Mühldorfer kritisiert Bauernverband
Kann Agri-PV das Höfe-Sterben stoppen? Ein Tüftler aus Mühldorf ist davon überzeugt
Der Freistaat Bayern möchte bis zum Jahr 2040 CO2-neutral sein. Das heißt, hier ist entschlossenes Handeln in Sachen „erneuerbare Energien“ gefragt. Einen wichtigen Beitrag dazu können die Landwirte leisten; und innovative Unternehmer.
Buchbach – Die bayerische Staatsregierung hat die Devise ausgegeben, dass der Freistaat bis zum Jahr 2040 CO₂-neutral sein soll. Die Bundesregierung möchte dieses Ziel bis zum Jahr 2045 erreichen. Um dieses Ziel in Bayern zu erreichen, müssen unter anderem jede Woche Freiflächen-PV-Anlagen mit einer Fläche von rund 40 bis 55 Fußballfeldern in Betrieb genommen werden. Dazu kommen rund 5,5 Megawatt, die mit Windkraft erzeugt werden müssen. Das sagte Klaus Steiner, der Geschäftsführer der Stadtwerke Dorfen, bei einer Infoveranstaltung in Sachen Nahwärmeversorgung in Buchbach und zitierte aus einer Studie des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft und des Deutschen Vereines des Gas- und Wasserfaches.
Landwirte können wertvollen Beitrag zu CO₂-neutraler Energie leisten
Einen wichtigen Beitrag zu diesem Vorhaben können die Landwirte leisten, ist Josef Fürstenberger überzeugt. Er hat zusammen mit Hermann Oberhauser ein Konzept entwickelt, mit dem sie Landwirten ein zusätzliches Einkommen und der Energieversorgung einen Schub verschaffen können. Die beiden Tüftler haben ein System, mit dem Äcker und Wiesen weiter landwirtschaftlich genutzt werden können, obwohl über der Fläche eine Photovoltaikanlage installiert ist. „Dort kann der Landwirt nahezu alles anbauen, was er für seinen landwirtschaftlichen Betrieb braucht“, sagt Josef Fürstenberger, der selbst aus einer Landwirtschaft stammt.
Eine Anlage wird jetzt in Heimpolding entstehen. Der Marktgemeinderat hat bei seiner März-Sitzung die formalen Grundlagen gelegt und sowohl einstimmig grünes Licht für die notwendige Änderung des Flächennutzungsplanes als auch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan gegeben. Joachim Schöngut (Grüne/Unabhängige) wollte allerdings wissen, ob man das Aufstellen der Anlage zeitlich begrenzen könne. Schließlich wisse man nicht, was in 30 Jahren ist und man vielleicht den Grund dringend für die Nahrungsmittelproduktion brauchen wird. Doch Bürgermeister Thomas Einwang (Wahlvorschlag Ranoldsberg) und Sonja Thalmeier (Grüne/Unabhängige) sind überzeugt, dass dies nicht möglich ist. „Beschlossen ist beschlossen, da kann sich ein Bauherr darauf verlassen“, fasst es Thalmeier zusammen. Man könne höchstens im Bebauungsplan festlegen, dass eine PV-Anlage, wenn sie nicht mehr betrieben wird, zurückgebaut werden muss.
Josef Fürstenberger kritisiert Bauernverband
Enttäuscht ist Josef Fürstenberger vom Bauernverband: „Nach jahrelangem Tiefschlaf sind sie zwar aufgewacht und wollen jetzt auf einmal lauter Genossenschaften gründen“. Fürstenberger hat aber Bedenken, dass diese Pläne jahrelang bis zur Umsetzung dauern. Gleichzeitig hat er kein Verständnis für Kommunen und das Landratsamt, die immer noch Freiflächen-PV-Anlagen ohne Bodennutzung genehmigen. Hier höre man nichts vom Bauernverband in Sachen Flächenfraß, ärgert sich der gelernte Metallbauer.
Er hat eine Beispielrechnung aufgemacht, wonach Landwirte mit einer Agri-PV-Anlage nach Fürstenbergers Bauart ihre Existenz sichern können. Wenn ein Landwirt zwischen fünf und zehn Prozent seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche mit so einer Anlage bewirtschaftet, kann er bei einer Gesamtfläche von etwa 50 Hektarzwischen 15.000 und 30.000 Euro zu versteuerndes Einkommen erzielen. „Ein Landwirt kann mit unserem Konzept nicht mehr untergehen“, ist er überzeugt und rechnet für die Region vor: „In den Landkreisen Mühldorf und Altötting gibt es rund 79.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Wenn rund zehn Prozent mit einer Agri-PV-Anlage belegt werden, können im Schnitt 3000 Vier-Personen-Haushalte mit Strom versorgt werden“.
