kommen, um bei „Ch. Klein Custom Motorcycles“ ihre Motorräder in etwas Einzigartiges verwandeln zu lassen. Der Hersteller spielt dabei keine Rolle, auch wenn die Marke Harley-Davidson Kleins Favorit ist, weil ihm die Motorentechnik am besten gefällt.
Trumps Zollkrieg betrübt Klein nicht. Auf Harley-Importe aus den USA reagiert die EU mit Gegenzöllen, so sollen etwa 56 Prozent an Zollgebühr fällig werden. „Die Harleys, die ich umbaue, sind schon lange im Land. Es sind ältere Modelle, teilweise defekt.“
Manche Kunden lassen ihm freie Hand
Meist ist nur noch der Motor in Teilen Original, wenn Christian Klein fertig ist mit einem Auftrag. Seine Werkstoffe sind Edelstahl, Aluminium und Bronze. Daraus fertigt er einen völlig anderen Rahmen, die passende Gabel und den Tank dazu. Wenn es sein muss, bekommt der Motor eine hydraulische Kupplung oder die Schaltwelle wird versetzt. „Je nachdem, was die Maschine hergibt oder was zum Design passt“, so Klein.
„Manche Kunden lassen mir komplett freie Hand. Gerade bei extremen Umbauten ist es spannend, was am Ende des kreativen Prozesses rauskommt. Und der ist fließend, beschäftigt mich rund um die Uhr, auch nachts tüftle ich, wenn ich mitten drin bin“, sagt der 58-Jährige, der sein Geschäft im Nebengewerbe betreibt.
Will der Kunde ein besonderes Gefährt mit Straßenzulassung, bekommt er das. Wünscht der Kunde ein ausgefallenes Designer-Stück zum Ausstellen, macht Christian auch das möglich.
Schrauben hat heilende Wirkung auf ihn
Die Kreativität, die er hier ausleben dürfe, habe neben der künstlerischen Komponente auch eine psychologische. „Die Werkstatt ist mein Heiler, hier etwas Neues zu erschaffen, rettet mich immer wieder, wenn ich eine depressive Phase habe.“ Jeder habe mal im Leben einen Tiefpunkt und stelle sich die Sinnfrage. Und da sei das kreative Schaffen sehr heilsam. Aus unguten Gefühlen etwas Gutes machen, das schaffe die Kunst.
„Man kennt das von Malern oder Bildhauern. Die verarbeiten vieles in ihrer Kunst. So mache ich das auch“, so Klein. Kurz vor seinem 50. Geburtstag packt ihn eine Krise, die Lust am Schrauben ist ihm verloren gegangen.
Da kommt ihm eine herunter gekommene Harley-Davidson Ironhead Sportster in die Finger, aus der er zunächst eine Art Karikatur eines Café Racers, frei nach den umgebauten britischen Rennsportmotorrädern der Nachkriegszeit, machen will. Doch beim Tüfteln erkennt er das Potential des Motors und blüht wieder auf.
Was er dann macht, wird in der Fachzeitschrift „Custombike“ lobend als „irre Maßnahmen“ eines „Metallkünstlers“ bezeichnet. Christians Verständnis von Linie will der Originalrahmen nicht folgen. Bis auf Reste des Unterzuges wird alles neu angefertigt. Das Ergebnis nach 1000 Stunden Arbeit ist ein einzigartiges „Biest“. Als Rahmenfarbe wählt er Silber, um das Thema Metall zu unterstreichen.
„Das kommt halt einfach so aus mir raus und dann ändert sich die Richtung“, sagt er lachend. Das gilt auch für den Beiwagen, den er anbringen will. Der ist noch ein Styropor-Modell. Die Aluminium-Karosse wird demnächst angefertigt. Teile der Kupplung oder die Fußrasten sind an Christian Fräsmaschine entstanden. Er baut alle Teile selbst.
Wenn die Klein‘sche „Dnepr“ einmal fertig ist, kann er sie auch loslassen. „Die größte Wertschätzung für mich ist, wenn jemand mein Bike unbedingt haben will.“ Ein Traum für ihn wäre auch, wenn eine seiner Custom-Umbauten mal in einem Film zu sehen wäre. „Mad Max, damit bin groß geworden. In einem Remake vielleicht“, sagt er lachend. Doch erst einmal soll die „Dnepr“ bis Januar 2026 fertig werden, weil er sie in Verona auf der Motor Bike Expo ausstellen will.
Fast vollendet steht daneben ein Café Racer mit einem komplett überholten 650 ccm-Motor von Yamaha. „Original schaute das Bike grausam aus. Jetzt kann es sich sehen lassen“, sagt Klein augenzwinkernd. Er zeigt auf die Gabelbrücke, die er gefräst und poliert hat. Sobald einzelne Teil der Verkleidung lackiert sind, kann der Kunde losdüsen und sich wie Steve McQueen fühlen.
„Das ist ein wildes Teil, die geht brutal gut mit ihren 100 PS“, sagt er und deutet auf eine 750er Honda, die noch nicht fertig ist. Der kantige Tank und die taillierte Sitzbank geben ihr einen „gefährlichen Look“.
Wer so viel schraubt, schweißt, dreht, fräst und poliert wie Christian Klein, kommt selbst kaum noch zum Motorradfahren. Sofern er die Zeit findet, dreht er mit seiner grünen Harley-Davidson 58er Pan Head ein paar Runden. Oder er setzt sich in der Werkstatt auf ihren Sattel und „sinniert“, wie er sagt. „Da lässt es sich gut nachspüren, wenn die Ideen kommen.“