Landwirte brauchen bei Agri-PV-Anlage kein Eigenkapital
Gleichzeitig betont er, dass Landwirte kein Eigenkapital brauchen, um eine Agri-PV-Anlage von Josef Fürstenberger und Hermann Oberhauser aufstellen zu lassen. „Wir haben einen Investor, der auch den Gemeinden eine direkte Gesellschafterbeteiligung sowie interessierten Bürgern eine finanzielle Beteiligung in Form von Genussrechten anbietet“, so Fürstenberger. Ihn stört allerdings, dass es „offensichtlich zahlreiche Landwirte nicht interessiert, dass sie durch die Agri-PV nicht nur ihren eigenen Strom erzeugen, sondern auch für den Mittelstand und das Handwerk Strom liefern können. Mir ist ein Rätsel, wo in kürzester Zeit bezahlbarer Strom herkommen soll, wenn die eigenen Ressourcen, vor allem bei der Landwirtschaft, bei weitem noch nicht ausgeschöpft werden“. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Strompreise, die „nur noch eine Richtung kennen; nämlich nach oben“.
Veit Hartsperger, Geschäftsführer des BBV-Kreisverbandes Altöting-Mühldorf-Rottal-Inn, ist überzeugt, dass die Bereitstellung von Erneuerbaren Energien eine von vielen Aufgaben der Landwirtschaft sei. Sie müsse aber auch wirtschaftlich darstellbar und im Einklang mit dem regionalen Flächenbedarf sein. Aus seiner Sicht gebe es da bei vielen Kommunen noch erhebliches Entwicklungspotenzial. Er konstatiert, dass „bei diesem Thema nicht vorausschauend geplant, sondern oft nur situativ auf konkrete Standortanfragen reagiert“ werde.
Gleichzeitig sagt Hartsperger, dass das BBV-Präsidium Eckpunkte in Sachen Erneuerbare Energien aufgestellt hat. Er nennt unter anderem den Vorrang von regionaler Wertschöpfung sowie von Kooperationsprojekten. Der Bauernverband stellt zudem klar, dass Multifunktions-PV-Anlagen Priorität haben sollen. Er fordert von der Politik, dass ausreichend Verteilnetze bereitgestellt werden. Daran arbeitet auch Josef Fürstenberger bereits und setzt für die Zukunft auf Wasserstoff als Energiespeicher.
Freistaat könnte 700.000 Haushalte mit Strom versorgen
Josef Fürstenberger nimmt aber auch den Freistaat in die Pflicht: „Mir ist es unverständlich, warum der Staat von seinen rund 3750 Hektar landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht 50 Prozent für Agri-PV nutzt. Hier könnten nach unserem Konzept circa 2,6 MWh Strom erzeugt werden. Damit können etwa 700.000 Vier-Personen-Haushalte Jahr für Jahr mit Strom versorgt werden“.
Gleichzeitig regt Fürstenberger an, dass beispielsweise große Parkplätze bei Supermärkten, Einkaufszentren oder Behörden ebenfalls mit PV-Anlagen belegt werden könnten. Kritisch verfolgt er das Vorhaben, bei Altötting 40 Windräder bauen zu wollen. Dafür werden rund 4800 Hektar Fläche benötigt. „Wir brauchen nur die Hälfte an Fläche, um die gleiche Menge an Strom zu erzeugen“, ist er überzeugt. Er kann sich aber vorstellen, dass man hier auf einen Mix aus Windrädern und Agri-PV bei der Stromerzeugung setzen kann und ist sowohl mit Landrat Schneider, als auch den Gegnern der Windräder im Kontakt.
Er ist auch im Austausch mit dem CSU-Generalsekretär Martin Huber, der ihm bestätigt, dass der Freistaat das Potenzial von PV-Anlagen vollständig nutzen möchte. Huber verrät ihm auch, dass man im Koalitionsvertrag „daher nicht nur eine Verdreifachung der Stromerzeugung aus Photovoltaik verankert“ habe, sondern sich auch „zur besseren Nutzung von Agri-PV“ bekenne“.